252 | Imperiale Lebensweise

Die Realitäten in Brasilien und Perspektiven der Solidarität
| von Brasilicum Redaktion
252 | Imperiale Lebensweise
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Inhalt:

    • „Schock“-Politik Schlag auf Schlag
      Christian Russau
    • Soli-Datenbank - Unterstützung für Menschen auf der Flucht
      Fabian Kern
    • Progressive politische Kräfte haben einen schweren Stand
      Uta Grunert
    • Wer hat Angst vor den Feministinnen?
      Kristina Hinz
    • Bolsonaros Anti-Klimapolitik für Brasilien: Düstere Aussichten auf Nachhaltigkeit
      Fabricio Rodríguez
    • „Der Hunger wird erneut zu einer Realität in Brasilien“
      Interview mit Bruno Pilou (MPA)
    • Soja im Regenwald
      Fabiana Frayssinet
    • Welcome to the free Market!
      Gabriela Riffel
    • Imperiale Lebensweise und Ansatzpunkte für eine solidarische Lebensweise
      Bettina Köhler
    • Brumadinho ist überall
      Fabian Kern

       

      Editorial:


      2019 begann die Präsidentschaft von Jair Bolsonaro. Eine neue politische Ära, deren Ausmaße für die sozialen Bewegungen noch nicht absehbar sind. Der Schockzustand, in dem sich die progressiven Kräfte der brasilianischen Gesellschaft seit der Wahlentscheidung am 28.11.2018 befand, beginnt sich zu lösen. Die Regierung hat, wie angekündigt die Ministerien radikal umgebaut. Wenig überraschend haben Minderheiten wie LGBTI oder Indigene ihre während der PT-Ära errungene institutionelle Verankerung weitestgehend verloren. Zu den neuen Akteueren gehört das Militär, das mit sieben Ex-Militärs Schlüsselpositionen in der neuen Regierung besetzt. Bisher ebenfalls nicht gerade unterrepräsentierte Akteure wie das Agrobusiness und die evangelikalen Kirchen haben ihren Einfluss stark ausgebaut und den Einfluss ihrer ideologischen Gegner*innen eingeschränkt.

      Im Parlament hingegen ist die Arbeiterpartei noch immer die stärkste Kraft, allerdings mit nur wenigen Abegeordneten mehr als die Partei, die von Jair Bolsonaro gekapert wurde. Auf regionaler Ebene haben durchaus progressive Kräfte die Anzahl ihrer Abgeordneten erhöhen können. Allerdings haben auch in den Kommunal- und Landesparlamenten zahlreiche Unterstützer*innen von Bolsonaro Mandate errungen. Insgesamt wurde bei dieser Wahl so viel durchgewechselt wie bei keiner anderen Wahl bisher. Die Spaltung der Gesellschaft beginnt sich nun auch stärker in den Parlamenten wiederzuspiegeln. Ideologie und die persönliche Bereicherung verhindern Mehrheiten für politische Maßnahmen die einen Fortschritt für die Gesellschaft bringen können. Ein Opfer dieser Radikalisierung ist der zum dritten mal gewählte Abegeordnete Jean Wyllys der im Januar nach Berlin flüchtete, um sich zahlreichen Todesdrohungen wegen seiner offen bekannten Homosexualität zu entziehen. Auch andere Aktivist*innen haben das Land bereits verlassen.

      Am 25. Januar brach in Brumadinho (MG) ein Rückhaltebecken einer Erzmine und forderte mehr als 300 Todesopfer. Deutschland deckt Rund die Hälfte (51 %) seines Eisenerzbedarfs durch Einfuhren aus Brasilien. Brasilien spielt sowohl als größter Lieferant von Eisenerz eine wichtige Rolle, als auch als Roheisenlieferant (18 %) und insbesondere als Lieferant von nicht gewalzten Stahl-Halbzeugen (52 %). Der Maschinenbau, die Autoindustrie und das Bauwesen sind für einen Großteil der Wertschöpfung in Deutschland und damit auch den hier herschenden Wohlstand verantwortlich und hängen alle direkt vom Import von Metallen aus Brasilien ab. Das bedeutet, dass wir indirekt alle Nutznieser der hochriskanten und Umweltschädigenden Erzgewinnung in Brasilien sind und eine Mitschuld sowohl an dem Verbrechen von Mariana (2015) als auch jetzt in Brumadinho haben.
      Was das für unsere Solidaritätsbewegung bedeutet, wollen wir gemeinsam auf der Frühjahrstagung debattieren. Dieses Heft dient deshalb auch gleichzeitig als Vorbereitungsreader für die Tagung.


      die Redaktion