Amazonasgipfel führt zu neuen Allianzen – wo bleiben Klimaschutz und Menschenrechte?

Der Amazonas-Gipfel in Belém soll zu gemeinsamen Strategien der acht Anrainerstaaten im Umweltschutz und im nachhaltigen Wirtschaften führen. In den Protesten der Bevölkerung zeigt sich die Schwierigkeit von klimafreundlichem Wirtschaften sowie dem Schutz der Menschenrechte.
| von tilia.goetze@kooperation-brasilien.org
Amazonasgipfel führt zu neuen Allianzen – wo bleiben Klimaschutz und Menschenrechte?
Cacique Raoni Metuktire, Cúpula dos Povos Indígenas in Belém, 5.August (Foto: Cícero Pedrosa Neto/Amazônia Real)

Das Amazonasgebiet hat mit 6,3 Mio km² die größte biologische Vielfalt auf unserem Planeten. Mehr als 60 Prozent davon liegen in Brasilien.

Am 8. Und 9. August fand der Amazonasgipfel in Belém statt. Dort treffen sich die Staats- und Regierungschef*innen der acht Staaten des Amazonas-Kooperationsvertrags, um über die regionale Entwicklung des Amazonasgebiets zu sprechen. Dabei sind Brasilien, Bolivien, Kolumbien, Ecuador, Guyana, Venezuela, Peru und Suriname. Ein Schwerpunkt sollen die Herausforderungen der nachhaltigen Entwicklung angesichts der Klimakrise sein. Der Amazonas-Gipfel ist eine Veranstaltung im Vorfeld der Weltklimakonferenz COP 30 und rückt Belém und Pará ins internationale Rampenlicht. Ziel ist die Verabschiedung einer „Erklärung von Belém“ als neue gemeinsame Agenda. Sie soll den Umweltschutz mit einer nachhaltigen wirtschaftlichen Entwicklung verbinden.

Parallel zum Treffen fanden in Belém Proteste statt. Die lokale Bevölkerung fordert, im Mittelpunkt der Debatten über das Amazonasgebiet zu stehen und mitzuentscheiden. Indigene und die Landlosenbewegung MST machten deutlich, dass die Landkonflikte und Gewalt im Amazonas noch lange kein Ende haben. Ein indigener Aktivist erzählte auf der Bühne, dass sein Sohn sich in diesem Moment im Krankenhaus befände und operiert werde, weil auf ihn geschossen wurde. Unter anderem wurden die Zerstörung der Wälder und Flüsse durch Entwaldung, Bergbau und die Agrarindustrie angeprangert. Die Proteste von Indigenen richteten sich auch gegen geplante Öl- und Gasförderprojekte in den Amazonasstaaten.

Ein Sorgenpunkt ist ein anstehender „Kipppunkt“ des Amazonas-Bioms. Laut Daten von MapBiomas seien bereits mindestens 17 Prozent des Amazonasgebiets entwaldet, das heißt in einigen Regionen ist ein solcher Kipppunkt bereits erreicht. Wissenschaftler*innen gehen von einem Kollaps des Ökosystems bei einer Entwaldung von 20 bis 25 Prozent aus. Dies hätte fatale Folgen, beispielsweise für das System des Regenfalls in Regionen Brasiliens und Argentiniens. Letztlich ist davon auch das globale Klima betroffen und die Klimakrise würde weiter befeuert.

Der brasilianische Präsident Lula da Silva feierte zuletzt den Rückgang der Abholzung von 43 Prozent zwischen Januar und Juni 2023. Anielle Franco äußerte gegenüber The Guardian Hoffnung für die brasilianische Demokratie, sowie für die Situation von BIPoC (Black, Indigenous und People of Colour) und LSBTIQ (Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transpersonen, Interpersonen, Queere Menschen) im Land.

Doch auch unter der Regierung Lula gibt es noch genug zu tun. Circa 80 Prozent der Kongressmitglieder Brasiliens sprechen sich gegen Rechte Indigener Völker in Brasilien aus. Was den Amazonas betrifft ist auch Lulas Politik umstritten. Er hat zwar vor, die illegale Abholzung mit dem Amazonas-Schutzprogramm (PPCDAm) bis 2030 zu beenden, doch was das für legale Abholzung heißt, ist vielen unklar. Amazonas- und Klimaforscher Philip Martin Fearnside erklärt gegenüber der Zeitung Junge Welt, dass in Lulas Programm die gesetzliche Anerkennung illegaler Ansprüche stattfindet – und zwar über das Umweltregister CAR. Auch den Bau von Wasserkraftwerken und Staudämmen sieht Fernside als Problem für das Klima, da ihre Emissionen von CO2 und Methan zur Erderwärmung beitragen. Trotz aller wissenschaftlicher Empfehlungen sind zudem Öl- und Gasförderprojekte im Amazonasgebiet geplant. Sie zerstören die Umwelt konkret durch Bohrungen und kurbeln Infrastrukturprojekte wie den Straßenbau vor Ort an – was wiederum eine Bedrohung für umliegende Gebiete darstellt. Der Straßenbau führt oftmals durch Gebiete, die von der Bevölkerung vor Ort geschützt werden und erleichtert Invasor*innen den Zugang zum Regenwald. Momentan ist beispielsweise die Asphaltierung der Bundesstraße BR-319 geplant, welche sowohl Fearnside als auch Klima- und Amazonasforscher Carlos Nobre für eine der größten Bedrohungen Amazoniens halten.

Mit der Abschlusserklärung des Amazonas-Gipfels wurde eine Amazonas-Allianz gegründet. Sie hat das Ziel, Abholzung zu bekämpfen, organisiertes Verbrechen über ein Luftkontrollsystem zu verringern und die Zusammenarbeit in den Bereichen Wissenschaft, Finanzen und Menschenrechte zu verbessern. Verbindliche Ziele kamen jedoch nicht dabei rum.