Gegenanträge gegen Siemens-Vorstand und Aufsichtsrat

Der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre hat Gegenanträge gegen Vorstand und Aufsichtsrat von Siemens eingereicht wegen deren Beteiligung an Staudamm- und Windkraftprojekten, die die Rechte der lokalen Bevölkerung mißachten, wegen Beteiligung an extrem klimaschädlichen Großprojekten und Firmen sowie wegen der bislang unaufgearbeiteten Vergangenheit von Siemens während der brasilianischen Militärdiktatur.
| von Dachverband kritische Aktionäre
Gegenanträge gegen Siemens-Vorstand und Aufsichtsrat

Die Gegenanträge im Wortlaut (als PDF bei Siemens auf deutsch und auf englisch zugänglich):

Gegenanträge des Dachverbands der kritischen Aktionärinnen und Aktionäre zur Hauptversammlung der Siemens AG am 27. Januar 2015

Zu Tagesordnungspunkt 3, Beschlussfassung über die Entlastung der Mitglieder des Vorstands

TOP 3 Beschlussfassung über die Entlastung der Mitglieder des Vorstandes

Den Mitgliedern des Vorstandes wird die Entlastung verweigert.

Begründung:

Der Vorstand der Siemens AG verstößt mit der anhaltenden Beteiligung am Joint Venture mit dem Maschinenbauer Voith, Voith Hydro, und der daraus resultierenden Beteiligung an Staudamm-Projekten wie Belo Monte (Brasilien) und Agua Zarca (Honduras) gegen UN-Leitprinzipien, gegen die Konventionen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), gegen die Empfehlungen der Weltstaudammkommission, gegen die eigenen Corporate Governance-Richtlinien des Konzerns sowie gegen die Menschenrechte der von den Staudammprojekten betroffenen lokalen Bevölkerungen.

Über die Menschenrechtsvergehen bei beiden Staudammprojekten, Belo Monte in Brasilien und Agua Zarca in Honduras, hatten wir Siemens bereits im vergangenen Jahr ausführlich in Kenntnis gesetzt. Bei beiden Staudammprojekten erweisen sich die fehlende freie, vorherige und informierte Konsultation der betroffenen lokalen indigenen Bevölkerung, wie es die ILO-Konvention 169 eigentlich zwingend vorschreibt, die Prozesse der illegalen (Land-)Enteignungen, die von den Staudammbetreibern gezielt geschürte Spaltung der lokalen Gemeinden, die Einschüchterung, die Militarisierung, die gewaltsame Unterdrückung, die gezielte Kriminalisierung des Protests sowie die anhaltenden Gesetzesbrüche durch die Staudammbetreiber und somit die Verletzung der Grundrechte der betroffenen lokalen Anwohner als schwerwiegendste Verstöße gegen UN-Leitprinzipien, gegen Konventionen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), gegen die Empfehlungen der Weltstaudammkommission und gegen eigene Corporate-Governance-Richtlinien.

Ausführliche Hintergrundinformationen zum Fall Agua Zarca (und der Siemens- Beteiligung) finden sich unter:

http://hondurasdelegation.blogspot.mx/2014/01/studie-uber-das-wasserkraftwerk-agua.html

Ausführliche Hintergrundinformationen zum Fall Belo Monte (und der Siemens-Beteiligung) finden sich unter:

http://www.gegenstroemung.org/web/blog/neues-dossier-der-belo-monte-staudamm-und-die-rolle-europaeischer-konzerne/

Der Vorstand der Siemens AG hatte nunmehr ein Jahr Zeit, Prozesse zu etablieren, mit denen der Konzern Abhilfe für die Menschenrechtsverletzungen hätte schaffen müssen, die er durch seine Beteiligung an solchen Projekten mit verursacht. Da der Vorstand der Siemens AG weder in der Lage noch willens war – trotz Kenntnis der Vorgänge –, diese eklatanten Missstände abzustellen, muss dem Vorstand die Entlastung verweigert werden.

Des Weiteren hat sich Siemens seit 2010 an Errichtung und elektrischem Netzanschluss von Windkraftprojekten auf dem Isthmus von Tehuantepec in Oaxaca, Mexiko, beteiligt, bei denen die Projekte ohne hinreichende Mitbestimmung der Bevölkerung durchgesetzt werden, die Konsultationen der Gemeinden erhebliche Defizite aufweisen und somit den in der Konvention 169 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) festgelegten Rechten indigener Gemeinden widerspricht. Spätestens seit der mexikanischen Verfassungsreform von 2011 müssen die in internationalen Abkommen verankerten Rechte Eingang in die mexikanische Rechtssprechung finden. Dies war und ist bei den in Oaxaca getätigten Projekten, an denen Siemens als wie oben beschrieben beteiligt ist (Bii Stinu, Santo Domingo, Oaxaca II, Oaxaca III und Oaxaca IV), nicht der Fall. Grundsätzlich tragen diese Art und Weise der Projekte im Isthmus zur Ausweitung von Korruption bei und fördern die Zerrüttung der sozialen Strukturen in den Gemeinden massiv. Eine Konsequenz davon ist, dass oppositionelle Stimmen durch Einschüchterung und offene Gewalt mundtot gemacht werden. Der aktuelle Bericht von Amnesty International zu Lateinamerika erwähnt explizit die Angriffe auf Menschenrechtler im Isthmus. Da der Vorstand der Siemens AG es auch hier versäumt hat, sich vor Beteiligung an umstrittenen Projekten, die die Menschenrechte der lokal betroffenen Bevölkerung missachten, ein hinreichendes Bild zu machen und sich an den Ausschreibungen solcher Projekte als Zulieferer nicht zu beteiligen, muss dem Vorstand wegen Verletzung seiner Good-Governance-Sorgfaltspflichten die Entlastung verweigert werden.

Zudem beteiligt sich Siemens als Ausrüster und mit technologischen Lösungen an der Ausbeutung der kanadischen Ölsande, die besonders klimaschädlich sind und deren Abbau für die Biodiversität vor Ort katastrophale Folgen zeitigt.

 

Zu Tagesordnungspunkt 4, Beschlussfassung über die Entlastung der Mitglieder des Aufsichtsrats

 

TOP 4 Beschlussfassung über die Entlastung der Mitglieder des Aufsichtsrates

 

Den Mitgliedern des Aufsichtsrates wird die Entlastung verweigert.

Begründung:

Laut dem im Dezember 2014 veröffentlichten Abschlussbericht der Nationalen Wahrheitskommission Brasilien war neben anderen Firmen auch Siemens in die brasilianische Militärdiktatur verstrickt. Laut dem Abschlussbericht (Vol.II, S.320) hat auch Siemens Brasilien das Folterzentrum Operação Bandeirantes (Oban) von 1969 bis Mitte der 1970er Jahre, dem Höhepunkt des staatlichen Terrors und Folterns in Brasilien, finanziell unterstützt. Der Aufsichtsrat von Siemens hat es versäumt, diese Vorgänge umgehend untersuchen und aufzuklären zu lassen, nicht zuletzt angesichts des kürzlichen 50. Jahrestages des brasilianischen Militärputsches. Siemens muss sich seiner historischen Verantwortung stellen und sich dazu bekennen.

Der Aufsichtrat der Siemens AG hat es zudem versäumt, den Vorstand davon abzuhalten, den Erdöl-, Gas- und Fracking-Zulieferer Dresser-Rand zu erwerben. In Zeiten des Klimawandels ist die Beteiligung an Firmen, deren Geschäft auf der klimaschädlichen Ausbeutung fossiler Rohstoffe beruht, unzeitgemäß und nicht zu verantworten.

Der Aufsichtsrat ist außerdem mitverantwortlich für Verstöße der Siemens AG gegen UN-Leitprinzipien, Konventionen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), die Empfehlungen der Weltstaudammkommission und eigene Corporate-Governance-Richtlinien, da er es versäumt hat, den Vorstand anzuweisen, Prozesse zu etablieren, mit denen der Konzern Abhilfe für die Menschenrechtsverletzungen im Rahmen der operationellen Tätigkeit des JointVentures Voith Hydro hätte schaffen können.

Eine spezielle Kritik richtet sich an den Aufsichtsratsvorsitzenden der Siemens AG, Dr. Gerhard Cromme, der zu einer Belastung für das Unternehmen geworden ist. Insbesondere bei der Nachfolgeplanung für den Posten des Vorstandsvorsitzenden sind Dr. Cromme schwere Fehler unterlaufen. So ist er maßgeblich dafür verantwortlich, dass im Jahr 2012 der Vertrag des damals schon umstrittenen Vorstandsvorsitzenden Peter Löscher um fünf Jahre verlängert wurde. Bereits 2013 wurde Löscher per „Goldenem Handschlag“ verabschiedet, was die Siemens AG 17 Millionen Euro kostete.