Wasser Marsch und Gesetzes Mühlen

Die Interamerikanische Menschenrechtskommission CIDH eröffnet nach über 4 Jahren nun das formale Verfahren gegen Brasilien wegen Mißachtung der indigenen Rechte durch den Staudammbau Belo Monte.
| von Christian Russau
Wasser Marsch und Gesetzes Mühlen
Am Xingu. Foto: Verena Glass

Es hat mehr als vier Jahre gedauert. Viel Wirbel hatte es in der Zwischenzeit gegeben, gegenseitige Schuldzuweisungen und Anfeindungen, neue Fristandrohungen und Zurückweisungen derselben, zwischenzeitlich die Androhung seitens Brasilías, die bereits zugesagten Finanzmittel für die Interamerikanische Menschenrechtskommission CIDH der Organisation der Amerikanischen Staaten (OAS) einzufrieren - in vier Jahren war viel passiert. Aber der Prozess vor der Interamerikanische Menschenrechtskommission wegen des Staudamms Belo Monte und der Mißachtung der Rechte der betroffenen Indigenen war in der Sache selbst nicht vorangekommen. Nun aber, im Dezember 2015, hat die Interamerikanische Menschenrechtskommission das Verfahren gegen Brasilien offiziell eröffnet - nahezu zeitgleich zur Entscheidung der brasilianischen Umweltbehörde, die Flutungsgenehmigung für den bald künftig drittgrößten Staudamm der Welt, Belo Monte am Fluss Xingu im nordbrasilianischen Bundesstaat Pará, freizugeben und die Flutung in Gang zu setzen. Wasser Marsch und Gesetzes Mühlen.

Grundlage des nun eröffneten Prozesses sind die gemeinsam eingereichten Beschwerden der Menschenrechtsorganisationen Justiça Global und der Sociedade Paraense de Defesa dos Direitos Humanos (SDDH) aus Brasilien sowie der Umweltrechtorganisation AIDA aus den USA. "Es ist höchste Zeit, dass Brasilien vollumfänglich zu antworten hat auf unsere Klageeinreichung wegen der nicht erfolgten vorherigen, freien und informierten Konsultation der betroffenen indigenen Gemeinschaften, wegen der fehlenden Partizipation und des Mangels an angemessenen Umweltverträglichkeitsprüfungen in den Bereichen [der Durchführung und Folgen der] Zwangsumsiedlungen sowie wegen der Verletzungen der Rechte der indigenen und Flussanwohnergemeinschaften sowie der Bewohner der Stadt Altamira", erklärte María José Veramendi Villa, Rechtsanwältin von AIDA. "Die Eröffnung des Falls ist vor allem ein Erfolg der betroffenen Bevölkerungen und der involvierten sozialen Bewegungen, die all diese Jahre Widerstand geleistet haben und beständig wie entschlossen um Gerechtigkeit und Entschädigungen gekämpft haben", erläuterte Raphaela Lopes, Anwältin von Justiça Global.

Die Interamerikanische Menschenrechtskommission hatte 2011 Brasiliens Staudammprojekt Belo Monte wegen Mißachtung indigener Rechte ungewöhnlich scharf kritisiert und die Einstellung des Projekts gefordert. Daraufhin hatten Brasiliens Regierungsvertreter zunächst "perplex" reagiert und jede äußere Einmischung in innere Angelegenheiten abgelehnt. Da Brasilien aber Unterzeichnerstaat der ILO-Konvention 169 zum Schutze indigener Rechte und Unterzeichnerin der Amerikanischen Menschenrechtskonvention (AMRK) ist, muss Brasilien auf die Vorwürfe internationaler Gremien reagieren. Die Frage, ob ein formeller Prozess von der Kommission eingesetzt werden soll, dies war der Gegenstand der nunmehr vier Jahre dauernden Grundsatzdebatte beim CIDH. Nun ist der Fall offiziell eröffnet - während das Xingu-Wasser bereits den Stausee füllt. Ob dies auch Wasser auf die Mühlen der Justiz bedeutet? In Brasilien selbst zunächst nicht - denn dort liegen mehr als zwei Dutzend von den Bundesstaatsanwaltschaften eingereichte Klagen gegen Belo Monte derzeit auf Eis. Wann sich der Oberste Gerichtshof Brasiliens (STF) damit auseinandersetzen wird, ist nach Einschätzung vieler Beobachter eher eine Frage des politischen Willens - und der bald vollendeten Tatsachen, wenn das Wasserkraftwerk in Betrieb ist.