Indigene und Quilombolas protestieren gegen Palmölproduzenten in Pará

Indigene und Quilombolas besetzten Sitz des Palmölproduzenten Brasil Bio Fuels in der Stadt Acará im Bundesstaat Pará
| von Christian.russau@fdcl.org
Indigene und Quilombolas protestieren gegen Palmölproduzenten in Pará
Dendê-Palmölernte in Brasilien. Foto: Kurt Damm (FDCL)

Angehörige des indigenen Tembé-Volkes aus dem Gebiet Turé Mariquita im amazonischen Bundesstaat Pará besetzten am Donnerstag vergangene Woche gemeinsam mit Quilombolas den Sitz des Unternehmens Brasil Bio Fuels (BBF) in der Stadt Acará, des größten Palmölproduzenten Lateinamerikas. Nach Ansicht der Anführer verletze das Unternehmen die Rechte traditionellen Völker. Die Firmenleitung von BBF behauptet hingegen, vermummte Männer seien in ihr Eigentum eingedrungen sind und hätten Fahrzeuge in Brand gesteckt und weiteres Eigentum beschädigt.

"Wir können die Angriffe der Firma BBF nicht mehr ertragen, es gibt so viele Bedrohungen. Nicht nur die indigene Bevölkerung, sondern auch die Quilombola- und Flussbevölkerung unserer Region", so Paratê Tembé, indigener Anführer des Dorfes Turé Mariquita, in einem Video, aus dem das Informationsportal Amazônia Real zitiert. "Wir werden verfolgt, und wenn wir demonstrieren wollen, werden wir mit Kugeln empfangen. Jetzt hat die Bevölkerung nicht nachgelassen und wir sind zum Gegenangriff übergegangen", so der indigene Anführer laut dem Bericht von Amazônia Real. Auch die Quilombola-Gemeinschaften sehen sich durch das Agieren von Brasil Biofuels bedroht. "Für uns ist es nicht nur eine Frage des Territoriums, sondern eine Frage des Überlebens. Die Quilombola-Gemeinschaften laufen Gefahr, wegen dieser kollektiven Vergiftung und des Diebstahls unserer Ländereien, die das einzige sind, was wir von unseren versklavten Vorfahren geerbt haben, zu verschwinden", sagte Josias Dias dos Santos, auch bekannt als Jota, der Koordinator für Öffentlichkeitsarbeit des Quilombola-Territoriums von Amarqualta.

Die indigenen und Quilombola-Demonstranten besetzten die BBF-Zentrale aus Protest gegen die von dem Unternehmen verursachten Umweltbelastungen durch den Einsatz von Agrarchemikalien in Palmölplantagen, gegen die unregelmäßige Entsorgung von Abfällen, gegen Unregelmäßigkeiten bei den Umweltgenehmigungen des Unternehmens und mutmaßlichen Betrug bei der Landtitel-Registrierung von Grundstücken, auf denen sich die Palmölplantagen und die Industrieanlage des Unternehmens befinden, so die Indigenen Tembé gegenüber Amazônia Real. Die Protestaktion fand laut dem Medienbericht von 5 Uhr am Morgen bis 24 Uhr statt.

Das Unternehmen BBF, das Palmöl an die großen Unternehmen des Energiesektors zur Herstellung von Biodiesel und des Lebensmittelsektors liefert, ist in den Bundesstaaten Amazonas, Acre, Pará, Rondônia und Roraima vertreten. Das Unternehmen besitzt laut Amazônia Real über rund 56.000 Hektar Ölpalmenplantagen in Pará, und die Verarbeitungsproduktionskapazität der Industrieanlagen der Firma liege bei 285 Tonnen Palmölfruchtrohstoff pro Stunde. Die Ölpalmenplantage, die den Ursprung der Konflikte in Acará im Nordosten von Pará bilden, wurden im November 2020 durch die BBF gekauft, nachdem sie zuvor einer Tochtergesellschaft des Vale-Konzerns, Biopalma, gehört hatten. Laut Aussagen von Indigenen und Quilombolas begannen die Probleme der traditionellen Gemeinschaften bereits zur Zeit von Biopalma unter Vale-Besitz, aber die Konflikte hätten sich in den letzten Monaten aufgrund von Schwierigkeiten im Dialog mit der BBF verschärft. Die Region Acará habe sich zu einem der wichtigsten nationalen Zentren für die Produktion dieser Frucht entwickelt, deren Anpflanzung die Gemeinden umzingelt, wie im Fall des Dorfes Turé Mariquita und der benachbarten Quilombola-Gemeinde Turé III. Um diese Territorien zu erreichen, muss man weite Teile der Palmenplantagen durchqueren: "Es wird der Welt saubere Energie gepredigt, aber es ist eine Lüge. Sie müssen nur in unsere Gebiete kommen, um zu sehen, in welcher Realität wir leben. Mit dem Wasser, das wir haben, können wir nicht mehr baden, trinken oder kochen, ganz zu schweigen von den Fliegen, dem Glyphosat und den Wespen, die alle unsere Produkte fressen", sagt Jota Quilombola-Territoriums von Amarqualta gegenüber Amazônia Real.

Laut dem Medienbericht bei Amazônia Real spitzte sich die Protestaktion zwischenzeitlich erheblich zu. Das Sekretariat für öffentliche Sicherheit und soziale Verteidigung von Pará (Segup) berichtete, dass die Militärpolizei Truppen des Kommandos für Sondereinsätze der Hauptstadt in die Region Acará entsandt hat, zusätzlich zu Truppen aus Tomé-Açu und Abaetetuba, um die Situation unter Kontrolle zu bekommen. Amazônia Real berichtet auch davon, dass Aktivist:innen der Firma BBF vorwarfen, bewaffnete Milizionäre angeheuert zu haben, um für die Sicherheit des Hauptquartiers zu sorgen und die protestierenden Gemeinden unter Druck zu setzen. Das Staatsministerium hat eine Untersuchung über die Einstellung bewaffneter Milizen durch das Unternehmen eingeleitet. Diese Informationen wurden Amazônia Real gegenüber vom Rechtsanwalt Jorde Tembé bestätigt, der sagte, bei den "vermummten Männern" handele es sich um Mitarbeiter der BBF Security. Nach Angaben des indigenen Anwalts, der die Vereinigung der Familien der Turé Mariquita IT vertritt, wurde eine indigene Frau von Sicherheitskräften der BBF bedroht, ihr sei angedroht worden, sie "anzuzünden".

Der zuständige Staatsanwalt der Stadt Acará, Emério Mendes Costa, erklärte in einem Interview mit Amazônia Real: "Der kollektive Konflikt um das Landeigentum wurde aufgrund des Verdachts auf Betrug bei der Eintragung von Dokumenten in Bezug auf das [von dem Unternehmen besetzte] Gebiet sowie aufgrund von Unregelmäßigkeiten bei der Erteilung von Umweltgenehmigungen für die Monokultur von Ölpalmen ausgelöst, die zu Umweltverschmutzungen führt, die vor allem die Wasserressourcen betreffen". Nach Ansicht des von Amazônia Real befragten Staatsanwalts sei eines der größten Probleme, welches direkt zum Ausbruch von Konflikten in der Region beitrage, die schleppende endgültige Titulierung zur kollektiven Landnutzung, auf denen sich die traditionellen Gemeinschaften befinden. "Aus den Informationen, die wir bei öffentlichen Anhörungen, Dokumentenanfragen und Anhörungen erhalten haben, geht hervor, dass ein großer Teil dieser Gebiete, vielleicht sogar die Mehrheit, [der Bundesumweltbehörde] Incra und [der für die Legalisierung von Landtiteln in Pará zuständigen Behörde] Iterpa gehört, und dass die Verzögerung bei der gesetzlich vorgesehenen kollektiven Eigentumsübertragung für diese Gebiete zur Verschärfung der Konflikte beiträgt", sagt er. Hinzu komme, so Rechtsanwalt Jorde Tembé, dass weder Biopalma noch BBF die Studie über die Quilombola-Komponente und die indigene Komponente durchgeführt hätten, so wie es laut ILO-Konvention 169 eigentlich vorgeschrieben ist, um in einem Gebiet überhaupt aktiv zu werden. Die Konvention 169 sieht die vorherige, freie und informierte Konsultation der traditionellen indigenen und Quilombola-Gemeinschaften vor und garantiert ihnen das Recht, ihre Meinung zu Unternehmen zu äußern und an Diskussionen teilzunehmen. Juristisch umstritten ist in Brasilien (wie in vielen anderen Ländern auch) noch immer, ob das Recht auf freie, vorherige und informierte Befragung auch ein Vetorecht der Betroffenen impliziert oder nicht.

"Wir wollen die BBF nicht in unserer Nähe haben, wir wollen, dass sie aufhört, uns anzugreifen", betonte Paratê Tembé, der indigene Anführer des Dorfes Turé Mariquita. Die Firma BBF teilte Amazônia Real hingegen mit, dass sie "im Besitz aller Dokumente der Gebiete und aller gesetzlichen Genehmigungen ist. Der Rest sind Fake News, die dem Unternehmen schaden sollen".

// Christian Russau