Brasiliens Bundesjustiz: Entscheidung über Umweltlizenzen des Bergbauunternehmens Belo Sun am Xingu-Fluss sind Bundesaufgabe, keine Landesangelegenheit

Kanadisches Bergbauunternehmen Belo Sun, das am Xingu-Fluss in der Nähe des Wasserkraftwerks Belo Monte Brasiliens größtes Goldbergbauprojekt im Offenen Tagebau starten will, erleidet schweren Rückschlag durch Entscheidung des Bundesjustizhofes TRF1, dass nicht die Umweltbehörden des Bundesstaates Pará, sondern die Bundesumweltbehörde IBAMA ausschließlich zuständig ist für Begutachtung und Bewertung der Umweltfolgenanalysen und der darauf aufbauenden Umweltgenehmigungen.
| von Christian.russau@fdcl.org
Brasiliens Bundesjustiz: Entscheidung über Umweltlizenzen des Bergbauunternehmens Belo Sun am Xingu-Fluss sind Bundesaufgabe, keine Landesangelegenheit
Blick auf die Volta Grande do Xingu (2016). Foto: Christian Russau

Seit gut zehn Jahren - kurz nachdem bekannt wurde, dass Brasília hinter der Großen Flusschleife Volta Grande do Xingu das laut damaligen Plänen drittgrößte Wasserkraftwerk der Erde errichten würde - Belo Monte - gibt es einen weiteren sehr heftigen Streit um die mehr und mehr in Bedrohung geratende Volta Grando do Xingu: Dabei geht es um die kanadische Firma Belo Sun, die in wenigen Dutzend Kilometer Entfernung vom Staudamm Belo Monte Brasiliens größtes Goldbergbauprojekt im Offenen Tagebau errichten will. Umweltschützer:innen, Indigene, Flussanwohnende Riberirinhos ebenso wie Kleinbäuer:innen vor Ort fürchten um das Flusswasser, das verschmutzt werden könnte, um ihre angestammten Landrechte, um die friedliche Entwicklung vor Ort, die durch diese rücksichtlosen Großprojekte gefährlich bedroht ist. KoBra hat bereits wiederholt über den Fal Belo Sun berichtet (hier, hier, hier). Der Konzern Belo Sun Mining mit Sitz in Toronto erhofft sich mit dem Projekt am Xingu-Fluss in direkter Nachbarschaft des Staudamms Belo Monte den Abbau von bis zu 4,1 Millionen Unzen über einen Zeitraum von zwölf Jahren. Damit wäre dies die größte Goldmine Brasiliens.

So gab es bereits in der Vergangenheit mehrere Gerichtsentscheide, die das Umweltgenehmigungsverfahren stoppten, weil die Auswirkungen des Belo Sun-Projekts auf die dort befindlichen Indigenen Territorien und Gebiete nicht angemessen untersucht wurde. Zudem gab es Zuständigkeitsunsicherheiten, die Bundesstaatsanwaltschaft argumentierte, die Bundesebene - qua Bundesumweltbehörde Ibama - sei zuständig, die Behörden des Bundesstaates Pará argumentierten, ihre Landesumweltbehörde sei zuständig. Diese Frage zumindest hat nun der Bundesjustizhof TRF1 zweitinstanzlich und damit abschliessend entschieden: Der TRF1 folgte der Ansicht der Bundesstaatsanwaltschaft und hebt dabei vor allem die Auswirkungen auf die indigene Bevölkerung als entscheidendes Kriterium für die Erteilung neuer Lizenzen hervor und erklärt eine ausschließliche Zuständkeit der Bundesebene für den Fall.

Das Umweltgenehmigungsverfahren obliegt demnach für das gesamte Bergbauprojekt von Belo Sun am Xingu-Fluss im Südosten von Pará auf der Bundesebene und zwar durch die Bundesumweltbehörde Ibama und obliegt eben nicht dem Landessekretariat für Umwelt und Nachhaltigkeit Semas des Bundesstaates Pará. Die einstimmige Entscheidung des 6. Ausschusses der TRF1 bestätigt somit das erstinstanzliche Urteil von 2018, in dem das Bundesgericht in Altamira einem Antrag der Bundesstaatsanwaltschaft MPF stattgegeben und die staatlichen Umweltlizenzen für das Bergbauunternehmen bis zur Klärung der Zuständigkeitsfrage ausgesetzt hatte.

Die Bundesstaatsanwaltschaft führte drei Gründe an: die Auswirkungen auf indigenes Land, die Umweltauswirkungen auf den Xingu-Fluss und die Überschneidung zwischen den Auswirkungen des Projekts und denen des Baus des Wasserkraftwerks Belo Monte ebenfalls in Nachbarschaft der Volta Grande do Xingu. Jeder dieser Gründe alleine, so argumentierte das MPF, rechtfertigte die alleinige Zuständigkeit des Bundes für die Erteilung der Genehmigung, da es sich bei ihnen um Gebiete handele, deren Schutz- und Erhaltungsstatus sich der Bund verschrieben habe.

In seiner Berufung hingegen argumentierte das kanadische Bergbauunternehmen Belo Sun für eine staatliche Genehmigung durch die Landesbehörden von Pará mit dem Argument, dass das Projekt außerhalb der indigenen Gebiete liege. Das MPF hielt argumentativ dagegen und betonte, dass es nicht ausreiche, nur den lokalen Standort des Projekts zu berücksichtigen, sondern dass es auch die von dem Projekt darüber hinaus verursachten Auswirkungen gehe. "Es wurde [bereits wiederholt, Anm.A.] festgestellt, dass die Genehmigung auf Bundesebene erteilt werden muss, wenn die Arbeiten nicht auf indigenem Land stattfinden, sondern dieses beeinträchtigen", so die regionalen Staatsanwält:innen Ana Padilha de Oliveira und Felício Pontes Júnior. Für das MPF birgt das Projekt Belo Sun die Gefahr eines "umfassenden sozio-ökologischen Zusammenbruchs in der Region Volta Grande do Xingu", so das MPF. Das Projekt umfasst Mülldeponien und Abraumhalden sowie erhebliche Veränderungen des Flusslaufs, dessen Strömung bereits durch das Kraftwerk Belo Monte stark beeinträchtigt worden ist. Zusätzlich zu diesen Veränderungen können die beim Goldabbau anfallenden Abraumhalden das Wasser des Flusses verseuchen, was zu einem Fischsterben und möglicherweise sogar zum Aussterben von Arten führen kann, was sich auf das Ökosystem und die Lebensgrundlage derjenigen auswirkt, die von ihm abhängen.

Das Gericht folgte diesen Argumenten und so muss nun die Bundesumweltbehörde IBAMA über den Fortgang des Projekts entscheiden. Die Widerstandsgruppen vor Ort wie das Movimento Xingu Vivo para Sempre setzen ihren Kampf gegen dieses weitere industrielle Großprojekt an der Volta Grande do Xingu fort.

Auch auf internationaler Ebene setzt die organisierte Zivilgesellschaft ihren Kampf gegen das Belo Sun-Goldminenprojekt fort. Vom 24. August bis zum 1. September hielt sich eine Delegation von elf lateinamerikanischen Aktivist:innen und sozialen Führungspersönlichkeiten aus Gemeinden, die von kanadischen Unternehmen in ganz Lateinamerika bedroht oder betroffen sind, in Genf bei der UNO auf, um die in ganz Lateinamerika begangenen Menschenrechtsverletzungen anzuprangern und Kanada für die Verbrechen und Rechtsverletzungen mitverantwortlich zu machen. Darunter befanden sich u.a. Vertreter:innen der Widerstandsbewegung Xingu Vivo, die den Fall Belo Sun vortrugen. Die von der Zivilgesellscaft erhobenen Anklagen erfolgten im Rahmen der so genannten Universellen Periodischen Überprüfung (UPR) Kanadas, einem Prozess, bei dem die UN-Mitgliedstaaten die Politik und die Praktiken des jeweils untersuchten Landes zum Schutz und zur Achtung der Menschenrechte bewerten. Jedes Land wird alle vier Jahre einem solchen Prozess im Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen unterzogen, normalerweise wird dort die jeweilige Menschenrechtspolitik des Staates von den anderen Mitgliedstaaten unter die Lupe genommen, ggf. kritisiert und Verbesserungsvorschläge gegeben, zu denen das untersuchte Land im Rat sich dann äußern muss. Zivilgesellschaftliche Vertreter:innen haben in diesem Gremieum nur begrenzten Zutritt, aber es erfolgen oft im Vorfeld bereits Gespräche der jeweiligen Zivilgesellschaft mit den zuständigen Vertreter:innen der Drittstaaten im Menschenrechtsrat, um die zivilgesellschaftlichen Kritiken an die Gremienverteter:innen im Rahmen des UPR-Prozesses heranzutragen. Nicht selten gelingt es so zivilgesellschaftlichen Vertreter:innen, ihre Kritikpunkte an der Menschenrechtspolitik ihres Landes vermittelt über die Drittstaatenempfehlungen in den UPR-Prozess einzubringen. Zudem finden Überprüfungen im Rahmen des UPR-Prozesses über die Umsetzungen der Empfehlungen statt. Im Falle der jetzigen UPR-Untersuchung Kanadas war die Intervention der brasilianischen Aktivist:innen insofern ein weitere wichtiges Moment, um auf die auch extra-territorialen Staatenpflichten - wie im Falle des kanadischen Unternehmens Belo Sun in der Volta Grande do Xingu - hinzuweisen und die Menschenrechtsverletzungen und -verstöße auch auf internationaler Ebene anzuprangern.

// Christian Russau