10 Jahre ohne Dorothy

10 Jahre nach der Ermordung der Ordensschwester Dorothy Stang ist der Fall nach wie vor von Straflosigkeit geprägt.
| von Christian Russau
10 Jahre ohne Dorothy
Dorothy Stang. Photoquelle: "Amazonien. Stadt, Land, Fluss." Hrsg. vom FDCL, ASW und FAOR: http://www.fdcl.org/publication/2009-02-01-amazonien-stadt-land-fluss/

Am 12. Februar 2005 wurde die Ordensschwester Dorothy Stang mit sechs Schüssen auf einem Waldweg bei Anapu, im Bundesstaat Pará, erschossen.
Über 30 Jahre hatte die in den USA geborene Dorothy in Brasilien gelebt und sich im Amazonasgebiet aktiv für die Rechte der Landlosen und Kleinbäuerinnen und -bauern eingesetzt. Zuletzt arbeitete sie für die Landpastorale in der Region Anapu, im Südosten Parás. Dort entwickelte sie auch ein Projekt für nachhaltige Entwicklung, dass für etwa sechshundert Familien die Lebensbasis in Subsistenzwirtschaft darstellen sollte und das als beispielhaftes Vorbild für andere, ähnliche Vorhaben werden sollte.
Doch dieses Gebiet war zuvor von zwei Großgrundbesitzern, Vitalmiro Moura, genannt „Bida“, und Regivaldo Pereira Galvao, genannt „Taradão“, illegal angeeignet worden. Während der Staat Teile des Gebietes bereits wieder offiziell enteignet hatte und dem Projekt von Schwester Dorothy zugesprochen hatte, gaben die zwei Großgrundbesitzer nicht auf. Gegen Schwester Dorothy hatte es immer wieder Morddrohungen gegeben, da sie nicht nur den Großgrundbesitzern, sondern auch den illegalen Holzfällern in der Region ein Dorn im Auge war. Auf die Morddrohungen antwortete die 73-Jährige Schwester Dorothy stets: „Wer hätte schon den Mut, eine alte Dame wie mich umzubringen?“
Genau das planten die beiden Großgrundbesitzer „Bida“ und „Taradão“. Dazu heuerten sie über einen Mittelsmann einen Pistoleiro an, der mit Hilfe eines Komplizen die Tat ausführte. Alle fünf wurden zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt, jedoch sitzt derzeit nur der Schütze selbst in Haft.
Die Landpastorale CPT hat unlängst eine Übersicht erstellt, was mit den Tätern bisher geschehen ist:
Regivaldo Pereira Galvão, genannt "Taradão", war einer der zwei Auftraggeber”: Er wurde im Mai 2010 zu 30 Jahren Haft verurteilt, zu anfangs in geschlossener Haft. Inhaftiert blieb er jedoch nur ein Jahr und vier Monate während des Prozessbeginns. Heute lebt er in Altamira und wartet auf die Entscheidung des Obersten Justizgerichtshofs in Brasília über seinen Fall.
Vitalmiro Bastos de Moura, genannt "Bida", war der zweite Auftraggeber: Er wurde im September 2013 ebenfalls zu 30 Jahren verurteilt. Im Februar 2014 jedoch wurde seine Haftstrafe im vollen Verzug auf 125 Tage Gefängnisarbeit reduziert. Er lebt heute auch in Altamira und verbüßt dort seine Strafe im halboffenen Vollzug.
Amair Feijoli da Cunha, genannt “Tato”, fungierte als Mittelsmann bei der Tat: Er wurde zu 17 Jahren Haft in geschlossenem Vollzug verurteilt. Heute lebt er in Tailândia, im Bundesstaat Pará, im halboffenen Vollzug. Da er bei der Verhandlung die Kronzeugenregelung für sich nutzte, wurde seine ursprüngliche Strafe von 27 Jahren auf 17 reduziert. Vor Gericht gab er zu, von den Großgrundbesitzern Vitalmiro Bastos de Moura und Regivaldo Pereira Galvão 50.000 Reais für die Ermordung Schwester Dorothys erhalten zu haben. Das Geld sollte zwischen den Tätern aufgeteilt werden.
Rayfran das Neves, genannt "Fogoió", war der Schütze: Er wurde zu 27 Jahren Haft verurteilt. 2013 wurde er wegen guter Führung in Hausarrest verbracht. gegenwärtig jedoch sitzt er wieder in Haft, wegen eines anderen Mordes, den er im September 2014 verübt haben soll. Der Anklage zufolge soll er in Tomé-Açu, ebenfalls im Bundesstaat Pará, ein Ehepaar ermordet haben.
Clodoaldo Batista, genannt "Eduardo", war Komplize bei der Tat: Er wurde zu 17 Jahren Haft in halboffenem Vollzug verurteilt, meldete sich aber seit 2011 nicht mehr bei der zuständigen Justizstelle. Erst im Oktober 2014 stellte er sich den Justizbehörden erneut und befindet sich derzeit in halboffenem Vollzug in Belém.

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Weitere Informationen und Hintergründe über Dorothy Stang und vor allem über Amazonien finden sich in der noch immer aktuellen Hintergrundbroschüre "Amazonien. Stadt, Land, Fluss", die auf der Webseite des FDCL frei heruntergeladen werden kann.