Erlass 303: Rechte der Indigenen sollen weiter beschnitten werden

Der Erlass 303 der Generalbundesanwaltschaft[1] sieht vor, dem Staat den Bau von Militärbasen, Straßen oder Wasserkraftwerken auch auf ausgewiesenen Gebieten von Indigenen zu erlauben, ohne dass diese dazu vorher angehört oder befragt werden müssen. Die Notwendigkeit dazu könne durch die staatliche Souveränität ausreichend festgestellt werden.
| von Uta Grunert


Damit würden nach der Folha de São Paulo  vom 18. Juli 2012 die Verfassung sowie internationale Konventionen zum Schutz der indigenen Bevölkerung beschnitten. Bevor in indigenen Gebieten z.B. das Wasserkraftpotential energetisch genutzt werden darf, muss bislang der Kongress dem Projekt zustimmen, nachdem er die betroffenen Indigenen angehört hat.
Im Fall des Wasserkraftwerkbaus von Belo Monte gab es darum eine Reihe von gerichtlichen Auseinandersetzungen, weil Indigene und andere Betroffene vor Baubeginn nicht ausreichend angehört worden waren. Das Projekt wird mit großem Druck von politischer Seite vorangetrieben.
Mit dem Erlass wird auch das ausschließliche Nutzungsrecht natürlicher Ressourcen durch die Indigenen in ihnen zugesprochenen Gebieten eingeschränkt. Ertrag und Nutzen von Böden und Gewässern in demarkierten Gebieten unterstanden bislang vollständig den Indigenen. Wenn ein „relevantes nationales Interesse“ begründet werden kann, darf diese Regelung in Zukunft von staatlicher Seite ausgehebelt werden. Damit ist der weiteren Ausbeutung der Naturreserven und Bodenschätze auf indigenem Gebiet durch den Staat die Tür geöffnet.
Die zukünftigen Projekte des Wachstumsbeschleunigungsprogramms (PAC) der brasilianischen Regierung werden durch den Erlass von juristischer Seite befördert. Großprojekte können in Zukunft immer einfacher und schneller umgesetzt werden. Indigene und andere „Bremser der Entwicklung“ müssen nicht mehr einbezogen oder berücksichtigt werden. Ihnen nimmt man einen weiteren Baustein der rechtlichen Basis ihrer Selbstbestimmung.
Aber auch unter Waldschutz-Gesichtspunkten ist der Erlass ein Rückschritt. Nach Angaben von Greenpeace[2] sind durch die Demarkierung von indigenen Gebieten bis dato 106 Millionen Hektar Wald geschützt. Die Regierung arbeite beharrlich den Waldzerstörern in die Hände: Die Änderungen des Código Florestal zugunsten der Agrarlobby, die Demarkierung indigener Gebiete durch die Legislative (PEC 215) und die Änderung der Grenzen von acht föderalen Schutzgebietsflächen in Amazonien (MP 558) hätten die jeweils wirtschaftliche Ausbeutung der natürlichen Ressourcen zur Folge.
Die Antropologen Bela Feldman Bianco und João Pacheco de Oliveira haben für den Indigenenmissionsrat CIMI in einem Antwortschreiben[3] die Rücknahme des Erlasses gefordert, da er jeder Grundlage entbehre, zum Schutz der Indigenen beizutragen. Die Bemühungen zuständiger Behörden wie der FUNAI würden ausgebremst und die rechtliche Basis zum Schutz der indigenen Minderheit verschlechtert.

[1]  http://www.in.gov.br/imprensa/visualiza/index.jsp?jornal=1&pagina=1&data=17/07/2012
[2]  http://www.greenpeace.org/brasil/pt/Blog/porteira-aberta-s-terras-indgenas/blog/41440/
[3]  http://www.cimi.org.br/site/pt-br/?system=news&conteudo_id=6383&action=read