Agrarökologie, Widerstand und Kollektivität

Der Kampf um Land und Territorium - Erfahrungen der Landlosenbewegung MST, Brasilien
  • Wann 10.10.2023 von 18:30 bis 20:00 (Europe/Berlin / UTC200)
  • Wo Spore Haus, Hermannstraße 86, 12051 Berlin-Neukölln (U8 – U-Bahnhof Leinestraße) / Ringbahn – S-Bahnhof Hermannstraße)
  • Web Externe Webseite besuchen
  • Termin zum Kalender hinzufügen iCal

Diskussions- und Informationsveranstaltung mit
Felipe Campelo, Landlosenbewegung MST | Brasilien

Veranstaltungssprache: portugiesisch mit Übersetzung (deutsch)

Nach Pandemie, Wirtschafts-, und politischer Krise sind die Herausforderungen für Brasilien weiterhin gewaltig. Obwohl ausreichend Nahrungsmittel produziert werden (Brasilien ist der 3.größte Exporteur von Commodities weltweit), ist das Land seit 2018 wieder auf der Hungerkarte des UN-Welternährungsprogramms zu finden. Eine Agrarreform kommt seit Jahrzehnten nicht voran, weil die mächtige Agrarindustrie sich dagegenstemmt und auch unter der neuen Regierung unter Lula da Silva sind die Fragen einer sozial gerechten Verteilung von Land weiterhin ungeklärt.

Dabei gibt es zahlreiche zukunftsorientierte Beispiele für sozialökologische Transformation, deren Fokus neben kollektiven Organisationsformen für Ernährungssouveränität auch auf der Notwendigkeit der Überwindung einer anthropozentrischen Logik, Klimagerechtigkeit und dekolonialen Praktiken liegen.
Zu ihnen zählt u.a. auch die bereits seit 40 Jahren aktive Bewegung der Landarbeiter:innen ohne Land (Movimento dos Trabalhadores sem Terra – MST). In durch kollektive Erfahrungsprozesse geprägte Projekte mit einem Fokus auf Agrarökologie und verstärkt auch nachhaltige Agrarforstwirtschaft will die Bewegung der Abholzung und der Ausbeutung von Mensch und Land durch die Agrarindustrie und der verheerenden politischen Untätigkeit der letzten Jahren entgegenwirken. Zudem verfügt die Bewegung über eine aktive Rolle in der zivilgesellschaftlichen Organisation und setzt durch unterschiedliche emanzipatorische Ansätze des Empowerments in den Bereichen Bildung, Kultur, Feminismus, LGBTQI+ etc. wichtige Impulse, die inzwischen auch in vielen Teilen der Bevölkerung auf Widerhall, in anderen aber weiterhin auf Widerspruch stößt.

Durch zahlreiche Aktionen wie der Verteilung von Lebensmittel aus den Agrarsiedlungen an marginalisierte Gruppen, der Entwicklung neuer Produktionswege und einer landesweiten Kampagne zur Wiederaufforstung gelang es ihr nicht nur zu aktuellen Auseinandersetzung strategische Antworten zu liefern, sondern auch den Dialog mit der Zivilgesellschaft zu stärken. Rund eine halbe Million Familien haben durch die Organisation in den vergangenen Jahrzehnten Boden erhalten. In mehr als 2000 Agrargemeinschaften und Kooperativen bauen MST-Mitglieder vorrangig Bio-Lebensmittel an. Dabei geht es der seit 1984 aktiven Bewegung nicht nur ums Land, sondern auch darum, politisches Bewusstsein zu schaffen.

Über die Erfahrung der Bewegung, Perspektiven für einen agrarökologischen und sozialen Wandel sowie die aktuelle politische Konjunktur sprechen wir mit Felipe Campelo, Koordinator des Bildungszentrums für Agrarökologie und Agrarforstwirtschaft ›Egídio Brunetto‹ aus dem von vielen Landkonflikten geprägten Bundesstaat Bahia/Brasilien.

Über FELIPE CAMPELO, MST
lebt in der Agrarreform- Vorsiedlung ›Bela Manhã‹ in Teixeira de Freitas.
Er ist Agrarwissenschaftler mit einem Abschluss in ländlicher Soziologie und promoviert über die Analyse produktiver Agrar-Siedlungen im Süden des Bundesstaats Bahia.
Derzeit arbeitet er als politischer und pädagogischer Koordinator des Bildungszentrums für Agrarökologie und Agrarforstwirtschaft ›Egídio Brunetto‹ im äußersten Süden Bahias.

Bildungszentrum Escola Popular Egídio Brunetto
wurde 2013 inmitten einer Konfliktzone um Territorien zwischen einem transnationalen Zelluloseunternehmen und der Bewegung der Landlosen im Süden des Bundesstaats Bahia gegründet. Die Schule sieht sich nicht nur als ein Raum des Widerstands gegen das von der Agrarindustrie dominante Modell, sondern auch als Alternative für den Aufbau von Wissen zugunsten der Natur. Agrarökologie und Agrarforstwirtschaft sind dabei die Grundpfeiler des Bildungszentrums sowie umliegender Siedlungen, wodurch auch zur Wiederherstellung des atlantischen Waldes, der lokalen Artenvielfalt und der Stärkung agrarökologischer Produktionswege in der Region beigetragen wird.

Veranstaltet von:
treemedia und maiz brasil in Kooperation mit Spore Initiative, FDCL und Freund*innen der MST
Im Rahmen der Speakers Tour: maiz brasil – Dekoloniale Stimmen und Praktiken für Ernährungssouveränität und Klimagerechtigkeit (treemedia e.V. 2023) sowie der Europäischen Aktionstage Good Food Good Farming