"Weltuntergangsauktion" in Brasilien: Förderlizenzen im Amazonas versteigert

Trotz Kritik von Umweltbehörden, Indigenen und NGOs ersteigern internationale Konzerne Öl- und Gaslizenzen. Versteigerung spaltet Regierung und stellt Brasiliens Klimaversprechen infrage
| von Nina Glatzer
"Weltuntergangsauktion" in Brasilien: Förderlizenzen im Amazonas versteigert
Foto: Leticia Santiago de Moraes, Bedrohter Amazonas

Brasília. Die brasilianische Regierung hat in einem umstrittenen Bieterverfahren insgesamt 34 von 172 ausgeschriebenen Öl- und Gasförderblöcken versteigert. Besonderes Interesse galt den Lizenzen für die Förderblöcke in der Amazonas-Mündung "Foz do Amazonas", einem Gebiet, das von Umweltbehörden, Staatsanwaltschaften und indigenen Organisationen als ökologisch hochgefährdet eingestuft wird. Unter den versteigerten Blöcken befand sich auch der Block FZA-M-59, dessen Ausschreibung in der Vergangenheit für viel Kontroverse und mediale Aufmerksamkeit gesorgt hat. Der Gesamtwert der Auktion belief sich laut der brasilianischen Öl- und Gasagentur ANP auf rund 180 Millionen US-Dollar.

19 der 47 angebotenen Blöcke im Foz do Amazonas im Gesamtwert von ca. 154 Millionen US-Dollar wurden von Konsortien unter Beteiligung der Konzerne Petrobras, Chevron, Exxon Mobil und CNPC erworben. Auch drei brasilianische Tochtergesellschaften von europäischen Energiekonzernen (Shell Brasil, Equinor Brasil Energia und Petrogal Brasil S.A.) bekamen bei der Auktion mehrere Zuschläge. Petrogal Brasil, ein Tochterunternehmen des portugiesischen Ölkonzerns Galp, ersteigerte über ein Konsortium mit Petrobras Lizenzen für drei Blöcke im Pelotas-Becken vor der Südküste Brasiliens. Das Gebiet gilt unter Umweltorganisationen wie Arayara und Greenpeace Brasilien als ökologisch sensibel, da es potenzielle Lebensräume bedrohter Arten umfasst und noch unzureichend ozeanografisch untersucht ist.

Die Versteigerung der Öl- und Gasförderrechte durch die brasilianische Regierung verlief deutlich hinter den Erwartungen: Von ursprünglich 332 ausgeschriebenen Förderblöcken kamen nur 172 überhaupt zur Auktion und letztlich wurden lediglich 34 davon vergeben. Die ANP bewertete das Ergebnis dennoch als "äußerst positiv".

Im Vorfeld und während der Auktion kam es zu erheblichen Protesten von brasilianischen und internationalen Umweltschutzorganisationen. Das von Umweltschützer:innen als "Weltuntergangsauktion" bezeichnete Verfahren gilt als richtungsweisend, da es den Widerspruch zwischen der geplanten fossilen Expansion und den nationalen Klima- und Biodiversitätszielen Brasiliens dramatisch sichtbar macht. Die geplante Öl- und Gasförderung birgt erhebliche Risiken für das Klima, die biologische Vielfalt und die dort lebenden indigenen Gemeinschaften. Die Mündung des Amazonas ist Heimat unzähliger bedrohter Arten, beherbergt bedeutende Mangrovenökosysteme und dient als Kinderstube für Meereslebewesen.

Auch innerhalb der brasilianischen Regierung ist die Auktion hoch umstritten und führte teils zu offenen politischen Auseinandersetzungen innerhalb des Kabinetts. Umweltministerin Marina Silva wurde vorgeworfen, sich gegen die Exploration der Öl- und Gasvorkommen in der Amazonas-Mündung zu stellen, weswegen sie harsche Kritik im Senat einstecken musste. Ihr Ministerium sowie die Umweltbehörde IBAMA hatten sich entschieden gegen die Freigabe des besonders sensiblen Blocks FZA-M-59 ausgesprochen – unter anderem wegen fehlender ozeanografischer Studien, unzureichender Einbindung lokaler Gemeinschaften und erheblicher Risiken für das Ökosystem. Die brasilianische Umweltbehörde IBAMA hatte bereits 2023 die Vergabe einer Förderlizenz für den Block verweigert. Auf Druck des Präsidenten Luis Ignácio Lula da Silva wurde die Versteigerung des Förderblocks per Notfallfreigabe mit der Begründung ermöglicht, dass die Öleinnahmen notwendig seien, um Sozialprogramme und die Energiewende des Landes zu finanzieren.

Die Genehmigung für Explorationsaktivitäten im Block FZA-M-59 wurde von Medien und der Zivilgesellschaft intensiv begleitet, nicht zuletzt, weil Fachleute darin einen möglichen Türöffner für die umfassende Erschließung der gesamten Amazonas-Küste sehen.

Die gestrige Auktion ist Bestandteil des Regierungsprogramms Potencializa E&P, das Brasilien zum viertgrößten Ölproduzenten weltweit machen soll. Das Programm strebt bis 2029 eine Steigerung der Fördermenge um rund 80 Prozent gegenüber 2021 an. Allein Petrobras plant bis 2029 Investitionen in Höhe von umgerechnet 97 Milliarden US-Dollar in die Öl- und Gasförderung, das Sechsfache dessen, was für Dekarbonisierung und Diversifizierung vorgesehen ist. Der Internationale Währungsfonds beschreibt dieses Vorgehen in seinem World Economic Outlook von April 2024 als Teil einer weltweiten Tendenz, Rohstoffe und insbesondere Öl und Edelmetalle als Rückversicherung gegen globale Lieferengpässe und geopolitische Schocks zu sehen.

Die Auktion könnte auch diplomatische Folgen haben. Brasilien wird in diesem Jahr die Weltklimakonferenz (COP30) im Amazonas-Bundesstaat Pará ausrichten – ausgerechnet in Belém, einer Stadt unweit der jetzt betroffenen Förderregion. Zahlreiche Nichtregierungsorganisationen, darunter Arayara, COIAB und 350.org, haben angekündigt, juristisch gegen die Auktion und insbesondere gegen die Vergabe von FZA-M-59 vorzugehen.

Der Artikel wurde von der Autorin freigegeben und ist zuerst bei Amerika21 erschienen.