Stromproduktion in Brasilien - zwischen gestern und morgen

Wenn das aufstrebende Brasilien seine Fokussierung auf Wirtschaftswachstum beibehalten will muss die Stromproduktion ausgeweitet werden. Die Regierung setzt dafür auf eine Vielfalt der Energiequellen.
| von Fabian Kern

Mit rund 70 % der Stromerzeugung liefert die Wasserkraft in Brasilien noch immer den Löwenanteil der elektrischen Energie des Landes. Nicht zuletzt aufgrund der kritischen Informationsarbeit zu Großprojekten wie Belo Monte und Tapajós schauen sich die Entscheidungsträger*innen nach Alternativen um.

Alternative Energiequellen bedeutet in diesem Fall allerdings nicht immer erneuerbare Energien. Schon seit Jahrzehnten betreibt und baut Brasilien Atomkraftwerke auf halber Strecke zwischen São Paulo und Rio de Janeiro. Mit der dort erzeugten Energie wird unter anderem das Stahlwerk von Thyssen-Krupp betrieben aber eben auch Strom für die beiden großen Metropolen bereit gestellt.

Vor dem Hintergrund der Atomkatastrophe in Fukushima und der weltweit rückläufigen Atomindustrie verkündete der Chef der staatlichen Energieplanungsbehörde Mauricio Tolmasquim, im September 2013 den Verzicht auf weitere Atomkraftwerke und kündigte stattdessen Investitionen in die Windkraft an.

Mit einem jährlichen Onshore-Potenzial von rund 300 GW könnte Brasilien viermal so viel Strom durch Windkraft erzeugen wie es derzeit insgesamt produziert. Bei rund 8.000 Kilometer Küste könnten diese Windkraftanlagen auch breit gestreut werden und relativ dezentral Energie produzieren. Die ist auch notwendig, um negative Folgen wie im mexikanischen Istmo de Tehuantepec zu vermeiden.

Die Sonnenenergie fristet derzeit noch ein Schattendasein - könnte allerdings eine wichtige Rolle spielen bei der Elektrifizierung des dünn besiedelten Sertão im Nordosten des Landes.

Die Agroenergie spielt in Brasilien schon seit Jahrzehnten eine große Rolle. So wird ein beachtlicher Teil der brasilianischen Automobilflotte mit Ethanol betrieben und auch der der Anteil der Biomasse am Strom-Mix ist mit ca. 7,7% nicht zu verachten. Davon entfallen etwa 80% auf Zuckerrohrbagasse, sowie 13% auf Schwarzlauge, ein Nebenprodukt der Papier- und Zelluloseproduktion. Der Anteil von Holz an der verstromten Biomasse ist mit ca. 3% sehr gering. Die Rohstoffe für die Papier- und Zelluloseproduktion kommen unter anderem aus Eukalyptus Monokulturen die ganze Landstriche in Brasilien praktisch entvölkern weil in den Baum-Plantagen kaum noch Arbeitskräfte benötigt werden.

Leider wird die Frage nach der Energieversorgung in Brasilien wie auch in Deutschland immer vor dem Hintergrund einer steigenden Nachfrage debattiert. Energiesparpotentiale werden vernachlässigt und auch das grundsätzliche Hinterfragen des Wachstumsdiskurses bleiben auf der Strecke.