Repórter Brasil macht Vorschläge für neun Maßnahmen gegen den illegalen Goldbergbau in Brasilien

Wie könnte es gelingen, den illegalen Goldbergbau in Amazonien zu stoppen?
| von Christian.russau@fdcl.org
Repórter Brasil macht Vorschläge für neun Maßnahmen gegen den illegalen Goldbergbau in Brasilien
Amazoniens Schönheit: saubere Flüsse und gesunder Wald - oder doch alles schon quecksilberverseucht durch den illegalen Goldbergbau [Symbolbild]. Foto: christian russau

Nicht erst die schockierenden Berichte über den illegalen Goldbergbau im Yanomami-Gebiet in Brasiliens Norden haben das Land und die Weltöffentlichkeit aufgeschreckt. Auch von anderen, vor allem amazonischen Regionen wie dem Rio Tapajós wird seit Jahren das zunehmende Thema des (nicht nur) illegalen Goldbergbaus mit all seinen sozialen und ökologischen Konsequenzen für Indigene und die anderen traditionellen Völker, für die Flussanrainer und für die vom Fluss Lebenden debattiert und natürlich stieg diese Bedrohung einerseits durch steigende Weltmarktnachfrage und -preise, wurde aber auch durch die Politik des vormaligen Präsidenten Jair Bolsonaro maßgeblich befördert. Die neue Regierung Lula hat erste Maßnahmen ergriffen wie die Stärkung der Vorortkontrollen und -maßnahmen der Umweltbehörde Ibama und diese scheinen kleine Fortschritte dahingehend zu zeigen, dass es Medienberichte über aus dem Yanomami-Territorium abziehende Goldgräber:innen gibt. Doch die Herausforderungen sind nach wie vor sehr groß, es gibt Medienberichte zum einen darüber, dass sich Teile der illegalen Goldgräber:innen weigern, aus der Region abzuziehen, und es gibt Berichte darüber, dass es vor allem auch die Organisierte Kriminalität ist, die sich in den Territorien mit einer ganz eigenen Mischung aus wirtschaftlicher Kontrolle und Verbundenheit mit der illegalen Goldgräberei festgesetzt hat und sich nun weigert, aus dem Gebiet abzuziehen. Des Weiteren gibt es erste Mutmaßungen darüber, dass ein Großteil der nun aus dem Yanomami-Gebiet abziehenden Goldgräber:innen sich auf den Weg zum Tapajós machen könnte - keine freudvolle Aussicht für die Munduruku.
Die Investigativ-Journalist:innen von Repórter Brasil haben Ende Februar eine Liste mit neun Maßnahmen gegen den illegalen Goldbergbau in Brasilien veröffentlicht, die wir hier leicht gekürzt zusammenfassen.

1. Gesetzesänderung 12.844/2013
Eines der größten Probleme ist das Gesetz 12.844/2013, das die Legalität des gehandelten Goldes und die Gutgläubigkeit des Käufers auch ohne Nachweis der Herkunft des Metalls als gegeben annimmt. Die einzige Anforderung ist, dass die Herkunft des Goldes auf einer Papierrechnung angegeben werden muss. Untersuchungen haben jedoch bereits ergeben, dass Gold, das illegal auf indigenem Land gewonnen wurde, dergestalt deklariert wird, als ob es in einem regulären Bergbaubetrieb abgebaut worden wäre. In diesem Moment findet durch Betrug die so genannte "Goldwäsche" statt (also eine betrügerische Legalisierung des illegalen Metalls). In der Praxis macht es das Gesetz den Verkäufern und Käufern schwer, für ihre Straftaten überhaupt zur Verantwortung gezogen zu werden.

2. Einführung der elektronischen Rechnung und Rückverfolgbarkeit von Gold
Eine weitere dringende Maßnahme besteht darin, die Handelsgeschäfte mit Gold von der Gewinnung bis zur Endverbraucher:in zu digitalisieren und die Rückverfolgbarkeit der Kette zu gewährleisten. In der Praxis ginge es darum, modernste Technologien einzusetzen. Die erste Maßnahme in diesem Sinne wäre die Schaffung einer digitalisierten und dezentralisierten Datenbank, die von der Nationalen Bergbaubehörde ANM verwaltet wird, aber von verschiedenen Nutzer:innen abgerufen werden kann und so für Transparenz sorgt. Dieser Vorschlag wurde vom Institut Escolhas der damaligen Bundesabgeordneten Joenia Wapichana, heute Präsidentin der Indigenenbehörde FUNAI, unterbreitet, die die Anregungen in einen im vergangenen Jahr vorgelegten Gesetzentwurf aufnahm, den sie damals noch in ihrer Zeit als Abgeordnete einreichte.

Die Idee dahinter ist, dass diese Datenbank jeden Schritt auf dem Weg des Goldes in einer ununterbrechbaren Informationskette aufzeichnet, d.h. die Informationen können nicht manipuliert werden und die Datensätze sind miteinander verbunden, basierend auf "Blockchain"-Technologie. In diese Kette können alle Arten von Informationen eingegeben werden, wie z. B. Genehmigungen zum Schürfen oder zum Abbau eines Gebietes, Umweltgenehmigungen, Abbaukapazitäten, jährliche Produktionsberichte, Aufzeichnungen über die beteiligten Personen und vieles mehr.

Der Sektor müsste auch Dokumente einführen, die heute nicht verwendet werden, wie die elektronische Rechnung bei jeder kommerziellen Transaktion und die Goldtransportscheine, ähnlich wie beim Transport von Holz und Vieh. Es ist auch möglich, das Golderz mit einer molekularen Markierung  zu versehen, um zu wissen, wo es abgebaut wird. Dieser Code bleibt erhalten, auch wenn das Erz eingeschmolzen oder raffiniert wird.

3. Beauftragung der Zentralbank und des CVM mit der Überwachung der Erstaufkäufer:innen
Die Rückverfolgbarkeit von Gold wird in Zukunft wirksam zur Aufdeckung illegaler Transaktionen beitragen. Was die in den letzten Jahren begangenen Unregelmäßigkeiten und den Schmuggel anbelangt, fordert Sérgio Leitão vom Institut Escolhas, dass die brasilianische Wertpapier- und Börsenaufsichtsbehörde CVM und die Zentralbank tätig werden. Diese beiden Institutionen sind für die Aufsicht über die DTVMs (Distribuidoras de Títulos e Valores Mobiliários) zuständig, Unternehmen des Finanzsystems, die den ersten Erwerb des Metalls aus dem brasilianischen Bergbau vornehmen dürfen. Ein Vorschlag des Gesetzentwurfs von Joenia Wapichana zur Vermeidung von Konflikten zwischen der Zentralbank und dem CVM bestand darin, die Zentralbank zu verpflichten, einen jährlichen Bericht über die Aufsicht über diese zum Goldhandel zugelassenen Händler:innen zu erstellen.

4. Die Endkäufer:innen in die Kontrolle der Produktionskette einbeziehen
Nachdem Repórter Brasil aufgedeckt hatte, dass Gold, das illegal aus dem Land der Yanomami, Kayapó und Munduruku gewonnen wurde, in den Produkten der vier wertvollsten Unternehmen der Welt (Apple, Amazon, Google und Microsoft) enthalten ist, begann die US-amerikanische NGO Amazon Watch, diese Unternehmen zu befragen und von den Endkäufern einen Nachweis über den Erwerb des legalisierten Metalls zu verlangen. "Wäre es nicht an der Zeit, die Beweislast umzukehren? Können all diese riesigen Unternehmen nachweisen, dass sie nicht in potenziell illegale Goldströme in Brasilien verwickelt sind?", so die Organisation damals. Für Amazon Watch sollten diese Unternehmen, wenn sie nicht nachweisen können, dass sie frei von Gold mit indigenem Blut sind, "die Verbindungen zu allen Goldraffinerien kappen, die die Herkunft des Goldes nicht nachweisen können".

Apple hat seinerzeit einen seiner verdächtigen Zulieferer suspendiert - der nach der Veröffentlichung der Beschwerde durch Repórter Brasil sein Qualitätssiegel verlor und von der Lieferliste für globale Marken gestrichen wurde.

Ein weiterer Versuch, die Produktionskette über die Endabnehmer zu kontrollieren, wird vom Bergbauinstitut Ibram vorgeschlagen, einer Organisation, die im Namen großer Bergbauunternehmen wie Vale, AngloAmerican und BHP Lobbyarbeit betreibt. Die Organisation steht im Dialog mit der Schmuckindustrie, damit diese nur Gold kauft, das von großen Bergbauunternehmen produziert wurde, die nach Angaben des Instituts geprüfte Prozesse durchlaufen. Außerdem hat die Einrichtung den Dialog mit ausländischen Käufern aufgenommen.

5. Stärkung der Nationalen Bergbaubehörde ANM
Die Nationale Bergbaubehörde ANM ist eine der wichtigsten Stellen, wenn es um den legalen oder nicht legalen Bergbau geht. Sie ist zuständig für die Genehmigung der so genannten Permissões de Lavras Garimpeiras (PLGs), also der Schürflizenzen legalisierter Minen. Das Problem ist, dass die PLGs dazu benutzt wurden, illegales Gold zu legalisieren, und zwar auf der Grundlage der oben erwähnten gefälschten Rechnungen. Eine von der Bundesuni UFMG auf der Grundlage von Satellitenbildern durchgeführte Studie ergab, dass es sich bei einigen dieser in den Rechnungen deklarierten Minen um "Geisterminen" handelte, d. h. um Minen ohne jegliche wirtschaftliche Aktivität.

Eine Quelle, die Repórter Brasil angehört hat, sagt, dass der erste Schritt darin besteht, den Apparat des Organs auszutauschen durch Personen, die eine sozio-ökologische Vision haben. Die zweite Maßnahme ist die Forderung, dass die ANM beginnt, die Produktion der Schürflizenzen zu kontrollieren: Sie sind verpflichtet, jährlich Produktionsberichte zu übermitteln. Diese Berichte sind jedoch selbsterklärend und werden von der Behörde nicht ausgewertet. Es gibt Fälle, in denen kleine Minen behaupten, mehr zu produzieren als die größte Mine der Welt - ein Hinweis darauf, dass sie dazu benutzt werden, illegales Gold zu legalisieren.

6. Gesetzliches Verbot des Einsatzes schwerer Maschinen in Garimpos und Kontrolle ihres Verkaufs
Der Einsatz schwerer Maschinen in den Garimpo-Gebieten ist in den letzten Jahren populär geworden, da sie die Krater schnell öffnen und die Arbeit der Garimpeiros erleichtern, wodurch sich die Gewinnchancen vervielfachen. Einige dieser Geräte, wie Baggerlader, Hydraulikbagger und andere können mehr als 1 Million Reais kosten und stehen im Widerspruch zu der Vorstellung, dass Bergbau eine "handwerkliche" Tätigkeit kleiner Akteuer:innen sein sollte.

Eine Möglichkeit bestünde darin, von den Unternehmen, die diese Maschinen herstellen, zu verlangen, beim Verkauf strenger zu sein und die Aktivitäten des Käufers zu überprüfen - wenn er beispielsweise im Bergbau tätig ist, soll der kommerzielle Betrieb ausgesetzt werden. Eine Art endverbleibskontrolle, wie es beispielseise bei einigen Waffenarten der Fall ist.

Eine andere Lösung wäre die Einführung eines digitalen, GPS-gestützten Programms, das, sobald es in den Bordcomputer einer Maschine eingegeben wird, einen Alarm auslöst oder sogar den Motor des Fahrzeugs ausschaltet, wenn es sich einem geschützten Gebiet nähert. Da es im Speicher der Maschine gespeichert ist, kann der Fahrer es nicht abstellen.

Die Bundesstaatsanwaltschaft MPF schlägt die Einrichtung eines föderalen Registers vor, das den individuellen Einsatz von Bergbauausrüstungen akkreditiert und überwacht. Diese Maßnahme, die im Handbuch der Institution zur Bekämpfung des illegalen Bergbaus befürwortet wird, würde es ermöglichen, das Schadenspotenzial der Maschinen auf der Grundlage der Größe und Menge der für jeden Bergbaueinsatz vorgesehenen Geräte zu bewerten.

7. Einstufung als abscheuliches Verbrechen und Erhöhung des Strafmaßes
Gegenwärtig kann die illegale Gewinnung von Gold auf nicht genehmigtem Gebiet als zwei Straftaten eingestuft werden: Umweltschädigung und Aneignung des Erbes der Union, die zusätzlich zu einer Geldstrafe mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren geahndet werden. Die neue Präsidentin der FUNAI, Joenia Wapichana, verteidigt die Verschärfung der Strafen für Umweltverbrechen, zu denen auch der illegale Abbau von Gold durch Garimpos gehört. "Es handelt sich um ein abscheuliches Verbrechen, weil es nicht nur die Umwelt betrifft, sondern auch die Gesundheit, das Soziale, die Kultur und das Leben [der indigenen Völker]", sagte sie in einem Interview mit Repórter Brasil.

8. Schaffung sozialer Maßnahmen für ehemalige Bergleute
Danicley de Aguiar, Mitglied der Amazonas-Kampagne von Greenpeace Brasilien, ist sich darüber im Klaren, dass die Regierung mehr tun muss, als nur die Bergleute aus dem indigenen Land zu vertreiben - andernfalls werden die Bergleute, die jetzt das Yanomami-Territorium verlassen, in andere Schutzgebiete abwandern oder in ein paar Monaten zurückkehren. "Es ist notwendig, eine Sozialpolitik einzuführen, denn solange es die Möglichkeit des Bergbaus gibt, werden die verarmten Massen angezogen", sagt Aguiar. Für ihn ist der Bergbau die "Mega-Lotterie" der armen Bevölkerung im Amazonasgebiet. "Die Menschen wollen unbedingt aus der extremen Armut herauskommen und suchen nach einer Lösung, die der Staat nicht bieten kann."

9. Kontrolle des Lufttransports im Amazonasgebiet (Anac und FAB)
Die beste Möglichkeit, die Minen im Amazonasgebiet zu erreichen, ist der Kleinflugverkehr, aber die Kontrolle der Regierung über den Luftverkehr im Wald wird als unzureichend angesehen. Und mit dem Vormarsch des Garimpo unter der Regierung Bolsonaro hat sich das Problem noch verschärft. Daten der Nationalen Agentur für Erdöl, Erdgas und Biokraftstoffe (ANP), die über das Gesetz über den Zugang zu Informationen erlangt wurden, zeigen, dass die drei wichtigsten Bergbaustädte in der Region des Tapajós-Flusses im Bundesstaat Pará - Itaituba, Jacareacanga und Novo Progresso - im Jahr 2021 dreimal mehr Flugbenzin verbraucht haben als die Stadt São Paulo im gleichen Zeitraum. Es waren 2,3 Millionen Liter, genug für ein Bergbauflugzeug, um 220 Mal um die Welt zu fliegen.

Laut einer gemeinsamen Untersuchung von The Intercept Brasil, der New York Times und dem Pulitzer Center gibt es im legalen Amazonasgebiet mindestens 1.269 geheime Landebahnen. Ein Drittel von ihnen befindet sich in der Nähe von Goldminen. Diese Zahlen rechtfertigen die Dringlichkeit, dass die Regierung den Verkauf von Flugbenzin kontrolliert. Die ANP könnte von den Einzelhändlern Daten über die Flugzeuge, die das Produkt kaufen, verlangen. Auf diese Weise könnten die Kontrollbehörden erfahren, ob ein bestimmtes Flugzeug zu viel Treibstoff verbraucht, was einen Alarm auslösen würde, um den Betrieb zu überwachen. Ein weiterer Weg wäre die Stilllegung von unregelmäßig gebauten Start- und Landebahnen und die Verbesserung der Flugsicherung in der Region.

// Christian Russau