Agrotreibstoffe

Die Auswirkungen des Agrotreibstoffbooms
| von admin

Insgesamt werden inzwischen weltweit jährlich ca. 52 Mrd. Liter Agroethanol hergestellt, davon lag 2008 etwa ein Drittel der Weltproduktion bei Brasilien. Bei Agrodiesel sind es jährlich weltweit 11 Mrd. Liter. Nach Zahlen der Secretaria de Comercio Exterior (Secex) gehen knapp 30 % der Ethanol-Exporte Brasiliens in die EU. Dies sind etwa 70% der EU-Importe an Agroethanol. Das Umweltbundesamt schätzt, dass knapp 65% des nach Deutschland importierten Agroetha¬nols aus Brasilien stammen könnte.

Der Agrotreibstoffboom zeitigt in Brasilien bereits negative soziale und ökologische Folgewirkungen wie bspw. eine Zunahme von Vertreibungen und die Zerstörung des Cerrado durch neue Anbauflächen für Soja und Zuckerrohr, die von den sozialen Bewegungen innerhalb des Landes angeprangert werden. An diesen Wirkungen wird auch die Zertifizierung von Agrotreibstoffen nichts ändern, da sie die strukturellen Veränderungen, die sich aus dem Boom ergeben, nicht beeinflussen kann. Ursprünglich sollte das Biodieselprogramm insbesondere KleinbäuerInnen beim Anbau von Rizinus für die Verarbeitung zu Agrotreibstoff unterstützen. Doch inzwischen haben in Brasilien längst Soja (für Agrodiesel) und Zuckerrohr (für Agroethanol) den Markt erobert. Wenn zukünftig die sogenannte 2. Generation der Agrotreibstoffe produziert werden sollte, wird auch Eukalyptus für die Erzeugung von Agrokraftstoff interessant.

Zuckerrohr erobert immer weitere Gebiete

Nach Angaben der Landpastorale CPT und des Indianermissionsrats CIMI von Oktober 2008 ist die Anbaufläche für Zuckerrohr seit 2006/2007 von 4,5 Mio ha auf etwa 7 Mio ha angestiegen. Das Interdisziplinäre Institut für Energieplanung der Universität Campinas (NIPE) geht von einer Ausweitung der Zuckerrohrflächen bis 2025 auf 30 Mio ha aus. Besonders stark war die Expansion im Cerrado, vor allem in Minas Gerais. In Amazonien wird noch wenig Zuckerrohr angebaut, als hauptsächliches Zuckerrohrgebiet gilt hier Pará. Nach Schätzungen der Unica (União da Indústria da Cana-de-Açúcar) gingen 70% der Zuckerrohrernte 2008 in die Produktion von Ethanol als Treibstoff.

Im Zuckerrohranbau lohnt sich am ehesten der großflächige Anbau. Die Produktion ist wenig beschäftigungsintensiv, erfordert dafür aber umso mehr Kapital. 40 % der Zuckerrohrfelder werden derzeit noch abgebrannt – mit den entsprechenden Umweltproblemen. Flächenausdehnungen erfolgen häufig auf Kosten von KleinbäuerInnen, die entweder keine Landtitel haben oder zum Verkauf oder zur Verpachtung gedrängt werden, und damit ihre Einkommens- bzw. Subsistenzquelle verlieren. Etwa die Hälfte der jährlich befreiten SklavenarbeiterInnen sind jeweils dem Zuckerrohrsektor zuzurechnen.

Unter dem Druck der internationalen Kritik stellte die brasilianische Regierung im September 2009 ein Gesetzesprojekt zur Zonierung des Zuckerrohranbaus vor. Mit der Zonierung identifizierte sie 64,7 Millionen ha Land, das für die Expansion des Zuckerrohranbaus geeignet sei – das ist mehr als Brasiliens heutige Gesamtanbaufläche. Aufgrund der Kriterien wurden innerhalb der Zonierung tendenziell die besten Böden mit ausreichend Wasservorkommen für den Zuckerrohranbau empfohlen. Dabei wurde nicht berücksichtigt, ob diese ggf. auch für den Anbau von Nahrungsmitteln geeignet sind. Hauptsächliches Instrument zur Umsetzung des Planes ist die Kreditpolitik, die Anreize zur Produktion in den Gebieten schaffen soll, die im Plan als vorrangig angezeigt sind. Zwar enthält das Gesetz bspw. mit der Notwendigkeit, sich die Umwidmung von Flächen, auf denen heute noch Nahrungsmittel angebaut werden, genehmigen zu lassen, sehr progressive Elemente. Dies setzt aber klare Landeigentumsverhältnisse voraus, die in Brasilien so nicht existieren (Nahrungsmittelflächen von Menschen ohne Eigentumstitel sind statistisch auch keine Nahrungsmittelflächen). Eine wirksame Zonierung müßte zudem andere Monokulturen mit einbeziehen und bräuchte weitere, flankierende Maßnahmen. Unter den bestehenden Bedingungen steht eher zu befürchten, dass die Zonierung weitere Vertreibungen und damit auch eine Verschlechterung der Ernährungssicherung provoziert.

Ausweitung von Sojamonokulturen

Der Sojaanbau ist ebenfalls eine kapitalintensive Landwirtschaft, die nur im großflächigen Stil wirtschaftlich betrieben werden kann. Dementsprechend verdienen an ihr vor allem große agroindustrielle Betriebe, während die kleinbäuerliche Familienwirtschaft das Nachsehen hat. Eine Expansion der mit Soja belegten Agrarflächen verstärkt bestehende Konflikte um Land, Vertreibungen und illegale Landnahme. Der Anbau von Grundnahrungsmitteln hingegen geht zurück. 2008 waren in Brasilien 22 Mio ha Agrarfläche mit Soja belegt. Die Soja wird vor allem für den Export produziert, und landet in den Importländern meist als Viehfutter in den Trögen der Mastbetriebe. Nicht zuletzt aufgrund der Möglichkeit, Agrodiesel auf Basis von Soja herzustellen, und der wieder gestiegenen Sojapreise, ist mit erneuten Ausweitungen des Sojaanbaus zu rechnen.

Eukalyptusplantagen – Brasiliens grüne Wüste

Die Ausweitung von Eukalyptusplantagen in Brasilien stellt ein großes Problem für die Bevölkerung dar, denn die Plantagen sind sowohl aus ökologischen wie auch sozialen Gründen zweifelhaft. Die großen Flächen der schnellwachsenden Bäume senken das Grundwasser und trocknen zusammen mit den nahegelegenen Zellulosefabriken ganze Flüsse aus. Die riesigen Monokulturen beeinträchtigen die biologische Vielfalt der Region und schädigen durch die ätherischen Öle der Blätter langfristig den Boden. Pestizide gelangen ins Wasser und in die Nahrungskette, an deren Ende der Mensch steht. Bereits seit einigen Jahren wirft das Netzwerk gegen die Grüne Wüste (Rede Alerta contra o Deserto Verde) den beteiligten Unternehmen wie bspw. Aracruz Celulose oder Vallourec Mannesmann die verheerenden sozialen und ökologischen Wirkungen ihrer Plantagen vor. Auch Landrechtskonflikte sind mit der Ausweitung der Eukalyptusplantagen verbunden. Das bekanntestes Beispiel hierfür ist der Kampf der Tupinikim- und Guarani-IndianerInnen für ihre Landrechte gegenüber dem Unternehmen Aracruz Celulose.