Agro-Lobby erhöht den Druck, um das Bahnprojekt Ferrogrão durchzudrücken

Einstweilige Verfügung vom März 2021 gegen das Bahnprojekt Ferrogrão soll im Juni dieses Jahres vor dem Obersten Gerichtshof STF erneut verhandelt werden, Befürworter:innen des Projekts aus dem Agrobusiness und Bergbaukonzerne bringen sich in Stellung.
| von Christian.russau@fdcl.org
Agro-Lobby erhöht den Druck, um das Bahnprojekt Ferrogrão durchzudrücken
Amazonien durchschneidende Bahntrassen haben bisher meist Umweltzerstörung und eine Menge Probleme für die dort angrenzend lebenden Gemeinschaften gebracht. Hier: Trem von Carajás. Foto: christian russau

Im März vergangenen Jahres hatten die Apologet:innen des Bahninfrastrukturprojektes Ferrogrão einen schweren Schlag hinnehmen müssen: der Richter am Obersten Gerichtshof, Alexandre de Moraes, hatte eine einstweilige Verfügung gegen das Bahnprojekt Ferrogrão zwischen der Boomregion des Soja-Anbaus Brasiliens, Mato Grosso, und den Überseehäfen im Bundesstaat Pará verhängt. Richter Moraes wog die vermeintlichen makroökonomischen Vorteile von 30%-Logistikkostenreduktion gegen die mit Sicherheit eintretenden Umweltschäden ab, die die 933 km lange Eisenbahnstrecke vor allem für den Nationalpark Jamanxim in Pará bedeuten würde. Diese Flona Jamanxim würde um 862 Hektar reduziert werden, um im Nationalpark eine diesen durchschneidene Trasse zu ermöglichen, entlang derer dann die neue Eisenbahnlinie Ferrogrão gebaut werden sollte. Der Richter de Moraes wies in seiner Entscheidung darauf damals hin, dass die Gebietsänderung in einem Naturschutzgebiet höchster Kategorie nicht durch eine einfache vorläufige Maßnahme hätte vorgenommen werden können. Dazu hätte es, laut de Moraes, eines Gesetzes bedurft, eine einfache Präsidialverordnung im Form einer Medida Provisória reiche dazu nicht aus. Damit folgte der Oberste Richter einer Beschwerde der Partei für Sozialismus und Frieden, PSOL.

Im Juni dieses Jahres soll der Oberste Gerichtshof STF über die einstweilige Verfügung entscheiden, und die Apologet:innen des Ferrogrão-Bahnprojektes bringen sich derzeit zunehmend in Stellung. Abgeordnete der ruralistas-Fraktion aus Mato Grosso, so berichten Medien, haben sich mit dem Obersten Richter Gilmar Mendes getroffen, um Wege zur Aufhebung der einstweiligen Verfügung zu erörtern. Und Brasiliens Infrastrukturminister, Tarcísio Gomes de Freitas, versuche, so die Kritik der Umweltaktivistin Telma Monteiro, das Ferrogrão-Projekt imagemässig aufzupolieren und betreibe "Greenwashing", indem er verspräche, "durch eine 90-prozentige Verringerung des Lkw-Verkehrs auf der BR-163, über die derzeit Sojabohnen zum Hafen am Tapajós transportiert werden, eine Million Tonnen Kohlendioxid aus der Atmosphäre zu entfernen." Gomes de Freitas versuche, internationales Kapital auf seinen Roadshows im Ausland mit dem Argument eines vereintlichen "green deals" bei Ferrogrão anzulocken, dabei bedrohe dieses Bahnprojekt Amazonien, so Monteiro, dessen traditionellen Bewohner:innen und deren Territorien, da es Amazonien zerhacke. Auch brasilianische Klima- und Umweltforscher:innen widersprechen dem Argument, Ferrogrão sei ein grünes Projekt und von daher auch als grüne Finanzanlage für internationale Investor:innen anzusehen, massiv: "Der brasilianische Staat muss eine stärkere Protagonistenrolle übernehmen und in demokratischen Foren eine Diskussion darüber anregen, wie zu regeln ist, was 'grün' ist, d.h. welche Regeln, Kriterien und Verfahren einzuhalten sind, damit die Finanzen mit einem ökologisch ausgewogenen und sozial gerechten Entwicklungsmodell in Einklang gebracht werden, wie es die Verfassung verlangt. Ferrogrão ist eine Warnung, dass es eine viel komplexere Aufgabe ist, die Finanzen auf die Schiene der Nachhaltigkeit zu bringen, als es enthusiastische Reden vermuten lassen."

Dabei darf auch nicht übersehen werden, dass es nicht "nur" das hochproblematische Soja ist, das künftig über die Bahnlinie Ferrogrão transportiert werden soll: denn Ferrogrão eignet sich nicht nur für agrarische, sondern auch für eine ganze Reihe von mineralischen Rohstoffen, weshalb auch der Bergbaukonzern Vale über seine Logistiktochter VLI Logistica ein Interesse an der Betreiberlizenz der Bahnlinie Ferrogrão hat.

Indessen sind drohende deutsche indirekte Beteiligungen und Mitverantwortungen für das Projekt nicht ausgeschlossen: diese Mitverantwortung beträfe zum einen die Abnehmer der durch Ferrogrão künftig transportierten agrarischen oder metallischen Rohstoffe, aber auch Finanz- und Versicherungsinstitute müssen sich die Frage gefallen lassen, ob sie Aktienanteile an beteiligten Unternehmen halten, deren Anleihen gezeichnet oder an diese Kredite vergeben haben.

// Christian Russau