Agrargifte: In EU verboten, in Brasilien Verkaufsschlager

Neue Studie der Investigativ-Journalist:innen von Agência Pública zeigt Firmen, die am meisten Agrargift-Marken in Brasilien verkaufen, die in der EU schon längst verboten sind.
| von Christian.russau@fdcl.org
Agrargifte: In EU verboten, in Brasilien Verkaufsschlager
"Achtung Gift" Foto: Christian Russau

Die Investigativ-Journalist:innen von Agência Pública haben unlängst eine neue Hintergrundanalyse zu toxischen Agrargiften in Brasilien erstellt. Die Analyse basiert auf Daten der brasilianischen Bundesregierung beruht und aus der geht hervor, dass die Unternehmen, die die meisten Agrargiftmarken in Brasilien verkaufen, deren Verkauf in der EU schon längst verboten ist, Pestizidhersteller aus China, Indien und Deutschland sind.

Syngenta führt diese Liste mit 233 Pestizidprodukten an. Syngenta ging 2000 aus der Ausgliederung und des Zusammenschlusses der Saatgut- und Pestizidproduktion von AstraZeneca und Novartis hervor, bevor es 2015 von ChemChina aufgekauft wurde, nachdem das vorherige Angebot von Monsanto von den Eigner:innen als zu niedrig bewertet worden war. An NUmmer 2 der Liste von Agência Pública befindet sich die indische UPL mit 136 Pestizidprodukten, an Nummer 3 die deutsche BASF mit 122 Pestizidmarken. Bayer liegt in dieser Liste auf Platz 9 mit 50 Marken, die in der EU verboten sind, aber in Brasilien zu Verkaufsschlagern zählen. Im Fall Bayer zählt dazu der absolute Renner, das berüchtigte Glyphosat.

Zu beachten ist, dass diese Hintergrund-Analyse von Agência Pública keine Aussage über Mengen oder Geldwerte oder Gewinne der Firmen im Bereich des Agrargifthandels darstellt und auch nicht die Anzahl der Wirkstoffe im Blick hat, die in Brasilien verkauft, aber in der EU schon längst verboten sind, denn aus den einzelnen Wirkstoffen können durch Mischungsverhältnisse rechnerisch unzählige verschiedene Pestizid-Produkte hergestellt werden. Die nun vorgestellte Analyse widmet sich der Anzahl der Pestizidprodukte. Es ist dennoch eine weitere Analyse, deren Bedeutung darin liegt aufzuzeigen, wie skrupellos Pestizidfirmen mit Gesundheit der Menschen und der Umwelt umgehen, dass sie verkaufen, was legal ist, solange es legal ist. Agência Pública fragte, warum diese hohen Zahlen unter der Regierung Lula noch immer anhalten, obwohl es ja die vorherige Bolsonaro-Regierung war, die immer wieder neue erschreckende Rekordwerte an Pestizidzulassungen im Lande hingelegt hatte. Für Sônia Hess von der Universidade Federal de Santa Catarina (UFSC) ist die Zulassung von Wirkstoffen in Brasilien, die in der Europäischen Union unzulässig sind, ein andauerndes Phänomen, das auch unter der derzeitigen Regierung Lula fortbesteht. "Warum passiert das immer noch? Weil es keine Anweisung oder Vorschrift der brasilianischen Regierung gibt, die die Zulassung von Produkten verhindert, die in anderen Ländern verboten sind", sagte sie den Journalist:innen von Agência Pública. Ähnliches hatte unlängst der Universitätsprofessor Marcos Pedlowski im Gespräch mit KoBra geäußert, die Regierung Lula sei nicht bereit, mit der Option für Agrargifte zu brechen, obwohl dies im Wahlkampf noch ganz anders klang. Bleibt abzuwarten, ob oder wann und wie die Regierung Lula sich dieser Frage, die auf einen klaren Konflikt mit Brasiliens Agrobusiness und den transnationalen Konzernen hinauslaufen würde, widmen wird. Der Hintergrundbericht von Agência Pública zählte auch die verschiedenen Untersuchungen auf, in denen dargelegt wurde, wie oft und wann sich Firmenvertreter:innen auch von Bayer und BASF mit brasilianischen Regierungsverteter:innen der Bolsonaro-Regierung zu Lobbygesprächen trafen. Unbekannt ist derzeit, ob und wie sich diese Praxis unter der aktuellen Rergierung Lula geändert hat oder gleichgeblieben ist.

// Christian Russau