Karavane lateinamerikanischer Bergbau-Betroffener berichtet über Menschenrechtsverletzungen in Lieferketten

Unter dem Dach Iglesias y Minería haben sich Bergbau-Betroffene aus Brasilien, Ecuador, Kolumbien und Honduras zu einer Karavane zusammengeschlossen. Mit den Berichten aus ihren Ländern touren die zehn Mitglieder durch fünf Länder Europas und fordern die Einhaltung von Sorgfaltspflichten innerhalb von Lieferketten ein. Ihr Appell richtet sich an Finanzgeber für Bergbauprojekte wie die Deutsche Bank und andere. Auftakt der Reise war eine Veranstaltung im Allerweltshaus Köln.
| von Uta Grunert
Karavane lateinamerikanischer Bergbau-Betroffener berichtet über Menschenrechtsverletzungen in Lieferketten
Foto: Jennifer Lost CC, Allerweltshaus Köln

Es fällt schwer, sich die Tragödie noch einmal vor Augen zu führen. Im Kurzfilm wird der Dammbruch von Brumadinho in Minas Gerais, die langfristige Zerstörung der Lebensgrundlage durch eine vergiftete Schlammlawine, die Trauer um die 272 Getöteten und die Wut auf die Verursacher, den Bergbaukonzern Vale und das Tochterunternehmen des Versicherers TÜV Süd in Brasilien wieder lebendig. Gegen letzteren läuft eine Klage hier in Deutschland. Doch die Betroffenen in Brumadinho warten immer noch auf Entschädigung und Anerkennung der gravierenden Fehler durch die Konzerne. Durch ein fragwürdiges Abkommen von staatlichen Institutionen von Minas Gerais und Vale muss der Konzern eine deutlich niedrigere Entschädigungssumme entrichten als angemessen wäre. Die Betroffenen kommen deutlich zu kurz.

Die Betroffenen von Piquiá de Baxio in Maranhão berichten über ausbeuterische Arbeitsbedingungen, Umweltverseuchung und Gesundheitsschäden, die sie am eigenen Leib ertragen haben. Schließlich ging es nicht mehr und die Umsiedelung von 312 Familien wurde notwendig. Alles für die Stahlproduktion, die dem Territorium einen Stempel aufgedrückt hat. 80 Familien leben immer noch in unwürdigen Verhältnissen, weil sie bei der Erfassung nicht berücksichtigt wurden.

Nun ist die Karavane in Europa und macht Zusammenhänge deutlich. Es geht um Verantwortung innerhalb der Lieferkette, um Sorgfaltspflichten, die garantiert werden müssen. Ein Bericht von Repórter Brasil für die NGO Justiça nos Trilhos hat den Eisenexport der Region Carajás von Januar bis September 2021 verfolgt. Der größte Teil wurde nach China exportiert und in Teile geformt, die nach Deutschland eingeführt werden: Stahlteile für die Autoindustrie und den Hausbau. Wir konsumieren auf diesem Weg die schmutzige Produktion in den Ländern des Südens. Hinzu kommen Investitionen von deutschen Banken in die Stahlproduktion und den Export, also auch mit Vale in Brasilien.

Der Kampf um Sorgfaltspflichten innerhalb der globalen Lieferketten hat 2021 zur Verabschiedung des Lieferkettengesetzes im deutschen Bundestag geführt. Ein Erfolg einerseits, da sich ein zaghafter Paradigmenwechsel andeutet. Ab 2023 sind deutsche Unternehmen verpflichtet zur Beendung von Menschenrechtsverletzungen. Beschwerdestellen werden eingerichtet und die Sorgfaltspflicht gegenüber der Natur wird gesetzlich verankert. Die Behörden werden kontrolliert und es können Bußgelder verhängt werden bzw. es droht der Ausschluss von öffentlicher Beschaffung.

Allerdings hat das derzeitge Gesetz auch eindeutige Schwächen, da die Umwelt nur punktuell geschützt ist und es keine zivilrechtliche Haftungsregel gibt. Außerdem deckt das Gesetz nicht die gesamte Lieferkette ab, sondern gilt nur für direkte Partner. Es bleiben also weiterhin Schlupflöcher und Streitfragen offen, selbst wenn der Name Lieferkettengesetz gut klingt.

Auf EU Ebene gibt es ebenfalls einen Vorschlag, der nach in Krafttreten (2026) eine umfassende Berücksichtigung der Lieferketten vorsieht, die gesamte Wertschöpfungskette abdecken würde und zivilrechtliche Regelungen beinhaltet. Allerdings sind auch hier Schlupflöcher absehbar: Das Gesetz gilt nur für etablierte, langfristige Geschäftsbeziehungen. Menschenrechtsverletzungen in kurzfristigen Geschäftsbeziehungen werden nicht berücksichtigt. Außerdem sind die vorgesehenen Klimapläne nicht mit Kontrollen und Sanktionen abgesichert.

Das Podium zeigte deutlich, dass der Abbau von Rohstoffen im globalen Süden oft schwerwiegende negative Auswirkungen auf Umwelt und Menschenrechte hat. Besonders eindrückliche Fälle sind die im Zusammenhang von Bergbauaktivitäten stehenden Menschenrechtsverletzungen in Brumadinho und Piquiá de Baixo in Brasilien, Putumayo und Jericó in Kolumbien und Fiambalá in Argentinien. Sie gehören zu den mehr als 300 lateinamerikanischen Fällen von Menschenrechtsverletzungen durch Bergbauunternehmen, die ganze Gemeinden und Dörfer in Mitleidenschaft ziehen.
Diese drei Szenarien zeigen die Dringlichkeit eines verantwortungsvollen Handelns des globalen Nordens auf dem Weg zu einer postextraktivistischen Gesellschaft. Angesichts der zunehmenden Globalisierung der Wertschöpfungsketten europäischer Unternehmen sind klare Regeln erforderlich, um Menschenrechtsverletzungen vorzubeugen und Unternehmen, die solche Verstöße mitverursachen oder unterstützen, zur Rechenschaft zu ziehen.

In der von Adveniat, dem Allerweltshaus, dem lateinamerikanischen Netzwerk „Iglesias y Minería“ (Kirche und Bergbau), KoBra (Kooperation Brasilien e. V.) und MISEREOR unterstützten Diskussionsveranstaltung gingen lateinamerikanische Menschenrechtsaktivist*innen auf emblematische Fälle in ihren Territorien ein und stellten Verknüpfungen zu den Aktivitäten deutscher Unternehmen her. Die Opfer von Brumadinho waren auf Plakaten an der Wand dabei. Auf für sie ist die Gruppe unterwegs.