238/239 | Neue alte Vielfalt

Traditionelle Völker und Gemeinschaften in Brasilien
| von fabian.kern@kooperation-brasilien.org
238/239 | Neue alte Vielfalt
Titelbild 238/239

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Inhalt:

  • Strategische Gruppen für eine nachhaltige Entwicklung
    Dieter Gawora
  • Der Entstehungsprozess eines Konstrukts (Português)
    Aderval Costa Filho
  • PNCPT: Die nationale Komission (Português)
    Claudia de Pinha
  • Landrechte in Brasilien (Português)
    Aderval Costa und Ana Beatriz Vianna Mendes
  • Biodiversität und die Nutzung natürlicher Ressourcen (Português)
    Marilene Souza und Elmy Soares
  • Bildung für traditionelle Völker und Gemeinschaften
    Monica Nogueira (Português)
  • Jugendliche auf dem Land und Migrationsprozesse (Português)
    Maria de Assunção Lima de Paulo und Marcelo Saturnino da Silva
  • Schulpartnerschaft Brasilien/Deutschland
    Claus Wilkens
  • Gewalt gegen die indigenen Völker Brasiliens (Português)
    Cleber César Buzatto
  • Erfahrungen mit Arara-Gemeinden in Rondônia
    Volker von Bremen
  • Der demographische Wandel bei den Indigene
    Dieter Gawora
  • Gegen die Verdammung des Rio Tapajós
    Uta Grunert
  • Vertrieben durch den Bau von Belo Monte (Português)
    Rosa A. Marin, Maria Elena Silva, Vanuzia Brito und Eliane M. Santos
  • Quilombolas: Widerstand gegen Rechtsverletzungen
    Ana Claudia Matos
  • Grünes Wachstum und die Rechte der Quilombolas (Português)
    Maria Backhouse
  • Amazoniens traditionelle Sammler*innen (Português)
    Edel Moraes
  • Fundo e Fecho de Pasto
    Kurt Damm
  • Pomeranos: ein Volk mit traditioneller Kultur (Português)
    Vanilda Haese Dettmann

 

Editorial:

Die vorliegende Ausgabe des Brasilicum dient der Vorbereitung des Runden Tisch Brasilien 2015, der traditionelle Völker und Gemeinschaften als vergleichsweise neue gesellschaftliche Kategorie diskutieren wird.

Traditionelle Völker und Gemeinschaften waren lange unsichtbar. Sie wurden erstmals in den 1980er Jahren im Zusammenhang mit dem Kampf der Seringueiros in Acre gegen die Vernichtung ihres Lebensraums und ihrer Lebensgrundlage wahrgenommen. Insbesondere in der letzten Dekade haben sie sich deutlicher Gehör verschaffen können. Die brasilianische Regierung hat zudem mit der Nationalen Kommission für traditionelle Völker und Gemeinschaften ein Gremium geschaffen, das die Interessen der Gemeinschaften in Brasília vertreten kann. Auf der Gesetzesebene wurde im Jahr 2007 vom brasilianischen Präsidenten das Dekret 6040 unterschrieben (einige Autor*innen werden es erläutern), das auf Bundesebene einen rechtlichen Rahmen für traditionelle Völker und Gemeinschaften schuf. Das Dekret ergänzt die brasilianische Verfassung sowie die ILO-Konvention 169 und war ein wichtiger Schritt, die Unterscheidbarkeit der traditionellen Völker und Gemeinschaften von der Mehrheitsgesellschaft anzu-*erkennen.

Traditionelle Völker und Gemeinschaften stehen für eine Entwicklungsvorstellung, die sich fundamental von der offiziellen, staatlichen Entwicklungsstrategie unterscheidet, einem Modell, das auf der ökonomischen Ausbeutung von Ressourcen beruht. Soziale Regeln, die auf ihren Traditionen beruhen, und der Erhalt der ökologischen Vielfalt in ihren Territorien, die durch ihre Wirtschaftsweise gewährleistet wird, sind konstituierend für diese Gruppen. Dieter Gawora beschreibt sie daher in seinem einführenden Beitrag als gesellschaftliche Subjekte der Nachhaltigkeit. Mit diesen Entwicklungs-zielen bieten sie sich als strategische Partner für eine an Nachhaltigkeit orientierte Entwicklungszusammenarbeit an. Sie stehen damit aber auch notwendigerweise in Konflikten mit dem herrschenden Modell der Ent-*wicklung und deren mächtigen Akteuren in Wirtschaft und Politik. Daher sind trotz ihrer zunehmenden Sichtbarkeit alle traditionellen Völker und Gemeinschaften akut oder mindestens potentiell Bedrohungen ausge-*setzt.

Die vorliegende Ausgabe führt in die Debatten über traditionelle Völker und Gemeinschaften ein. Die Autor*innen des ersten Heftteils befassen sich mit der Definition, der strategischen Bedeutung, politischen Vertretung, Wirtschaftsweise, Rechtssituation, Bildung und Jugendmigration traditioneller Völker und Gemeinschaften. Im zweiten Teil werden Fallbeispiele verschiedener Kategorien aus sieben Bundesstaaten vorgestellt, die sich alle mit den jeweiligen akuten Konflikt- und Bedrohungssituationen der Gemeinschaften auseinandersetzen. Da die meisten traditionellen Völker und Gemeinschaften im deutschsprachigen Raum noch weitgehend unbekannt sind, wird das Heft durch ein (vorläufiges) Glossar mit Kurzbeschreibungen der 28 derzeit anerkannten traditionellen Völker und Gemeinschaften in Brasilien ergänzt.

 

Beim Runden Tisch Brasilien 2015 wird die Thematik mit brasilianischen Referent*innen diskutiert werden. Darunter vier Repräsentant*innen der traditionellen Völker und Gemeinschaften: Ademir Kabá, ein Munduruku-Indigener aus Pará, Ana Claudia Matos, eine Quilombola aus Tocantins, Claudia de Pinha, eine Pantaneira aus Mato Grosso do Sul und Elmy Soares, ein Geraizeiro aus Minas Gerais. Sie repräsentieren gleichzeitig drei der sechs großen Ökosysteme Brasiliens. Weitere Gäste aus Wissenschaft und von Nichtregierungsorganisationen gelten als zentrale Referenz-*personen der Debatte: Cleber César Buzatto, der Generalsekretär des CIMI, Aderval Costa, der langjährige Koordinator der nationalen Kommission für traditionelle Völker und Gemeinschaften, Marilene Souza, die Direktorin der Articulação do Semiárido Brasileiro – ASA und Marquinho Mota, der Koordinator des Forum da Amazônia Oriental. Beiträge der Referent*innen finden sich in diesem Heft.

 

die Redaktion