Guarani-Kaiowa: Protestbrief zum Tag der Indigenen Brasiliens

Ein Netzwerk aus Solidaritätsgruppen hat einen Protestbrief verfasst der am 19. April an die Botschafter Brasiliens in Deutschland und vielen weiteren Ländern Europas übergeben wurde.
| von fabian.kern@kooperation-brasilien.org
Guarani-Kaiowa: Protestbrief zum Tag der Indigenen Brasiliens
Schluss mit der Gewalt - gebt uns unser Land zurück!

Dieser Protestbrief wurde im Rahmen der Rundreise des Caciquen Ladio Veron (mit einigen Terminen in Deutschland) verfasst und  auf Spanisch, Englisch und Deutsch übersetzt.

Der Tag der Indigenen wurde in Brasilien 1943 von Getúlio Vargas mit dem Dekret 5540 eingeführt.

Update: Am 19. April wurde der Brief mit 40 Unterschriften an den brasilianischen Botschafter übermittelt. Wir werden aber bis zum Ende der Rundreise von Ladio Veron im deutschsprachigen Raum weitere Unterschriften sammeln.

Protestbrief an den Botschafter

Sehr geehrter Herr Botschafter,

 

Wir, die unterzeichnenden Organisationen, Gruppen und Einzelpersonen, richten uns an Sie, um unserer Sorge angesichts der Situation der indigenen Völker in Brasilien, insbesondere dem Volk der Guarani-Kaiowa in Mato Grosso do Sul, und der Gewalt die diesen Völkern entgegengebracht wird, Ausdruck zu verleihen.

 

Wir sind besorgt, dass die brasilianische Regierung die Demarkationen der traditionellen Gebiete nicht gewährleistet, was die Guarani dazu zwingt auf kleinen Landstrichen umgeben von Zuckerrohr- und genetisch manipulierten Sojaplantagen zu leben, welche stark pestizidverseucht sind und Wasser als auch Erde vergiften, was die Landwirtschaft, das Jagen, das Fischen oder auch das Sammeln von Heilkräutern, mit denen sie sich versorgen, verhindert und ihre traditionelle Lebensweise verunmöglicht.

 

Wir missbilligen, dass die Gebiete, welche bereits demarkiert wurden und offiziell als indigenes Land anerkannt wurden, sich weiterhin in den Händen von Nicht-Indigenen befinden. Die daraus resultierenden Landkonflikte zwischen 2013 und 2017 haben schon 891 Menschenleben gekostet, davon 426 in Mato Grosso do Sul.

 

Wir sind besorgt über den Erlass Nr. 80 des Justizministeriums vom 19. Januar dieses Jahres, welcher das Vorgehen bezüglich der Demarkationen von indigenem Gebiet verändert und die Befugnisse der FUNAI zu Gunsten einer technischen Arbeitsgruppe des Ministeriums schwächt, die bemächtigt ist, die von der FUNAI vorgeschlagenen Demarkationen in Frage zu stellen, was sehr wahrscheinlich zu weiteren Verlusten von indigenem Gebiet führt.

 

Wir sind besorgt über das Konstrukt des sogenannten „Zeitfensters“ welches aussagt, dass nur solche Gebiete, die genau im Moment der Verabschiedung der Bundesverfassung im Oktober 1988 beansprucht wurden, als indigene Gebiete anerkannt werden können. Wir sehen dies als Trick, welcher darauf abzielt die brasilianische Verfassung zu umgehen. Diese Interpretation des bestehenden Gesetzes berücksichtigt nicht all die Menschenrechtsverletzungen welche die indigenen Völker vor und während der Militärdiktatur erlitten haben und welche dazu geführt haben, dass sich viele indigene Gemeinschaften nicht mehr auf ihrem Gebiet befinden, weil sie vertrieben oder in einigen Fällen sogar zur Gänze umgebracht wurden.

 

Wir sind besorgt über die große Bedrohung, welcher die indigenen Völker durch die beantragte Verfassungsänderung PEC 215, die im Kongress vorliegt, ausgesetzt sind. Dieser Antrag hat zum Ziel, dass dem Parlament das letzte Wort über die Demarkation indigener Gebiete überlassen wird. Mit solch einer Vorgangsweise wären sowohl bereits demarkierte Gebiete als auch aktuell im Prozess der Demarkation begriffene Gebiete bedroht.

 

Falls diesem Antrag stattgegeben wird, könnten bestehende indigene Gebiete drastisch reduziert werden, was zu weiteren Abholzungen als auch zur Kriminalisierung und Ermordung indigener Menschen in dörflichen Gemeinden führen würde.

 

Es scheint uns gerecht und richtig, dass die indigenen Völker Brasiliens in ihrem angestammten Gebiet (und dem Gebiet ihrer Vorfahren) leben wollen, so wie es ihrer Kultur, ihren Bräuchen und ihrer Weltsicht entspricht, dass sie im Einklang mit der Natur jagen und ihr Land kultivieren, und dadurch auch einen wertvollen Beitrag zum Umweltschutz leisten.

 

Was die Guarani Kaiowá fordern, nämlich einen kleinen Teil ihres Tekoha, ihres als heilig betrachteten Gebiets, entspricht weniger als 2,5% von Mato Grosso do Sul, erscheint uns als eine legitime Mindestforderung.

 

Wir wollen dem Genozid der Guarani Kaiowá Einhalt gebieten. Überfälle auf indigenem Gebiet, als auch die hohe Selbstmordrate innerhalb dieser indigenen Gemeinschaft, zeigen, dass das Verbrechen des Genozids, definiert laut der UNO Konvention von 1948 und dem Gesetz 2889/1956, weiterhin andauert.

 

Wir erlauben uns Sie daran zu erinnern, dass die brasilianische Regierung 2012 die International Labour Organization Convention 169 zu den Indigenen und Stammesvölkern (1989) unterschrieben hat, in welcher die Verpflichtung des Staates festgehalten wird, die indigenen Völker, ihre Integrität und ihre Menschenrechte, als auch ihre Landgebiete, ihr Erbe und die Umwelt, in der sie leben zu schützen und ihre Partizipation an gesellschaftlichen Entwicklungen, insbesondere zur Politik, welche sie unmittelbar betrifft, zu gewährleisten.

 

Aus diesen Gründen ersuchen wir Sie bei den brasilianischen Autoritäten zu intervenieren, damit die Rechte der indigenen Völker respektiert und ihre Gebiete demarkiert so dass sie endlich in Frieden leben können. Dazu wollen wir auf die wichtige Rolle der indigenen Völker als Hüter unseres natürlichen Lebensraumes hinweisen, und den Umstand, dass die Demarkierung ihrer Gebiete, über ihr Recht hinaus, auch von unschätzbarem Wert für unseren Planeten und all seiner Bewohner und Bewohnerinnen ist.

 

 

Hochachtungsvoll,

...