Moro versus Lula - Wahlkampf und Polarisierung

Von langer Hand geplant und politisch motiviert war die Verurteilung des 71 jährigen ehemaligen Präsidenten Brasiliens (2003-2010) Inácio Lula da Silva der linken Arbeiterpartei PT vergangenen Mittwoch durch den Bundesrichter Sérgio Moro. Das Berufungsgericht in Porto Alegre muss nun in zweiter Instanz über den Vorwurf der Korruption und Geldwäsche und die vorgeschlagene Haftstrafe von neuneinhalb Jahren befinden. Lula kämpft um sein politisches Erbe und eine erneute Kandidatur bei den Wahlen im Oktober 2018. Er sieht sich einer politischen Hetzkampagne politischer Gegner innerhalb einer Justiz ausgesetzt, die nicht mehr neutral agiere.
| von Uta Grunert
Moro versus Lula - Wahlkampf und Polarisierung
Moro gegen Lula, Konfrontation in Curitiba, Quelle: Musicas.cc

Die Anklage sage mehr über die Absichten des Bundesrichters Sérgio Moro als über die tatsächliche Schuld des Ex-Präsidenten Ináco Lula da Silva aus, beurteilen linke Sympathisanten die Lage.

Die Untersuchungen zu den Korruptionsskandalen um den halbstaatlichen Erdölkonzern Petrobrás würden von Teilen der Justiz instrumentalisiert, um die aussichtsreiche Kandidatur Lulas im Oktober 2018 mit allen Mitteln zu verhindern. Nach derzeitigen Umfragen verfügt Lula immer noch über ein hohes Mobilisierungspotential und starken Rückhalt in der Bevölkerung, da man seiner Regierungszeit die erfolgreiche Armutsbekämpfung zuschreibt.

Ob er sich politisch halten kann, ist jedoch ungewiss. Nach der aktuellen Klage stehen weitere 4 Prozesse aus, die Moro gegen ihn angestrengt hat. Aktuell muss in zweiter Instanz geprüft werden, ob der Baukonzern OAS ein Luxusapartment Lulas im Küstenort Guarujá als Gegenleistung für Aufträge renoviert habe.Lula bestreitet diesen Zusammenhang.

Grundsätzlich verfolgt Moro schon länger die Strategie, Lula - aus Mangel an Beweisen für dessen Verwickelung in konkrete Korruptionsfälle - eine übergeordnete und zentrale Verantwortung (als Präsident) für den Petrobras-Skandal gerichtlich anlasten zu können. Er stützt sich hauptsächlich auf die Aussagen von Kronzeugen, die in Brasilien im Rahmen von Lava Jato (der Korruptionsaffaire, die den Namen Autowaschanlage trägt) inzwischen reichlich vorhanden sind und Politiker aller Parteien belasten.

Auch der amtierende Präsident Michel Temer steht in diesem Zusammenhang unter Korruptionsverdacht. Wenn das Parlament diesen Vorwürfen mit Zweidrittelmehrheit zustimmt, wird Temer für 180 Tage vom Amt suspendiert. Hier führt Generalstaatsanwalt R. Janot die Untersuchungen. Die Vorwürfe umfassen Behinderung der Justiz, Korruption und organisierte Kriminalität.

Bei all diesen Prozessen geht es um weit mehr als um Korruption, es geht um den Glaubwürdigkeitsverlust von Politik und Gewaltenteilung, die innerhalb bestimmter Machtkonstellationen ihre unterschiedlichen Agenden verfolgt haben. Es geht um eine extreme Polarisierung zwischen linken und rechten politischen Glaubensrichtungen - bei gleichzeitiger Ernüchterung und heftigen Protesten durch die Basis. In der brasilianischen Bevölkerung gären sei den Protesten 2013 Unzufriedenheit und Frustration gegenüber der derzeitigen politischen Praxis einerseits sowie die Flucht in Heilsversprechungen und vereinfachte Lösungsansätze andererseits.

Eine Trendwende mit Neuwahlen, einer politischen Reform und einem neuen unverbrauchten politischen Projekt wird seit langem gefordert und gesucht. Noch sind die Machtkämpfe der Vergangenheit nicht abgeschlossen und der Weg für neue Projekte nicht offen. Es bleibt unübersichtlich.