Organisationen aus Mato Grosso prangern politische Offensive gegen die Demarkierung Indigener Territorien an

Zivilgesellschaftliche Organisationen prangern in einer gemeinsamen Erklärung an, dass die Landesregierung von Mato Grosso Fehlinformationen über die Demarkierung Indigener Territorien verbreitet, gezielt Konflikte schürt und letztlich darauf abziele, Landraub zu legalisieren. Einige dieser ins Visier der Landesregierung geratenen Territorien waren erst vor wenigen Tagen während der COP 30 von Brasiliens Präsidenten, Luiz Inácio Lula da Silva, homologisiert worden.
| von Christian.russau@fdcl.org
Organisationen aus Mato Grosso prangern politische Offensive gegen die Demarkierung Indigener Territorien an
Terra Indígena (Symbolbild). Foto: christian russau

Sozial- und Umweltorganisationen sowie soziale Bewegungen des zentralbrasilianischen Bundesstaates Mato Grosso haben eine gemeinsame öffentliche Protestnote veröffentlicht, in der sie dem Gouverneur des Bundesstaates Mato Grosso, Mauro Mendes von der rechten Partei União Brasil, sowie den mit diesem verbündeten Parlamentarier:innen des Landes vorwarfen, eine gezielt koordinierte Offensive gegen die in dieser Woche anerkannten Indigenen Territorien im Bundesstaat anzufachen. Den Organisationen zufolge verzerrten die Erklärungen der staatlichen Behörden Informationen, zielten darauf ab, den Landraub im Bundesstaat auch in Indigenen Territorien zu legalisieren. Dahinter stünde, so die Erklärung der zivilgesellschaftlichen Organisationen, die Absicht der Landesregierung, gesellschaftliche Konflikte zu schüren und dergestalt die direkte politische Auseinandersetzungen mit den indigenen Völkern, die um ihre verfassungsmäßigen Rechte kämpften, zu suchen. Dies berichtet das Umweltportal O ECO und zitiert dabei die gemeinsame Erklärung der zivilgesellschaftlichen Organisationen, die KoBra weiter unten aus dem portugiesischsprachigen Original ins Deutsche übersetzt hat.

Der Präsident der Republik, Luiz Inácio Lula da Silva, hatte erst am Dienstag, den 18. November, in Brasília vier weitere indigene Gebiete als Indigene Territorien anerkannt: Kaxuyana-Tunayana, gelegen in den Bundesstaaten Pará und Amazonas, sowie Manoki, Uirapuru und Estação Parecis, gelegen im Bundesstaat Mato Grosso. Damit steigt die Zahl der seit 2023, dem Beginn der aktuellen Amtszeit der Bundesregierung, anerkannten Gebiete auf 20, was einer Gesamtfläche von rund 2,5 Millionen Hektar geschütztem Land in 11 Bundesstaaten mit unterschiedlichen Biomen entspricht, so die Bundesregierung in der Erklärung anläßlich der Homologation der vier Territorien.

Quelle der Protestnote: https://formad.org.br/arquivos/5767
21/11/2025 COP30: VERURTEILUNG DER ANGRIFFE DES GOUVERNEURS UND DER POLITIKER:INNEN VON MATO GROSSO GEGEN INDIGENE TERRITORIEN

Nur wenige Stunden nach der Bekanntgabe des Demarkationspakets durch die brasilianische Regierung auf der COP30 starteten der Gouverneur von Mato Grosso, Abgeordnete des Bundesstaates Mat Grosso und der Bundesabgeordnetenkammer [in Brasília, Anm.d.Ü.] sowie Stadtverordnete eine Kampagne zur Delegitimierung des verfassungsmäßigen Rechts der indigenen Völker von Mato Grosso auf den Besitz ihrer angestammten Territorien. Die Angriffe dieser Politiker:innen unter der Führung des Gouverneur [von Mato Grosso, Anm.d.Ü.] Mauro Mendes stellen einen schwerwiegenden Verstoß gegen die Umweltgesetzgebung und gegen die ursprünglichen Rechte der indigenen Völker dar. Diese Äußerungen, insbesondere nach der Bestätigung der indigenen Territorien während der COP30, ignorieren die tiefe ökologische, soziale und verfassungsrechtliche Bedeutung dieser Gebiete und verwandeln das, was eigentlich eine garantierende Absicherung für die Zukunft sein sollte, in einen Brennpunkt für Desinformation und Konflikte.

Es handelt sich um Fehlinformation, weil behauptet wird, dass es zu einer "Ausweitung" der indigenen Gebiete komme, was eine absichtliche Verfälschung der Tatsachen darstellt. Keines der jetzt anerkannten Indigenengebiete, wie die Terra Indígena Manoki, die Terra Indígena Uirapuru und die Terra Indígena Estação Parecis, wird erweitert. Die Anerkennung ist lediglich ein Präsidialdekret, das die Grenzen der Indigenenterritorien veröffentlicht, die bereits einen [den Demarkationsbereich definierenden, Anm.d.Ü.]] Abgrenzungsprozess, eine Erklärung des ausschließlichen Besitzes durch die indigenen Völker, eine Widerspruchsphase und sogar eine physische Demarkation durchlaufen haben. Das heißt, es handelt sich um Gebiete, die seit Jahrzehnten vom brasilianischen Staat anerkannt und rechtlich abgesichert sind, sodass es nicht einmal dem Präsidenten der Republik zusteht, diesen Prozess zu überprüfen. Die Behauptung, dass indigene Gebiete in Mato Grosso erweitert werden, ist daher nicht nur falsch, sondern auch unverantwortlich und manipulativ seitens des Gouverneurs, der Abgeordneten und Stadtverordneten und trägt letztlich dazu bei, territoriale Konflikte zu verschärfen. Der Abschluss des Prozesses der Landregulierung für indigene Territorien ist mit der Genehmigung und der anschließenden Eintragung im Grundkatasteramt vor allem eine Garantie für Rechtssicherheit für alle.

Es ist inakzeptabel, dass angesichts der Klimakrise und des raschen Verlusts der biologischen Vielfalt politische Entscheidungsträger:innen die strategische Bedeutung der indigenen Territorien verzerrt darstellen. Diese Gebiete sind keineswegs ein Hindernis für die Entwicklung, sondern vielmehr grundlegende Säulen für die ökologische und klimatische Stabilität des Bundesstaates Mato Grosso und ganz Brasiliens. Die Erhaltung der Wälder, die durch den Schutz der indigenen Gebiete gewährleistet wird, ist eine unschätzbare Umweltdienstleistung. Sie fungieren als echte Kohlenstoffsenken, regulieren den Wasserhaushalt und bewahren eine einzigartige Artenvielfalt – allesamt entscheidende Faktoren für die Landwirtschaft, die Luftqualität und das Leben im Allgemeinen, von denen die gesamte Bevölkerung, einschließlich der benachbarten Gemeinden, direkt profitiert. Deren Bedeutung auf ein bloßes wirtschaftliches Hindernis zu reduzieren, bedeutet, die Komplexität und gegenseitige Abhängigkeit von Umwelt- und Sozialsystemen zu ignorieren.

Eine Argumentation, die die Abgrenzung indigener Gebiete mit wirtschaftlichen und sozialen Nachteilen assoziiert, ist angesichts der Realität der illegalen Besetzung und Landnahme noch falscher. Aktuelle technische Studien wie „O CAR como instrumento de grilagem” (übersetzt: Das Umweltkatastersystem CAR als Instrument der Landnahme), die von [der zivilgesellschaftlichen Organisation, Anm.d.Ü.] Operação Amazônia Nativa (OPAN) in Zusammenarbeit mit dem Instituto Centro de Vida (ICV) erstellt wurde, zeigen eindeutig, dass die CARs in den indigenen Territorien nicht das Ergebnis einer legitimen Besetzung sind, sondern eines Prozesses der unrechtmäßigen und illegalen Landaneignung, bei dem die Bürokratie der Registrierung genutzt wird, um der Landnahme einen falschen Anschein von Legalität zu verleihen. Die Haltung des Staatssekretariats für Umwelt von Mato Grosso (SEMA-MT), diese Registrierungen in Gebieten anzuerkennen, die eigentlich verfassungsrechtlich für indigene Völker bestimmt sind, ist ein direkter Verstoß gegen die Bundesverfassung und internationale Menschenrechtsabkommen.

Darüber hinaus sind Gebiete mit unvollendeter Regularisierung anfälliger für die Bedrohung durch kriminelle Organisationen. In diesem Zusammenhang haben verschiedene wissenschaftliche Studien und Regierungsberichte sowie polizeiliche Ermittlungen den Zusammenhang zwischen Landraub und illegaler Besetzung indigener Gebiete einerseits mit organisierter Kriminalität, illegalem Goldabbau, Drogenhandel und Holzschmuggel auf nationaler und internationaler Ebene andererseits aufgezeigt.

Die Bundesverfassung von 1988 erkennt eindeutig die ursprünglichen Rechte der Indigenen Völker auf die Gebiete an, die sie seit Jahrhunderten vor der Gründung des brasilianischen Staates traditionell bewohnten, stuft diese als Bundeseigentum ein und legt fest, dass es Bundesaufgabe sei, diese Gebiete abzugrenzen, zu schützen und alle ihre Güter zu respektieren. Das Recht der Indigenen Völker auf ihr Land besteht bereits seit vor der Gründung des brasilianischen Staates, durch die sogenannte "Theorie des Indigenats”, die durch das Übereinkommen Nr. 169 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) und die Erklärung der Vereinten Nationen über die Rechte der indigenen Völker bekräftigt wird. Diese Grundsätze zu ignorieren, bedeutet, die Grundlage des demokratischen Rechtsstaats zu untergraben.

Darüber hinaus entsprechen die Behauptungen, dass die Demarkationen aufgrund des Gesetzes 14.701/2023, bekannt als Stichtagsreglung "Lei do Marco Temporal", nicht durchgeführt werden könnten, nicht den Tatsachen. Der Oberste Gerichtshof STF hat die These der Stichtagsregelung Marco Temporal bereits zuvor für verfassungswidrig erklärt. Die Klagen, die derzeit unter der Zuständigkeit von Minister Gilmar Mendes stehen, heben weder die Entscheidung des Plenums (des STFs, Anm.d.Ü.] auf noch setzen sie die Verfahren zur Demarkation oder Homologation von indigenen Territorien aus.

Die Behauptungen, dass die Demarkationen negative Auswirkungen auf die Bevölkerung hätten, sind eine Form von Umweltrassismus, ein Versuch, den Fokus von der Verantwortung für Landraub und illegale Abholzung abzulenken, die die wahren Ursachen für die ökologische und soziale Degradation sind. Der Schutz der indigenen Territorien ist eine Frage der sozialen Gerechtigkeit, des kulturellen Respekts und des ökologischen Überlebens und kein Hindernis für die Entwicklung. Im Gegenteil, die Erhaltung dieser Gebiete ist eine Investition in die Zukunft von Mato Grosso.

Unterzeichner:innen dieser Erklärung:

Fórum Popular Socioambiental de Mato Grosso (Formad)

Observatório Socioambiental de Mato Grosso (Observa-MT)

Operação Amazônia Nativa (OPAN)

Instituto Centro de Vida (ICV)

Conselho Indigenista Missionário (CIMI-MT)

Instituto Gaia

Comitê Popular do Rio Paraguai/Pantanal

Associação Sócio Cultural e Ambiental Fé e Vida

Centro de Direitos Humanos Dom Máximo Biennes

Fundação Ecológica Cristalino (FEC)

Núcleo de Estudos Ambientais e em Saúde do Trabalhador (NEAST)

Fórum de Direitos Humanos e da Terra (FDHT-MT)

Associação Xaraiés

Movimento dos Trabalhadores Rurais Sem Terra (MST-MT)

Instituto Samaúma

Comissão Pastoral da Terra (CPT-MT)

Central Única dos Trabalhadores de Mato Grosso (CUT-MT)

Atera - Associação dos Taboqueanos Extrativistas Ribeirinhos do Araguaia

ADA – Associação dos Trabalhadores Rurais Deus é Amor – região da Taboca

Instituto Ecótono

Text und Übersetzung: Christian Russau

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