Klimaschutz und REDD+

Wie komplex die Verknüpfung von Waldschutz und Emissionshandel ist und wie sich im Einzelnen der angestoßene Prozess auf die betroffenen Menschen auswirkt, ist der Inhalt des diesjährigen Sonderhefts der Kooperation Brasilien. Es wird im Herbst diesen Jahres in Zusammenarbeit mit FAOR, ASW und FDCL unter dem Titel „Waldhandel nach Kopenhagen“ erscheinen und viele brasilianische Stimmen zum Thema enthalten.
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Die Reihe der internationalen Klimatreffen reißt nicht ab. Im Mai trafen in Deutschland VertreterInnen aus 40 Ländern zu einer Klimaverhandlung, um den nächsten Weltklimagipfel Ende dieses Jahres in Mexiko vorzubereiten. Auf diesem Treffen sagte Deutschland zu, 350 Mio. € für Waldschutz investieren zu wollen, ein Großteil des Geldes war allerdings schon vor zwei Jahren bei der Artenschutzkonferenz in Bonn zugesagt worden. Die zugesagten Gelder schrumpfen inzwischen wieder. Nach Angaben des Spiegel soll der Haushaltstitel „Klimaschutzmaßnahmen in Entwicklungsländern“ für die kommenden zwei Jahre auf Null gesetzt werden.
Besonders kritisch stellt sich inzwischen das Doppelspiel von Norwegen dar, einem der Hauptfinanzgeber des brasilianischen Amazonasfonds. Trotz der Waldschutzabsichten seines Landes erweitert der norwegische Staatskonzern Norsk-Hydro ASA seine Aluminiumproduktion in Brasilien: Europas drittgrößter Aluminiumhersteller hat kürzlich die Übernahme der Aluminiumsparte des brasilianischen Bergbaukonzerns Vale unterzeichnet und übernimmt mit Paragominas eine der weltgrößten Bauxitminen. Außerdem hält der Konzern mit 91 % - Anteilen von Alunorte die weltgrößte Aluraffinerie, 51 % - Anteile vom Albras-Aluminiumwerk und 81 % - Anteile an dem Tonerde- Raffinerie-Projekt CAP.
Die energieintensive Industrie will von den gigantischen Strommengen vom Megastaudamm Belo Monte profitieren, der zur Waldzerstörung und weiteren Treibhausgasbildung in der Amazonasregion beitragen wird.
25% der brasilianischen Energienachfrage kommt von neun Minen und Energieunternehmen: Alcoa, ArcelorMittal, Camargo Corrêa Energia, CSN, Gerdau, Samarco, Vale und Votorantim, von denen einige stark am Bau von Belo Monte interessiert sind.
Das Beispiel zeigt, dass Norwegen sich das Image des Regenwaldschützers zulegt, während wirtschaftliche Interessen an vorderster Stelle stehen und die ökologischen Probleme an die letzte Stelle gerückt werden. Für ihr Verhalten wird die norwegische Regierung von Umweltorganisationen wie International Rivers u.a. stark kritisiert.

Nach einer im Mai veröffentlichten Untersuchung von CIFOR soll 2008 bis 2019 mit 6 Mrd. US-$ Investitionsmitteln (über REDD+) die brasilianische Entwaldung des Amazonas halbiert werden können. Allerdings bedeute das auch, dass gerade die GroßgrundbesitzerInnen und Agrarkonzerne von den Ausgleichszahlungen profitieren würden, da sie als HauptverursacherInnen der Entwaldung gelten.

Der Film „Kohlenstoffjäger“ (im englischen Original: carbon hunters ) des Amerikaners Mark Shapiro begleitet unterschiedliche Akteure im Amazonasgebiet, die bereits am Kohlenstoff-Emmissionhandel beteiligt sind.
Auf der einen Seite stehen Konzerne wie General Motors, Chevron und AEP, die in den USA zu den großen Verursachern von Treibhausgasen zählen. Sie kaufen Emmissionsrechte am Markt, und  die Umweltorganisationen Nature Conservancy und ihr lokaler brasilianischer Partner SPVS kaufen dafür brasilianischen Regenwald.
Durch die Wachstumsprozesse der Bäume wird über die Photosynthese Kohlenstoff im Holz gebunden. Die Umweltorganisationen erfassen die Kohlenstoffmengen, die in den Bäumen eines Waldstücks gespeichert sind. Gleichzeitig wird nun überwacht, dass niemand mehr einen dieser „verkauften Kohlenstoffspeicher“ fällt. Hier gerät die bewaffnete Força verde in Konflikt mit der lokalen Bevölkerung, die bislang Nahrung, Bauholz, etc. aus dem Wald bezogen hat.
Allerdings macht der Film auch klar, dass der Preis, den die Industrienationen auf dem Kohlenstoffmarkt zahlen nicht an den Preis, der im illegalen Holzeinschlag erzielt werden kann, heranreicht. Die Preisrelationen liegen sogar bei 1: 1000.
Für diese Vermarktung des Waldes an der Börse sind Menschen, die im und vom Wald leben nicht erwünscht.
Es gibt erste Versuche in der Reserva Juma über eine Bolsa floresta mit 25 US-$ im Monat den Familien ein Grundeinkommen zu sichern, ohne dass sie Bäume fällen dürfen.
Allerdings reicht dieser Betrag einer Familie nicht, um ihr Auskommen zu haben und macht sie gleichzeitig arbeitslos.
Insgesamt entsteht der Eindruck, dass das Geschäft sehr zugunsten der Industrienationen geht, die nämlich ihr klimaschädliches Verhalten beibehalten können und gleichzeitig Mitspracherechte über brasilianischen Wald erwerben. Die eigene schmutzige (z.B Kohlekraftwerks-) Industrie sichert ihren Reichtum und die Rettung des Klimas wird outgesourced. Wo bleibt da das Verursacherprinzip?  Die brasilianischen WaldbewohnerInnen haben das Nachsehen. Bei Holznutzung für ihren eigenen Bedarf drohen sie, kriminalisiert zu werden und bislang können sie durch Emmissionsgeschäfte statt Waldnutzung nicht überleben.

Das Verhalten der amerikanischen Umweltbewegung wird vom englischen Journalist Johann Hari stark angeprangert. Der amerikanische Umweltschutz verkaufe sich immer mehr an die großen Konzerne und nenne das „der Machbarkeit folgen“, statt weiter kompromisslos für die Belange der Natur zu kämpfen. Der Artikel „The Wrong kind of green“ ist inzwischen auf der Internetseite von Pro Regenwald auch auf deutsch zu finden:
http://www.pro-regenwald.de/news/2010/03/25/sichtweise_klimaschutz