Klimakonferenz in Kopenhagen

Wenn man sich auf die Ergebnisse beschränken wollte, gäbe es zu COP 15, der Folgekonferenz von Kyoto, nicht viel zu berichten. Der Kopenhagen-Kompromiss des riesigen Klimagipfels vom 7.-18.12.2009, an dem 192 Vertragsstaaten teilnahmen, ist weniger als mager.
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So gibt es keine konkreten CO2-Minderungsziele, deren Erarbeitung wurde ins Folgejahr verschoben (Sommer 2010 in Bonn oder Dezember 2010 in Mexiko). Die von Wissenschaftlern des Weltklimarats empfohlene Begrenzung des Temperaturanstiegs  bis 2100 auf 2 Grad über dem Niveau vor der Industrialisierung wurde lediglich zur Kenntnis genommen. Wie lange die globalen Emissionen noch ansteigen dürfen sollen und ab wann sie zu senken sind, blieb genauso ungeklärt wie die Frage nach dem Vergleichsjahr und –wert für die Reduktionen. Ein kleiner Fortschritt ist lediglich die geplante internationale Kontrolle bezüglich der anzupeilenden Treibhausgas-Reduktionsziele bei finanzieller Unterstützung durch internationale Gelder. Letztendlich hat es also keine Vernunfts- sondern eine Machtentscheidung gegeben. Keiner will zuviel vom großen Kuchen abgeben und die, die erst Krümel haben, wollen eher noch zulegen.

Die geplante Entwicklungshilfe, unter der das Klimageschäft abgewickelt wird, beläuft sich von 2010 bis 2012 auf 30 Milliarden US-$ durch die EU und Japan. Ab 2020 sind 100 Milliarden jährlich im Gespräch, allerdings noch nicht zugesagt, dann aber unter Einbeziehung der USA. Diese Verknüpfung von Entwicklungshilfe und Klimafrage wird von den Ländern des Südens als Skandal angesehen, weil die Verantwortlichkeiten sich so geradezu verkehren.

Die großen Schwellenländer China, Indien, Brasilien und Südafrika waren kurz vor Schluss des Treffens so erbost, dass sie beinahe aus den Verhandlungen ausgestiegen wären. Sie warfen den Industriestaaten Mauschelei vor und fühlten sich in ihren Anliegen übergangen. Letztendlich sagte Brasilien im Laufe der Konferenz jedoch zu, die ehrgeizigen Ziele für Klimaschutz durch Politikmaßnahmen als nationale Gesetze zu formulieren. Präsident Lula fühlte sich durch das Gefeilsche um Prozente bei Emissionsverminderungen und Klimahilfen für die Armen an Verhandlungen mit Wirtschaftsbossen aus seiner Zeit als Gewerkschaftsführer erinnert.

Der von Kopenhagen vorliegende Text trifft auch Aussagen zum Waldschutz: Ab sofort kann ein internationaler Mechanismus eingerichtet werden, der die Finanzierung von Waldschutzmaßnahmen regelt. Die vorgesehenen Gelder können sofort fließen, da das Plenum den Text „zur Kenntnis genommen hat“. Damit kann eines der wichtigsten Projekte zum Schutz der Regenwälder anlaufen. Seine genaue Ausgestaltung ruft allerdings in Brasilien auch die Kritiker auf den Plan(s.u.).
Das sind jedoch nur winzige Lichtblicke, denn es liegt weder ein rechtsverbindlicher Vertrag vor noch eine weitreichende politische Erklärung, - viel Arbeit wurde in die Zukunft vertagt.

Original: UNFCCC: COP 15/CMP 5 Offizielle Seite der UN-Klimarahmenkonvention zur Konferenz, mit Möglichkeit zum Download des "Copenhagen Accord" (englisch)

Die Brasilianische Delegation war unter Leitung von Präsidialamtschefin Dilma Roussef mit großen Angeboten nach Kopenhagen gereist. Der Treibhausgas-Ausstoß bis 2020 solle um 36 bis 39 Prozent stärker reduziert werden als bislang vorgesehen. Gegenüber dem schon vergleichsweise niedrigeren Stand von 2007 schrumpfen diese Zahlen auf 20% zusammen. Erreicht werden sollen sie vor allem durch eine weitere Verringerung der Regenwald-Abholzung (vier Fünftel bis 2020). Brasilien wolle dadurch den Ausstoß von bis zu gut einer Milliarde Tonnen Kohlendioxid vermeiden.

Damit nahm die brasilianische Regierung geschickt eine Vorreiterrolle auf der Klimaverhandlungsbühne ein, die von den Amazonasnachbarstaaten nicht in diesem Ausmaß mitgetragen wurde. Lula hatte die südamerikanischen Staatschefs zur Abstimmung nach Manaus eingeladen, außer Frankreichs Präsident Sarkozy als Vertreter von Französisch-Guyana jedoch keine namhaften Politiker zum Mitmachen bewegen können.

Es kommt immer auf den Blickwinkel an: Brasilien ist aufgrund der Rodung von Tropenwald für Landwirtschaft und Viehzucht der weltweit fünftgrößte Verursacher klimaschädlicher Treibhausgase. Die Abholzung wird für rund 60% der Treibhausgasemissionen in Brasilien verantwortlich gemacht. Andererseits lobt Germanwatch Brasilien als vorbildlich in seinen Klimaschutzzielen, es habe sogar die bisherigen ökologischen Vorreiter in Europa überflügelt.

Es ist allerdings die Frage, ob die brasilianische Regierung tatsächlich auf einmal ihr Herz für die Umwelt entdeckt hat. Stattdessen hat sie in den Klimaverhandlungen und dem Amazonasschutz wohl eher ein gutes Geschäft gewittert, denn Lula kann taktisch klug Dinge als Klimapolitik verkaufen, die er sowieso machen will: Mehr Wasserkraft, mehr Agrosprit, mehr Aufforstungen. Brasilien hat die günstige Sonderrolle, dass es Emissionen einsparen kann, ohne beim Wachstum von Industrie und Landwirtschaft Abstriche machen zu müssen. Bei der Umsetzung der „Umweltmaßnahmen Lulas“ sollte man allerdings genauer hinschauen.

Umstritten ist vor allem ein marktorientiertes UN-Instrument zum Regenwaldschutz durch Klimakompensation: REDD (Reducing Emissions from Deforestation and Forest Degradation = eine Finanzierungsmaßnahme zur Reduktion von Emissionen, die durch  Waldvernichtung entstehen). Positiv gesehen wird die Maßnahme von Eigentümern großer landwirtschaftlicher Betriebe, verschiedenen großen Umweltverbänden und dem brasilianischen Umwelt-ministerium. Andere Umweltschützer und Waldbewohner, die den Wald und ihre Nutzungsrechte durch das Instrument nicht ausreichend geschützt sehen, sind Gegner der REDD.

In einem offenen Brief aus Belém positionierte sich Anfang Oktober eine große Gruppe von 48 Umweltorganisationen aus Amazonien (FASE, FAOR, Forum Carajas, MST, MAB u.a.), die REDD ablehnen und ihre Regierung auffordern, nicht in den Kohlenstoffemissionshandel mit den nördlichen Ländern einzuwilligen. Sie stellen in Frage, ob der Markt als regulierendes Instrument zum Umwelterhalt dienen kann. Der weltweite CO2-Handel drohe, eine neue Investitionsmöglichkeit des Kapitalismus zu werden und damit die Möglichkeit zu bieten, aus falschem Produktions- und Konsumverhalten Kapital zu schlagen. REDD mache keinen Unterschied zwischen Primärwald und Plantagenmonokultur. Damit würden ehemalige Waldzerstörer zu Profiteuren.

Außerdem verlange das Modell von den Industrieländern nicht, ihren umweltzerstörenden Lebensstil zu ändern, sondern ermögliche es ihnen, sich sozusagen von Verpflichtungen gegenüber der Weltgemeinschaft frei zu kaufen. Die Organisationen plädierten für ein neues Produktions-, Verteilungs- und Konsummodell, das auf ökologischer Landwirtschaft aufbaue, einen gemeinwesenorientierten ökonomischen Ansatz vertrete und über einen diversifizierten und dezentralisierten Energiemix die Ernährungssicherheit und – hoheit gewähre. Um die Abholzungsprobleme in Amazonien in den Griff zu kriegen, müsse die Landbesitzfrage geklärt werden, unterstrichen sie mit Nachdruck, denn dies sei die Ursache der sozioökologischen Konflikte in Amazonien. Anstelle von Monokultur und Agrobusiness zum Export natürlicher Ressourcen müsse nach einer Landreform die traditionelle Lebens- und Wirtschaftsweise der „Waldvölker“ und das den Gemeinschaften zustehende Land anerkannt werden.

Auf der Klimakonferenz wurde jedoch REDD als internationales Waldschutzprogramm weiterverfolgt. Als Anschubfinanzierung für REDD haben Australien, Frankreich, Japan, Norwegen, England und die USA in Kopenhagen 3,5 Mrd. US-$ zur Verfügung gestellt. Die geschätzten Kosten für das Projekt belaufen sich von 2010-2015 jedoch auf 15-25 Mrd. US-$ (für unterstellte 25%ige Umsetzung der REDD) und weitere 7-14 Mrd. US-$ bis 2020 (für unterstellte 50%ige Umsetzung). Andere Schätzungen liegen noch weit darüber.
Besonders kritisch hatte sich der REDD­Textentwurf während des Kopenhagengipfels entwickelt. Während der Verhandlungen wurden die festen Ziele zur Entwaldungsverringe¬rung aus der Textvorlage entfernt. Wenn selektiver Holzeinschlag in Primärwäldern und alten gewachsenen Wäldern und nachfolgend Plantagenwirtschaft im Kampf gegen Klimaveränderungen erlaubt werden sollten, würde das der Forstindustrie einen großen Anreiz zur Umwandlung von Regenwaldgebieten in Monokulturen mit z.B. Eukalyptus oder Ölpalme bieten. Darüber hinaus würden indigene Völker von ihrem Land verdrängt. Auch die Kontrolle der geforderten Standards in den verschiedenen Ländern stellt noch ein ungelöstes Problem dar.

In der weiteren Ausführung sind noch viele Einzelfragen zu klären, um das Instrument REDD vor Missbrauch und die „Waldvölker“ u.a. Amazoniens vor neuer Fremdbestimmung zu schützen.