Internationale Advocacy Netzwerke (IAN): Diskussionspapier zum Parlamentarischen Frühstück zu Feministischer Entwicklungspolitik

Mit deutscher feministischer Entwicklungspolitik weltweit zur Stärkung der Rechte von Frauen, anderen unter Genderaspekten marginalisierten Gruppen und Geschlechtergerechtigkeit beitragen. Beispiele aus 13 Ländern und Handlungsempfehlungen.
| von Uta Grunert
Internationale Advocacy Netzwerke (IAN): Diskussionspapier zum Parlamentarischen Frühstück zu Feministischer Entwicklungspolitik

Kurz nach der Veröffentlichung der Strategie einer 'Feministischen Entwicklungspolitik' durch Außenministerin Annalena Baerbock und Svenja Schulze fand am 03.03.2023 in Berlin das Parlamentarische Frühstück zum Thema 'Feministische Entwicklungspolitik' unter Schirmherrschaft von MdB Deborah Düring (Bündnis 90/Grüne) statt. Gäste aus dem Tschad und Indonesien sowie eine Videobotschaft aus Kolumbien sensibilisierten die Teilnehmenden für den jeweiligen Blick auf das Thema aus Perspektive verschiedener Länder des globalen Südens.

Die Internationale Advocacy Netzwerke IAN haben im Vorfeld ein Papier zum Thema erarbeitet, das Handlungsempfeh-lungen und Beispiele aus 13 Ländern zusammenstellt.

Zur Vertiefung: Feministische Entwicklungspolitik in Brasilien

Brasilien hat eine sehr aktive feministische Bewegung, die sich einem intersektionellen Feminismus verpflichtet fühlt und Geschlechtergerechtigkeit genauso auf ihre Fahnen schreibt wie Antirassismus und die Bekämpfung von Ungleichheit auf Basis von kolonialen und kapitalistisch begründeten Vormachtstellungen. Plurinationale Vielfalt hat in der feministischen Bewegung Brasiliens durch indigene und afrobrasilianische Vertreter*innen eine lange und laute Tradition. Vereint hat sie der Kampf für mehr Demokratie, soziale Gerechtigkeit, Selbstbestimmung und Teilhabe an politischen Entscheidungen, die ihren Alltag betreffen. So haben nach der Ermordung der Stadträtin Marielle Franco 2018 viele schwarze Frauen und LGBTQI+-Personen den Weg in die Politik eingeschlagen, um das Erbe Marielles fortzusetzen. 2023 wird die neu gewählte Regierung unter Präsident Lula ihr Amt antreten und auch indigene feministische Ansprechpartner*innen einbinden, die sich mit ihrer Perspektive für eine emanzipatorische Politik einsetzen. Deutschland sollte dieses Potenzial nutzen und gezielt den Dialog und die Zusammenarbeit herstellen.

Deutschland hat sich zu einer feministischen Außen- und Entwicklungspolitik verpflichtet. Diese Neudefinition wird von der brasilianischen Zivilgesellschaft und insbesondere von der feministischen Bewegung sehr begrüßt.

Der Feminismus sollte jedoch nicht als "Exportartikel des Nordens" betrachtet werden. Konkret sollte sich eine feministische Entwicklungspolitik an den Lebensrealitäten und Ideen der betroffenen Frauen und Basisgruppen orientieren, d.h. die Akteurinnen aus dem so genannten Globalen Süden, insbesondere die feministische Bewegung und Frauenorganisationen aus marginalisierten Gruppen, sollten eine entscheidende Rolle bei der strategischen Planung einer feministischen EZ spielen. In der brasilianischen Gesellschaft gibt es zahlreiche gute feministische Praktiken, die in diesem Prozess berücksichtigt werden sollten.

Brasilien und Deutschland könnten Pionierländer bei der Umsetzung des Konzepts einer feministischen Außen- und Entwicklungspolitik werden. Außerdem sollte hierbei das Konzept einer „just economic transition“ Berücksichtigung finden.

 Aktionsvorschläge für die deutsch-brasilianische Entwicklungszusammenarbeit:

  • einen Dialogprozess zwischen der deutschen Regierung und der brasilianischen Frauenbewegung in ihrer Gesamtheit einleiten, um eine feministische Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Brasilien zu realisieren;
  • Bestehende und geplante Programme der technischen und finanziellen Zusammenarbeit anhand der Kriterien einer feministischen Entwicklungszusammenarbeit planen, überprüfen und bewerten
  • Einrichtung einer jährlichen Konsultation auf Einladung der deutschen Botschaft in Brasilien und der brasilianischen Botschaft in Deutschland zur Überprüfung der Menschenrechtssituation von Frauen, der LGBTQI+-Gemeinschaft und anderen gefährdeten Gruppen;
  • Konzeption und Umsetzung spezifischer Programme zur Förderung des Nord-Süd- und Süd-Süd-Austauschs zwischen verschiedenen feministischen Ansätzen.
  • In allen bilateralen Kooperationsprogrammen ist die Beteiligung der Zivilgesellschaft mit einem Frauenanteil von 50 % in den Programmsteuerungsgremien vorzusehen.