Brasilien-Engagement der Münchener Rück AG in der Kritik

Der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre, bei dem KoBra MItglied ist, hat auch in diesem Jahr wieder Gegenanträge zur Aktionärsversammlung des weltgrößten Rückversicherers Munich RE gestellt - und wieder steht Brasilien thematisch im Zentrum der Kritik.
| von Christian Russau
Brasilien-Engagement der Münchener Rück AG in der Kritik
Der verseuchte Rio Doce. Photo: Christian Russau

KoBra dokumentiert hier den Gegenantrag der Kritischen Aktionäre, wie er auf der Webseite der Munich RE veröffentlicht wurde:

Gegenantrag zu Tagesordnungspunkt 3:

Beschlussfassung über die Entlastung der Mitglieder des Vorstands.
Der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre beantragt, den Mitgliedern des Vorstands die Entlastung zu verweigern.
Begründung:
Der Vorstand der Münchener Rück AG verstößt mit der Rückversicherung für Großstaudämme und Bergwerksprojekte sowie für sportliche Großereignisse wie die Fußballweltmeisterschaft und die Olympischen Spiele gegen UN-Leitprinzipien, gegen die Konventionen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), gegen die Empfehlungen der Weltstaudammkommission sowie gegen die eigenen Corporate-Governance-Richtlinien des Konzerns.
Auf die anhaltenden Menschenrechtsvergehen und Umweltzerstörungen bei den brasilianischen Staudammprojekten Belo Monte am Rio Xingu, Santo Antonio am Rio Madeira und Teles Pires am gleichnamigen Fluss hatten wir den Vorstand bereits mehrfach auf den Hauptversammlungen hingewiesen. Trotz dieser Kenntnisse hat der Vorstand der Munich Re nichts unternommen, um auf seine Geschäftspartner dahingehend einzuwirken, dass die Menschenrechtsverletzungen umgehend abgestellt und die Menschen angemessen entschädigt werden.
Beim Staudamm Belo Monte wurden über 20.000 Menschen zwangsumgesiedelt, viele leben nun in sozial deutlich schlechteren Verhältnissen als zuvor. Trotz vertraglicher Zusicherung hat die Projektbetreiberin Norte Energia bis heute den Großteil der Auflagen, die vor Flutung des Staubeckens hätten abgeschlossen werden müssen, nicht erfüllt bzw. in etlichen Fällen noch nicht einmal damit begonnen. Bei unserer Vorortbegutachtung im März 2016 mussten wir zudem feststellen, dass aufgrund der anhaltenden Regenfälle die Flutung des Damms schneller als geplant fortgeschritten ist. Die Betreiber waren deshalb gezwungen, zur Entlastung des Stausees bei Belo Monte enorme Wassermengen unter Zeitdruck in die Große Flussschleife zu entlassen. Die unterhalb der Staustufe Pimental lebenden Indigenen wurden über diese Maßnahme nicht informiert. Deren staatsanwaltlich aufgenommenen Aussagen zufolge kam das Wasser wie eine Flut, riss Boote, Motoren und Netze mit. Menschen gerieten in Panik, weil sie dachten, der Damm sei gebrochen. Obwohl seit Jahren auf grundsätzliche Umsetzungsmängel der Arbeit von Norte Energia hingewiesen wird, sieht die Munich Re – weiterhin – keine Notwendigkeit, intervenierend einzugreifen.
Am 5. November 2015 brach der Damm Fundão des brasilianischen Minenbetreibers Samarco. Der Unfall kostete 19 Menschen das Leben, machte hunderte Menschen obdachlos und verseuchte den Fluss Rio Doce auf 680 km. Tausende Fischer stehen vor dem wirtschaftlichen Aus, während über eine Million Menschen entlang des Rio Doce ihr Trinkwasser provisorisch aus Tanklastern beziehen müssen. Die von der Munich RE bezifferte Schadenssumme von 156 Mio. € deckt nur einen Bruchteil ab, insgesamt wird von Kosten von 5 Mrd. € (Staatsschätzung) bis zu 20 Mrd. € (Zivilgesellschaftssschätzung) ausgegangen, von denen nur ein Bruchteil durch die Versicherungen abgedeckt ist. Auf die
Gefahren des Dammbruches haben nach Aussagen der brasilianischen Bundesstaatsanwaltschaft Ingenieure bereits vor Jahren hingewiesen, den Hinweisen wurde aber nicht nachgegangen.
Des Weiteren hält der Vorstand – trotz unserer auf den Hauptversammlungen 2014 und 2015 vorgebrachten Kritik an den Rückversicherungen der sportlichen Großevents WM und Olympische Spiele – noch immer an den Geschäftsbeziehungen zu FIFA und IOC fest.
Angesichts der sich massiv mehrenden Presseberichte über sklavereiähnliche Arbeitsverhältnisse auf den Baustellen für die geplante Fußball-WM der Herren in Katar hätte die Munich RE sich schon längst dazu öffentlich äußern und davon explizit distanzieren
müssen und von den Geschäftspartnern und den Subunternehmern ein robustes Bekenntnis für die Einhaltung von arbeitsrechtlichen Mindeststandards sowie ein nachvollziehbares Vorgehen gegen dergleichen Praktiken einfordern müssen. Im vergangenen Jahr wurden in Rio de Janeiro von den Behörden 11 Arbeiter aus
sklavereiähnlichen Arbeitsverhältnissen auf einer von der Munich RE per Rückversicherung gedeckten Baustelle für den künftigen
Olympiapark befreit. Viel zu oft übersieht die Munich RE die Dimensionen derartiger Auswüchse bei den Großprojekten, deren Rückversicherung sie übernommen hat. Menschenrechte sind nicht verhandelbar und sind nicht nur ein Element unter vielen.
Ferner rühmt sich die Munich RE für ihren Klimaschutz-Einsatz, zieht aber nicht den logischen Schluss, klare Ausschlusskriterien für treibhausgas-intensive Unternehmen festzulegen und umzusetzen. Jeremy Oppenheim von McKinsey und dem New Economy
Projekt hat Versicherer und Rückversicherer unlängst aufgefordert, wegen der Klimarisiken Kohleunternehmen nicht mehr abzusichern. Mit ihrer Weigerung, dies zu tun, hinkt die Munich RE hinter anderen Wettbewerbern wie der deutschen Allianz oder der französischen AXA sowie zahlreicher weiterer Finanzinstitute hinterher, die im Klimajahr 2015 konkrete „Divestment“-Schritte in die Wege geleitet haben.
Gegenantrag zu Tagesordnungspunkt 4: Beschlussfassung über die Entlastung der Mitglieder des Aufsichtsrats.
Der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Akti
onäre beantragt, den Mitgliedern des Aufsichtsrats die Entlastung zu verweigern.
Begründung:
„Vorausschauendes und verantwortungsbewusstes Handeln ist
integraler Bestandteil der Konzernstrategie“ für die Munich RE,
so heißt es immer wieder im CSR-Bericht der Münchener Rückversicherungsgesellschaft. Das tatsächliche Handeln der
Munich RE steht dazu im Widerspruch, sei es bei der Rückversicherung von Großstaudammprojekten und Bergbauprojekten oder bei sportlichen Großevents, für
deren Baumaßnahmen all zu oft gegen die ILO-Normen verstoßen wird. Der Aufsichtsrat hat es in der Vergangenheit versäumt, hier einen grundlegenden Kulturwandel im Konzern durchzusetzen. Deswegen muss den Mitgliedern des Aufsichtsrats die Entlastung verweigert werden.