Westerwelle durch Protestbrief gegen Atom-Exportkreditbürgschaft überrascht

<strong>Rio de Janeiro.</strong> Anlässlich eines Empfangs der Aussenhandelskammer AHK Brasil-Alemanha zur Feier ihrer 95-jährigen Existenz im Palácio Laranjeiras wurde am vergangenen Mittwoch der deutsche Aussenminister Guido Westerwelle durch die Übergabe eines Protestbriefes gegen die Bewilligung der deutschen Exportkreditbürgschaft für das Atomkraftwerk Angra im Bundesstaat Rio de Janeiro überrascht. Der Brief liegt KoBra vor.<br />
| von Christian Russau

 

Der Zusammenschluß von brasilianischen Atomgegnern in der Articulação Antinuclear Brasileira wollte die Gelegenheit des Staatsbesuchs nutzen und hatte den Leiter der Heinrich Böll Stiftung in Rio gebeten, die Gelegenheit der persönlichen Begegnung zu nutzen und Westerwelle im Auftrag der Articulacao Antinuclear diesen Brief zu übergeben, zur Erinnerung daran, dass er dieses und die ähnlichen Schreiben von elf brasilianischen Abgeordneten und Senatoren bereits Ende vergangenen Jahres erhalten hatte und noch immer nicht beantwortet hatte. Die Briefe waren im Dezember an die deutsche Bundeskanzlerin, fünf Minister sowie alle Mitglieder von CDU und FDP im Haushaltsausschuss des Bundestages verschickt worden.

In dem Brief werden die Risiken der Atomtechnologie im Allgemeinen wie auch die brisante Situation der Atomenergie in Brasilien dargelegt. Brasilien verfüge über keine unabhängige Kontrolle ihrer Atomanlagen, denn die für die Atomkraftwerke zuständige Behörde kontrolliere sich selbst, so die Atomgegner der Articulação Antinuclear Brasileira und die Abgeordneten. Es fehle nach wie vor die Lösung des Transports und endgültige Lagerung des hochradioaktiven Atommülls. Letzteres war 2008 eigentlich von der brasilianischen Bundesumweltbehörde Ibama eine von 40 Vorbedingungen zum Bau des umstrittenen AKWs Angra 3 gewesen. Bislang sei in dieser Richtung in Brasilien nichts geschehen. Die Briefe erinnernten den deutschen Aussenminister noch einmal daran, dass das "brasilianische Atomprogramm ein Erbe der Militärdiktatur ist". Der deutschen Bundesregierung wird von den Abgeordneten des brasilianischen Kongresses auch vorgeworfen, dass der Atomausstieg im eigenen Lande nicht mit der Bewilligung einer deutschen Exportkreditbürgschaft für Brasilien zusammenpasst. Der Vorsitzende der Fraktion der Partido Verde (PV) im brasilianischen Nationalkongress, Sarney Filho, stellte in seinem Brief "die Frage, was Deutschland bewogen hat, durch eine Hermesbürgschaft den Bau des Atomkraftwerks Angra 3 in Brasilien erneut zu unterstützen. Denn die Kriterien, die zu dieser Entscheidung geführt haben, entsprechen nicht den Kriterien, die Deutschland angelegt hat, als es entschieden hat, sein Atomprogramm zu beenden", so der Brief der elf Abgeordneten.

Beobachter des Vorgangs im Palacio Laranjeiras, der offiziellen Residenz des Gouverneurs von Rio de Janeiro, beschrieben den Gesichtsausdruck des deutschen Aussenministers im Moment der Briefübergabe als nicht hoch erfreut.