Die Entwicklung der Bodenpreise

Gemäß einer Studie des Instituts FNP vom Jahresbeginn nahmen die durchschnittlichen Grundstückspreise in Brasilien im Verlauf des Jahres 2007 inflationsbereinigt um knapp 10 % zu (absolut um knapp 18 % von 3.276 R$ pro ha auf 3.860 R$ pro ha)(1).
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Zuvor waren die Preise seit Mitte 2005 aufgrund der niedrigen Preise für Soja praktisch unverändert geblieben; seither stiegen sie insgesamt um über 35 %(2). Auch die Pachtpreise machen diese Entwicklung mit(3). Das Institut FNP machte zu Jahresbeginn die stabilen Getreidepreise, die Erholung der Viehwirtschaft und die garantierte Nachfrage nach Agrotreibstoffen für den Preisanstieg verantwortlich. Hier reflektiert sich somit direkt der Agrotreibstoffboom.

In seiner neuesten Studie von Mitte Mai 2008 ermittelte das FNP einen Durchschnittswert von 4.135 R$ pro ha Land(4). Damit steigerten sich die Preise in den vergangenen Monaten nominal um weitere gut 7 %, bzw. wiederum um gut 16 % im Vergleich zum Vorjahreszeitraum(5). Der Trend zur Preissteigerung setzt sich also nahezu ungebrochen fort. Das FNP geht von weiteren zwei Jahren der Preissteigerung aus(6).

Die stärksten Preissteigerungen der letzten drei Jahre entfielen auf den Bundesstaat São Paulo. Hier verdoppelten sich in einigen Fällen sogar die Werte – und zwar genau in den Gebieten, in denen die Produktion von Agrotreibstoffen am stärksten expandiert, wie in Araraquara, Piracicaba und Ribeirão Preto(7). Seit Jahresbeginn allerdings verlor das Zuckerrohr an Fahrt. Und so stieg auch der durchschnittliche Grundstückspreis im Bundesstaat São Paulo seit Jahresbeginn nur noch um nominal knapp 2 % (von 11.604 R$/ha auf 11.824 R$/ha).

Zugleich macht sich die Abwanderung der Viehzüchter aus den Anbaugebieten für Agrotreibstoffe in die nördlichen Regionen bemerkbar: Der Norden wartet mit einer durchschnittlichen nominalen Preissteigerung für 2007 um fast ein Viertel auf(8). Hierfür sind auch die Investitionen großer Unternehmen wie BrasilInvest, SLC Agrícola und Brasil Agro verantwortlich. 2007 investierte SLC Agrícola 88 Mio R$ in Landkauf. Die Gruppe ist im Eigentum von 165.000 ha Land im Mittleren Westen und im Norden Brasiliens. BrasilAgro investierte im letzten Jahr 155 Mio R$ in fünf neue Fazendas. Diese Gruppe besitzt knapp 144.000 ha Land, ebenfalls im Mittleren Westen und im Norden. Weitere große Gruppen hatten im Februar 2008 Kaufabsichten und wollten daher keine Auskünfte geben(9).
Überdurchschnittliche Preissteigerungen auf dem Bodenmarkt gab es ebenfalls im Süden Brasiliens; diese sind nach Aussagen des Instituto FNP in erster Linie auf die Ausweitung von Eukalyptusplantagen zurück zu führen, da große Unternehmen wie Votorantim, Aracruz Celulose und Stora Enso große Flächen gekauft haben(10).
Anders als bis Ende 2007, wo die Gewinnaussichten des Zuckerrohrs die Bodenpreise steigen ließen, waren hierfür seit Jahresbeginn in erster Linie die gestiegenen Preise für Soja, Mais und Baumwolle ausschlaggebend. Diese sorgten im Mittleren Westen bereits seit Mai 2007 für einen rapiden Anstieg der Grundstückspreise um 40 %. Auch dies ist auf die Nachfrage durch große, hier häufig ausländische Unternehmen zurück zu führen, die an einem Anbau auf großen Flächen im Cerrado interessiert sind. In einzelnen Gegenden liegen die Preissteigerungen weit über dem Durchschnitt: So stiegen die Landpreise in der Gemeinde Luiz Eduardo Magalhães in West-Bahia, die zur Cerrado-Region gehört, von etwa 4.500 R$ pro ha Anfang 2007 auf 7.000 R$ Anfang 2008.
Infolge der Preissteigerungen der letzten Jahre investieren auch nationale wie sogar internationale Investment Fonds in den brasilianischen Landmarkt. Dies geschieht vor allem in Mato Grosso, West-Bahia, Maranhão, Piauí und Tocantins. So berichtet das Jornal A tarde in seiner Ausgabe vom 07. Mai 2008, dass nordamerikanische Pensionsfonds ein Auge auf 30.000 ha Land entlang des Rio São Francisco geworfen haben(11). Im Westen von Bahia stieg während der letzten zehn Jahre der Anteil der ausländischen Produzenten stark an, auf ca. 15 % der landwirtschaftlich genutzten Fläche(12). Vor allem die für die Bewässerungslandwirtschaft geeignetsten Flächen werden von großen Unternehmen aufgekauft(13).
Es zeigt sich, dass wenige Produkte die Bodenpreise in Brasilien stark beeinflussen, und zudem sind es vor allem wenige, oft internationale Unternehmen, die die Preise bestimmen – was angesichts der Landkonzentration nicht Wunder nimmt. Die Internationalisierung des Bodenmarktes aber zeigt eine neue Dimension im Zusammenhang mit dem fortschreitenden Monokulturisierungsprozess Brasiliens.
Die Produkte, die einen nennenswerten Einfluss auf die Grundstückspreise in Brasilien haben, stehen – mit Ausnahme von Baumwolle und Eukalyptus – in einem Zusammenhang mit Agrotreibstoffen. Zukünftig gilt dies selbst für Eukalyptus. Der Bodenmarkt in Brasilien ist also direkt an die internationalen Energiemärkte gekoppelt – mit allen negativen Auswirkungen auf die Nahrungsmittelsouveränität.
Grundnahrungsmittel können bei den steigenden Bodenpreisen immer weniger konkurrieren. Ohnehin ist in den letzten 17 Jahren die Produktion von Bohnen um 12 %, die von Reis sogar um 25 % gesunken(14). Dies entspricht einem jährlichen durchschnittlichen Rückgang von ca. 55.000 ha bei Bohnen und ca. 73.000 ha bei Reis. Im Jahr 2007 jedoch sank die Anbaufläche wesentlich stärker: Bohnen wurden landesweit auf 261.000 ha weniger angebaut als im Vorjahr, Reis auf 340.000 ha weniger(15). Am stärksten war der Rückgang des Reis- und Bohnenanbaus in den Munizipien, in denen die stärkste Ausweitung des Zuckerrohranbaus stattgefunden hat(16). Hier bestätigt sich die unmittelbare Wirkung der Agrotreibstoffe auf den Anbau von Grundnahrungsmitteln. Zusammen mit den gestiegenen Bodenpreisen wirkt der Rückgang auf die Preise: Bohnen werden v.a. intern gehandelt, und sie wurden im Jahr 2007 um 150-220 % teurer(17).
Auch die Agrarreform leidet stark unter der Entwicklung auf dem Bodenmarkt: Bei steigenden Grundstückspreisen stagniert das Budget des Ministeriums für Agrarentwicklung (siehe auch Bericht zu Ernährungssicherung von Februar 2008). Das Ministerium aber ist darauf angewiesen, Fazendeiros bei Enteignungen auszuzahlen. Durch die gestiegenen Bodenpreise hat sich somit der Handlungsspielraum für die Agrarreform erheblich eingeschränkt. Als weiterer Faktor kommt hinzu, dass immer weniger Flächen dem Kriterium „unproduktiv“ genügen und insofern der Agrarreform für Enteignungen zur Verfügung stehen (siehe auch Bericht zu Ernährungssicherung von Februar 2008).

1. Preços da terra quebram recorde no país, Folha de São Paulo, 10. Februar 2008.
2. Preise für Ackerland in Brasilien auf Höchststand, AFP, 21. Mai 2008.
3. Impactos econômicos, sociais e ambientais devido á expansão da oferta do etanol no Brasil, Horácio Martins de Carvalho, 10. Juli 2007.
4. Preise für Ackerland in Brasilien auf Höchststand, AFP, 21. Mai 2008.
5. Ebd.
6. Grãos em alta valorizam terras agrícolas em 18 %, www.agrolink.com.br, 21. Januar 2008.
7. Preços da terra quebram recorde no país, Folha de São Paulo, 10. Februar 2008. Es handelt sich um die Regionen Araraquara, Bauru, Pracicaba, Ribeirão Preto und Pirassununga.
8. Grãos em alta valorizam terras agrícolas em 18 %, www.agrolink.com.br, 21. Januar 2008.
9. Empresas com “lastro” em terra vão á Bolsa de Valores, Folha de São Paulo, Dinheiro, 10. Februar 2008.
10. Grãos em alta valorizam terras agrícolas em 18 %, www.agrolink.com.br, 21. Januar 2008.
11. Efeito Condolezza, Jornal A tarde, 07. Mai 2008.
12. Transposição das aguas do Rio São Francisco: preocupação com a população local, oportunidade para o agronegócio ou especulação política e imobliária?,Jornal Diário, 23. April 2008.
13. Ebd.
14. Nach Angaben des Ministério de Agricultura, Abastecimento e Pecuária ging in Brasilien die Anbaufläche für Bohnen von 1990 bis 2007 von 4.680.000 ha auf 3.748.000 ha zurück, die von Reis von 4.233.000 ha auf 2.997.000 ha.
15. Daten des IGBE, nach Offener Brief der Hilfswerke und NGOs an Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel, 9. Mai 2008.
16. Offener Brief der Hilfswerke und NGOs an Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel, 9. Mai 2008.
17. Ibidem