Deutsch-brasilianisches Abkommen zu erneuerbaren Energien

Bei ihrer Lateinamerika-Reise unterzeichnete Angela Merkel am 14. Mai gemeinsam mit Lula ein Abkommen zu erneuerbaren Energien.
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Dem Abkommen zufolge soll eine Arbeitsgruppe eingerichtet werden, die die Aussichten für zusätzliche Agroenergie-Exporte ermitteln und Regeln für den Anbau der Pflanzen erarbeiten soll. Damit prescht die deutsche Regierung gegenüber den Diskussionen innerhalb der EU vor. Derzeit werden auch innerhalb des EU-Parlaments die Stimmen für ein Moratorium für Agrosprit lauter und zahlreicher. Auch bei bundesrepublikanischen PolitikerInnen wachsen die Bedenken gegenüber Agrotreibstoffen. So bekräftigte Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul Mitte Mai ihre Forderung nach einem Importmoratorium für Agrotreibstoffe, so lange keine klaren Kriterien definiert seien. Auch Renate Künast sprach sich jüngst für ein Moratorium aus. Die UN forderte Europa und die USA Anfang Mai auf, angesichts der hohen Lebensmittelpreise die Produktion von Biosprit einzuschränken.

Die in dem deutsch-brasilianischen Regierungsabkommen vereinbarte Arbeitsgruppe soll schnell ihre Arbeit aufnehmen, um zügig Regelungen für Importe brasilianischer Agrotreibstoffe nach Deutschland zu schaffen. Offensichtlich will die Bundesregierung Fakten schaffen. Von deutscher Seite aus scheint ein vom BMELV (Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz) im letzten Jahr in Auftrag gegebenes Zertifizierungssystem der Kölner Consultingfirma méo Grundlage für die Erarbeitung der Regelungen zu bilden: Die Tageszeitung Neues Deutschland hatte im Februar vermeldet, das Zertifizierungssystem von méo solle in einer zweijährigen Pilotphase ausprobiert werden, in die neben Argentinien, Indonesien und Malaysia auch Brasilien eingebunden sei (1). Dieses Zertifizierungsmodell weist erhebliche Schwachstellen auf. Soziale Kriterien bezieht es höchst unzureichend ein, und auch eine schlechte Klimabilanz eines Ausgangsstoffes führt nicht zum Ausschluss. Alles deutet darauf hin, dass eine schnelle Ausweitung des Handels mit Agrotreibstoffen die treibende Kraft hinter der Entwicklung des Zertifizierungssystems ist. Dies geht zu Lasten der Kriterien (zur Kritik im Einzelnen siehe Bericht Ernährungssicherung von Mai 2007).

Dementsprechend lässt die Arbeitsgruppe nichts Gutes erwarten. Schließlich ist die brasilianische Regierung gegen eine Einführung von Sozialstandards bei Agrotreibstoffen und setzt sich bspw. auch gegenüber der EU dafür ein, dass das Verbot von Sklavenarbeit nicht in den Katalog der Nachhaltigkeitskriterien aufgenommen wird (2). Dennoch ließ sich Bundesumweltminister Sigmar Gabriel bei seiner Reise zur Vorbereitung des Abkommens Ende April gern davon überzeugen, dass die brasilianische Regierung bereits nachprüfbare Nachhaltigkeitskriterien für die Biomasseproduktion habe. Hieran ließ ihn auch harte Kritik von Seiten der CPT und weiterer sozialer Bewegungen nicht zweifeln.
Mitfühlender hatte sich Gabriel Anfang April gegenüber den AutofahrerInnen in Deutschland gezeigt: Nach Intervention des ADAC nahm er eine geplante höhere Beimischung von Agrosprit zum Benzin in Deutschland zurück, da ältere Autos diese nicht vertragen.
Ungeachtet des neuen Abkommens ließ man es bleiben, das Atomenergieabkommen zu kündigen. Die brasilianische Regierung hatte kurz zuvor einen neuen Kernenergieplan beschlossen, innerhalb dessen u.a. auch der Atommeiler Angra 3 fertig gestellt werden soll. Die Arbeiten daran sollen noch in diesem Jahr wieder aufgenommen werden. Deutschland erklärte sich zur Unterstützung bereit. Für Angra 3 hatte Siemens bereits in der Vergangenheit die Bauteile geliefert, so dass die Fortführung des Abkommens vor allem für Siemens von Interesse sein dürfte.

1.  Internationale Pilotphase für nachhaltig produzierte Biokraftstoffe und Biomasse startet., Neues Deutschland, 08. Februar 2008,
2.  Zitat Roberto Malvezzi nach Bärbel Höhn in der Fragestunde des Bundestages am 07. Mai 2008, Protokoll der Fragestunde.