„Wir verurteilen die anhaltenden Bedrohungen im Amazonasgebiet durch das Vordringen der Agrarindustrie, den Raubbau, den Holzeinschlag und den illegalen Bergbau, die die Unversehrtheit des Waldes und das Wohlergehen der von ihm abhängigen Völker gefährden“

Gestern haben mehr als 70 Organisationen – Soziale Bewegungen, Basisorganisationen, kirchliche und kirchennahe Organisationen – einen Offenen Brief an die ganze Gesellschaft des nordbrasilianischen-amazonischen Bundesstaates Pará veröffentlicht und prangern scharf die Bedrohungen Amazoniens durch den Vormarsch des Agrobusiness, des legalen wie illegalen Bergbaus und der Holzwirtschaft an.
Das Dokument [hier das Originaldokument auf Portugiesisch] ist das Ergebnis eines am 14. und 15. Mai dieses Jahres am Sitz der Brasilianischen Bischofskonferenz CNBB Regional Nord 2 in Belém veranstalteten Seminars zur Verteidigung der integralen Ökologie und gegen Agrargifte. Dies berichtet die CPT auf ihrer Internetseite. Während des Seminars stellte die kirchliche Fachstelle für Landfragen CPT Pará die Veröffentlichung der Daten aus der Broschüre „Konflikte auf dem Lande 2024“ vor (hier das Originaldokument auf Portugiesisch], wobei der Schwerpunkt diesmal auf dem Amazonasgebiet und Pará lag: Pará ist der Bundesstaat, der bei der Anzahl der Konflikte auf dem Lande (314 Konflikte in 2024) landesweit auf Platz 2 und bei den Konflikten um Wasser mit 65 Vorfällen auf Platz 1 lag.
In dem Offenen Brief prangern die sozialen und kirchlichen Bewegungen nicht nur das Vorgehen an, das die Unversehrtheit des Waldes und das Wohlergehen der von ihm abhängigen Völker gefährden, sondern schlagen auch Wege zu einem Guten Leben vor, mit Lebensweisen, die im Einklang mit dem Wald stehen, wie die Agrarökologie, die Agrarreform und die Autonomie der Völker bei der Erstellung von Gemeinschaftsprotokollen für Konsultationen und die vorherige, freie und informierte Zustimmung (FPIC) als Grundvoraussetzung für die Garantierung der Rechte der traditionellen Völker und Gemeinschaften. „In dem Bundesstaat, in dem im November dieses Jahres die 30. Konferenz der Vertragsparteien des Rahmenübereinkommens der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (COP30) stattfinden wird, ist es verwerflich, dass Parlamentarier aus Pará, die vorgeben, Vertreter:innen des Volkes zu sein, für Projekte stimmen, die dem Schutz des Planeten zuwiderlaufen“, so eine der zentralen Kritiken des Offenen Briefes.
Hier dokumentieren wir die deutschsprachige Übersetzung des Offenen Briefs:
Offener Brief der sozialen Bewegungen, Basisorganisationen, kirchlichen und kirchennahen Organisationen an die ganze Gesellschaft des Bundesstaates Pará
Wir, die Teilnehmenden des Seminars zur Verteidigung der Integralen Ökologie und gegen Agrargifte, haben uns am 14. und 15. Mai in Belém versammelt, um Strategien zur Stärkung und Unterstützung von Land-, Wasser- und Waldgemeinschaften in ihrem Kampf für die Garantierung ihrer Territorialrechte und für bessere Lebensbedingungen zu diskutieren. Wir haben gemeinsam über die Notwendigkeit reflektiert, die Menschen zu sensibilisieren und zu mobilisieren, um ihre Rechte einzufordern und um nachhaltige Alternativen zu schaffen. Wir verurteilen die anhaltenden Bedrohungen im Amazonasgebiet durch das Vordringen der Agrarindustrie, den Raubbau, den Holzeinschlag und den illegalen Bergbau, die die Unversehrtheit des Waldes und das Wohlergehen der von ihm abhängigen Völker gefährden.
Ökologisches Bewusstsein und ein tieferes Verständnis des Paradigmas einer integralen Ökologie sind unerlässlich, um das Wohlergehen der amazonischen Völker mit ihrem angestammten Wissen und ihren Kosmovisionen anzuerkennen und Lebensweisen zu stärken, die in Harmonie mit dem Wald, der Heimat und Quelle des Lebens einhergehen.
Der Bericht zu Landkonflikten 2024, den die CPT während des Seminars veröffentlichte, liefert uns ein brutales Abbild der landwirtschaftlichen Realität Brasiliens. Einmal mehr wurden Fälle von Landinvasion, Landraub, Verseuchung durch Bergbaureste und Agrargifte, Fälle von Sklavenarbeit und andere Rechtsverletzungen aufgedeckt, die die Probleme der traditionellen Völker und Gemeinschaften schonungslos offenlegen. Die Berichte der auf dem Seminar anwesenden Vertreter:innen der lokalen und traditionellen Gemeinschaften zeigen auch, dass es immer wieder zu schweren Fällen von Verseuchung durch Agrarchemikalien kommt, sei es durch Sprühen vom Boden oder aus der Luft, die das Leben der Gemeinschaften beeinträchtigen. Diese Gewalt beschränkt sich nicht nur auf die Menschen, sondern beeinträchtigt auch die Umwelt und die Nahrungsmittelproduktion, gefährdet die sozio-biologische Vielfalt und stellt dergestalt einen schweren Ökozid dar.
Pará steht landesweit an zweiter Stelle bei der Zahl der Konflikte auf dem Land (314 Konflikte im Jahr 2024), was einem Anstieg von 32 Prozent im Vergleich zu 2023 (237 Vorfälle) entspricht. Der Bundesstaat Pará steht auch an erster Stelle bei Konflikten um Wasser (65 Konflikte im Jahr 2024), von denen (06 Konflikte im Jahr 2024) Situationen mit Verunreinigungen durch Agrarchemikalien waren, von denen 438 Familien in verschiedenen Gemeinden des Bundesstaates betroffen sind, mit einer wachsenden Präsenz in Regionen wie Marajó (Chaves), Baixo Amazonas (Mojuí dos Campos und Santarém) und Nordost-Pará (Tailândia und Tomé-Açu).
Bei der Präsentation der Analysen und der Anhörung der anwesenden Verantwortlichen wurde deutlich, dass die Gewalt und die Bedrohungen unter den Augen des Staates fortbestehen, dessen Untätigkeit gegenüber den Konflikten sich darin äußert, dass er die Opfer zum Schweigen bringt und manchmal stillschweigend den Interessen der mächtigen Sektoren zustimmt und die Lösung von Streitigkeiten, die Anwendung des Rechts und den Schutz der Gebiete und ihrer Verantwortlichen verzögert. Durch Unterlassung, Duldung und staatliche Beteiligung wird der Kreislauf der Straflosigkeit aufrechterhalten.
Wir verurteilen das gewaltsame Vorgehen des Staates bei der Nichteinhaltung der Protokolle über die vorherige, freie und informierte Konsultation, die durch das ILO-Übereinkommen Nr. 169 garantiert wird. Mit diesem Verhalten setzt der Staat die Verstöße gegen die Völker und ihre Territorien fort. Die jüngsten Pläne der Regierung von Pará zur Bioökonomie und REDD+ zeigen in ihrem Inhalt das fehlende Engagement für so ernste und dringende Probleme wie die systematische Vergiftung von Fauna, Flora und traditionellen Völkern und Gemeinschaften, die von der Agrarindustrie Parás gefördert wird. Kontrovers und sogar spöttisch ist die Tatsache, dass einer der größten Agrarchemiekonzerne der Welt, Bayer, einer der Partner der Leaf Coalition ist, einer Gruppe von Ländern und Unternehmen, die mit der Regierung von Pará über den Kauf von Kohlenstoffgutschriften für Wälder in Pará verhandelt.
Die Sicherheit der Indigenen Völker umfasst die rechtssichere Abgrenzung ihrer Territorien, aber das ist noch nicht Alles: Es ist notwendig, ihre Verteidigung gegen Bedrohungen durch Invasion und gegen ihr Leben zu fördern, sicherzustellen und dieses zu garantieren. Die gleiche Perspektive gilt für Quilombola-Territorien, für die Flussufergemeinschaften, für die von den Meeresgezeiten abhängigen Gebieten und für Siedlungen, denn wir wissen, dass das Leben in den Wäldern ohne die Beziehung und harmonische Koexistenz mit dem Wissen der Vorfahren und der Agrarökologie nicht möglich ist. Wir wissen, dass der Planet ohne uns leben kann, aber wir können nicht ohne ihn leben!
In dem Bundesstaat, in dem im November dieses Jahres die 30. Konferenz der Vertragsparteien des Rahmenübereinkommens der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (COP30) stattfinden wird, ist es verwerflich, dass Parlamentarier aus Pará, die vorgeben, Vertreter:innen des Volkes zu sein, für Projekte stimmen, die dem Schutz des Planeten zuwiderlaufen. Das Gesetz 14.701/23 über die Stichtagsregelung Marco Temporal und die Verabschiedung des Gesetzentwurfs 2.159/2021 über das allgemeine Umweltgenehmigungsgesetz zeigen den Rückschritt und die Missachtung der Völker und des Lebens in unserem „gemeinsamen Haus“.
Vor dem Hintergrund dieser Menschenrechtsverletzungen bekräftigen wir unsere Aktionen zur Stärkung des Kampfes für territoriale Rechte, für Agrarökologie, gegen Sklavenarbeit, gegen Umweltverschmutzung und das Versprühen von Gift am Boden und in der Luft, das die Gebiete verseucht. Wir fordern, dass der Staat dringend Maßnahmen zum Schutz der Wälder, Gewässer, Territorien und der dort lebenden Menschen ergreift:
– Dass der Staat die Empfehlung der Bundesstaatsanwaltschaft MPF an die öffentlichen Einrichtungen in Pará sorgfältig prüft, um dringend Maßnahmen zu ergreifen, die darauf abzielen, das Versprühen von Agrargiften am Boden zu regulieren, sowie Maßnahmen zu entwickeln, um die Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt zu verhindern und zu behandeln.
– Die vom Versprühen von Pestiziden betroffene Bevölkerung soll in die Beratungen über entsprechende Gesetzesentwürfe in der Gesetzgebenden Versammlung des Bundesstaates Pará (ALEPA) einbezogen werden.
– Die Agrarreform muss gestärkt und vom Staat priorisiert werden, wobei die öffentlichen Ländereien auf Bundes- und Landesebene gemäß den in der Bundesverfassung festgelegten Parametern verteilt werden müssen. INTERPA und INCRA müssen größere Anstrengungen unternehmen, um die Forderungen der Gemeinden und Territorien zu beschleunigen.
– Dass die Autonomie der Völker bei der Erstellung von Gemeinschaftsprotokollen für Konsultation und vorherige, freie und informierte Zustimmung respektiert wird. Sie sind Instrumente zur Gewährleistung der territorialen Rechte und der Selbstbestimmung im Kampf gegen die Gewalt und die Drohungen der großen „Entwicklungs“-Projekte.
Wir verpflichten uns, den Weg fortzusetzen und den Kampf, den Widerstand und die Verteidigung der Territorien im Namen aller Lebensformen zu unterstützen, um eine gerechtere und solidarischere Gesellschaft aufzubauen.
Belém, 3. Juni 2025.
Unterzeichnung dieses Offenen Briefes:
Alliance for Rural Democracy
AMACarauari, Alter do Chão, Santarém
Amigos Voluntários do Pará (AVP)
Arte Pela vida
Articulação da Pastoral da Ecologia Integral do Brasil
Articulação das CPTs da Amazônia
ASFEPAM
Associação Amigos da Natureza – AAMINA
Associação Comunitária Remanescente de Quilombo de Açaizal
ADEMA Associação da Pessoa com Deficiência do Município de ABAETETUBA/Pará
ASPARMUB (Associação das Parteiras Tradicionais do Município de Breves – Marajó/Pará)
Associação dos Produtores e Pescadores Agroextrativistas do Baixo Rio Jacundá (ASPABRI)
Associação de Mulheres Trabalhadoras Rurais do PDS BRASILIA
Associação de Mulheres Agricultoras Familiares de Mojui dos Campos Flores do Campo
Associação Indígena Tembé do Vale do Acará (AITVA)
Associação Religiosa Afro-cultural Irmandade São Benedito de Ananindeua
Associação Quilombola de São Manoel Jambuaçu-Moju
Campanha Permanente Contra os Agrotóxicos e Pela Vida
Cáritas Brasileira Regional Norte II
Centro Alternativo de Cultura/Rede de Promoção de Justiça Socioambiental dos Jesuítas do Brasil
Centro Ecumênico de Estudos Bíblicos (CEBI) – Pará
Chalé da Paz
CJP Breves
CMP
Coletivo Unidade
Comissão Pastoral da Terra (CPT) Regional Maranhão
Comissão Pastoral da Terra (CPT) Regional Pará
CPT Anapu/PA
CPT Guajarina/PA
CPT Marabá/PA
CPT Xinguara/PA
Comitê Dorothy
Comitê Quilombola de Santa Rita e itapecuru-Mirim / MA
Comunidades Eclesiais de Base (CEBs) – Regional Norte 2 CNBB
Conselho Indigenista Missionário – Cimi
CPP Santarém
Coordenação das dez Associações Quilombolas do Território do Jambuaçu / Moju PA
Escola Casa Familiar Rural Hernane Oliveira Franco
Esf Maracajá
Espaço Gaia Alter do Chão
Federação de Órgãos para Assistência Social e Educacional (FASE)
Fórum Gaúcho Contra os Impactos dos Agrotóxicos
Instituto Amazônico de Agriculturas Familiares (INEAF/UFPA)
Instituto Patauá
Irmãs de Notre Dame de Namur – Brasil
Movimento dos Atingidos por Barragens (MAB)
Movimento dos Pequenos Agricultores (MPA)
Movimento dos Pescadores e Pescadoras Artesanais (MPPA)
Movimento Fora Lixão de Marituba
Movimento pela Soberania Popular na Mineração (MAM) – Núcleo de Base Raízes do Baixo Amazonas e Tapajós
Movimento pelo Direito ao Uso da Água
No Recursos (Our Resources)
Organização das Associações da Reserva Extrativista Tapajós Arapiuns – TAPAJOARA
Organização Religiosa Santas Missões Populares
Paróquia Santa Cruz
Paróquia Santuário Nossa Senhora do Perpétuo Socorro
Pastoral Carcerária – Breves/Marajó
Pastoral da AIDS
Pastoral da Criança
Pastoral da Juventude
Recanto de Aruanda Tenda de Rompe Mato e Jarina
Rede Agroecologia
Rede de Mulheres Ambientalistas da América Latina-Elo Brasil
Rede Eclesial Pan Amazônica (REPAM)
Sindicato dos Agentes Comunitários de Saúde e Agentes de Combate as Endemias de Marabá e Sudeste do Pará (Sindacaesp)
Sindicato das Trabalhadoras e dos Trabalhadores em Educação Pública do Estado do Pará (SINTEPP) – Subsede de Breves
Sindicato dos Trabalhadores Rurais Agricultores(as) Familiares de Mojuí dos Campos
Sindicato de Trab. Rurais Agricultores e Agricultoras Familiares de Santarém (STTR)
STTR Belterra
Tapajós de Fato
Universidade Federal do Pará
// Übersetzung: Christian Russau