Weitere Flexibilisierung von Agrarchemikalien droht in Brasilien

NGOs mobilisieren gegen drohende Abstimmung im brasilianischen Senat über das sogenannte Giftpaket.
| von Christian.russau@fdcl.org
Weitere Flexibilisierung von Agrarchemikalien droht in Brasilien
Foto: Christian Russau

NGOs und soziale Bewegungen in Brasilien versuchen weiterhin, die Gesetzesinitiative PL 1459/2022 - das sogenannte "Giftpaket" zur weiteren Flexibilisierung von Agrarchemikalien - zu verhindern. Dazu mobilisierten zivilgesellschaftliche Organisationen wie Articulação Nacional de Agroecologia (ANA), Greenpeace und die Campanha Permanente contra os Agrotóxicos e pela Vida am 3. Mai auf sozialen Medien, um zu verhindern, dass das sogenannte "PL do Veneno" ("Das Giftpaket") im Senat vorankommt. Die Umweltorganisationen versuchen daher, das der weitere Fortgang der gesetzgeberischen Annahme der PL 1459/2022 in noch drei weiteren Ausschüssen beraten werden müsse, nachdem es im Dezember vergangenen Jahres im Landwirtschaftsausschuss des Senats beschlossen wurde, aber wegen medialen und politischen Drucks noch weiter verschoben werden konnte. Die NGOs verlangen, dass als nächstes die Ausschüsse für soziale Angelegenheiten (CAS), Menschenrechte und partizipative Gesetzgebung (CDH) und Umwelt (CMA) sich dem Gesetzesvorhaben annehmen müssten. Dieses Vorgehen, so die NGOs laut Medienberichten böte eine Möglichkeit, die die mögliche Abstimmung im Plenum, der letzten Instanz der Abstimmung im brasilianischen Senat, hinauszuzögern.

Hintergrund für dieses Vorgehen sind Gerüchte, die Medien zufolge in den letzten Wochen vermehrt darauf hindeuteten, dass führende Vertreter:innen der Landwirtschaftslobby die Abstimmung im Plenum beschleunigen würden wollen. Die NGOs befürchten, dass vor allem die (parteiübergreifende) parlamentarische Front für Landwirtschaft und Viehzucht (FPA), so der offizielle Name der Landwirtschaftsfraktion der ruralistas, die Abstimmung alsbald auf die Agenda des Senatsplenums setzen könnten.

Die Gesetzesvorlage des "Pacote do Veneno" ("Giftpaket") der PL 1459/2022 würde die Grundlagenbestimmung über Produktion, Lagerung, Verwendung und Entsorgung von Agrarchemikalien in Brasilien neu definieren. Die Folge wären: noch mehr Flexibilisierung und noch mehr Pestizide auf Brasiliens Äckern. Gesetzesvorhaben in Brasilien brauchen oft viele Jahre, bevor sie durch alle Instanzen sind, bei dem Giftpaket sind aber schon ziemlich viele Instanzen durchschritten worden - erst als PLS 526/99 des damaligen Senators und (noch immer Sojakönigs) Blairo Maggi, dann als PL 6299/2002 in der Abgeordnetenkammer und nun im Senat als die erwähnte PL 1459/2022. Im Dezember wurde der Bericht der Senats-Kommission für Landwirtschaft verabschiedet und das Gesetzespaket PL 1459/2022 von eben dieser Landwirtschaftskommission verabschiedet, nun ist die gesetzgeberische Frage (und der Streit darum), ob die Gesetzesvorlage nun direkt an das Plenum im Senat beraten und entschieden werden kann oder ob es noch durch weitere Kommssionen verzögert werden kann. Hinter den Kulissen brodelt es in Brasília, aber entschieden ist der Kampf um das "Giftpaket noch nicht. Auch aus dem Ausland wird dieser Kampf nah verfolgt, sowohl Abgeordnete des EU-Parlaments wie auch 21 bundesdeutsche Abgeordnete hatten parteiübergreifend einen Brief an die Präsidenten des Senats und mehrere Ausschussvorsitzende in Brasília gesandt, um ihre Besorgnisse über das "Giftpaket" zum Ausdruck zu bringen.

// Christian Russau