Geld oder Leben. Zur UN-Artenschutzkonferenz in Curitiba

Artenschutz und der Erhalt der Biosphäre sind Themen, die im politischen Alltag kaum eine Rolle spielen. Da braucht es schon Hiobsbotschaften oder große UN-Konferenzen, um das Thema auf die Tagesordnung und in die Medien zu bringen. Eine solche große UN-Konferenz fand nun vom 21. bis 30. März im brasilianischen Curitiba statt.
| von Keno Tönjes (KoBra)

Ungefähr alle zwei Jahre treffen sich staatliche Vertreter, um die nächsten Schritte bei der Umsetzung der Konvention für biologische Vielfalt (CBD) zu beschließen, die auf dem sogenannten Erdgipfel 1992 in Rio vorgestellt und seitdem von vielen Staaten ratifiziert wurde, einschließlich der EU, aber ohne die USA. Das diesjährige Treffen der CBD-Vertragspartner war das achte ("COP-8"), das siebte fand Februar 2004 in Malaysia statt. Es wurde insbesondere von den beiden großen Umweltverbänden Greenpeace und WWF genutzt, um mit Aktionen und neuen Studien auf die Dringlichkeit des Problems aufmerksam zu machen.

Exkurs: Dagegen fand das UN-Waldforum, das vom 13. bis 24. Februar in New York stattfand, keinerlei Resonanz bei deutschen Medien und den von den Hauptverhandlungen ausgeschlossenen Umweltorganisationen, vielleicht zurecht, da sich dieses Forum seit Jahren in nichtssagenden Absichtserklärungen auf niedrigstem Niveau verliert, u.a. auch wegen der Blockadehaltung von Brasilien und anderer Amazonasländer (Betonung der Souveränität, Ablehnung von Zeitplänen, keine Erwähnung von illegalem Holzeinschlag, etc.), aber auch wegen konkurrierenden UN-Konferenzen mit mehr Entscheidungskompetenzen wie der UN-Artenschutzkonferenz.

Beschlüsse

Brasilien ist der Geburtsort der Konvention für biologische Vielfalt. Als Gastgeber gelang es ihm, die bislang größte Anzahl von Teilnehmern und Interessengruppen zu versammeln. Die Umweltministerin rief die Teilnehmer angesichts der dringenden Probleme zu Entscheidungen auf, die nicht nur auf dem Papier stehen, sondern auch in der Realität bestand haben. Kurz vor Ende der Konferenz griff Präsident Lula die reichen Länder ungewöhnlich heftig an, nicht genug für die Umwelt zu tun und den armen Ländern die (finanzielle) Hauptlast der Umweltzerstörung zu überlassen. Trotzdem war das Programm der Konferenz nicht besonders ehrgeizig und von reinen Prozessfragen geprägt.

Inhaltlich wurden kaum Fortschritte erreicht. Daran ist auch Brasilien nicht ganz unschuldig, da es sich bei manchen Themen als Bremser betätigt hat. Beim Thema Waldbiodiversität bestand es darauf, dass die Erwähnung der Umsetzung von Waldgesetzen (FLEG) und damit verbundenen Handelsfragen (illegaler Holzhandel) in Fußnoten verbannt wurden, obwohl diese Fragen zentrale Bedeutung bei der Entwaldung Brasiliens spielen. Wie auch schon auf dem UNWaldforum unterstützte Brasilien auch den Vorstoß der Staaten Chile, Peru und Kolumbien, die nationale Souveränität der Staaten bei der Umsetzung von Waldgesetzen zu betonen und die beratende Einbeziehung internationaler NGOs bei solchen FLEG-Prozessen aus dem endgültigen Beschlusstext zu verbannen. Die wichtigsten Ergebnisse von zwölf Tagen intensiver Verhandlungen mit rund 4.000 Delegierten aus den 188 Mitgliedsstaaten waren folgende:

  1. Die Staaten Indonesien, Mikronesien, Palau, Grenada und Kiribati haben die "Global Island Partnership" ins Leben gerufen. Sie wollen im Pazifik neue Schutzgebiete einrichten, v.a. im Meer selbst, aber auch an Land. CBDExekutivsekretär Ahmed Djoghlaf und die Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen feierten dies als wichtigen Erfolg.
  2. Die Ablehnung der sogenannten Terminatortechnologie, die Saatgut dahingehend manipuliert, dass es nicht zur Wiedersaat verwendet werden kann, wurde trotz Drucks der Industrie und zur Freude von Bauern- und Umweltverbänden bestätigt.
  3. Dann wurde auf der Konferenz ausgehandelt, dass das nächste CBD-Treffen ("COP-9") 2008 in Berlin stattfinden wird. Der Schutz der Wälder soll Schwerpunktthema werden.

Weitere Beschlüsse:

  1. Es wurde keine Einigung darüber erzielt, wie der Nutzen aus natürlichen Ressourcen ("access and benefit sharing") gerecht verteilt werden kann.
  2. Insbesondere Entwicklungs-länder und Indigene hatten einen größeren Anteil am Nutzen gefordert und verbindliche Richtlinien gefordert, wie Konzerne die lokale Bevölkerung am Gewinn von z.B.
  3. Patenten beteiligen muss. Vor allem Kanada und Australien blockierten Beschlüsse in dieser Richtung, so dass Entscheidungen vertagt werden mussten.
  4. Allerdings wurde eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die sich zweimal bis zur nächsten Konferenz 2008 treffen und bis spätestens 2010 einen Vorschlag erarbeiten soll. Damit wurde zum ersten Mal ein Zeitrahmen für die Gespräche gesetzt.
  5. ) Eine weitere Arbeitsgruppe soll sich bis 2008 Gedanken über neue Finanzierungsmöglichkeiten für den globalen Naturschutz machen. Die "Globale Umweltfazilität" (GEF) als Hauptfinanzier des CBD-Prozesses sucht verzweifelt nach Geberländern, andere Finanzierungen sind nicht in Sicht. Auch die Geldervergabe durch die GEF ist nicht unumstritten und soll in der Arbeitsgruppe diskutiert werden.
  6. Der UN-Generalversammlung soll vorgeschlagen werden, das Jahr 2010 zum "Internationalen Jahr der biologischen Vielfalt" zu ernennen. Die Teilnehmerländer werden aufgefordert, mehr für Umweltbildung zu tun und den "Internationalen Tag der Biodiversität" zu feiern.
  7. Eine Zusammenführung der UNKonventionen zur Artenvielfalt und zum Klimaschutz wurde diskutiert, aber schließlich doch nicht beschlossen. Man will aber in Verbindung bleiben, auch zur WTO und anderen relevanten Prozessen und Konventionen.

Bilanz

Die meisten Teilnehmer und Kommentatoren sind sich einig: Die Konferenz ist gescheitert und praktisch ergebnislos auf 2008 vertagt worden. Keine der wichtigen, anstehenden Fragen wie Finanzierung des Naturschutzes und Verteilung des Nutzens aus natürlichen Ressourcen wurde vorangebracht.

Greenpeace sieht die gescheiterte Finanzierung für Schutzgebiete als wichtigstes Problem, die u.a. durch eine Bekämpfung von illegalem Holzhandel und Biopiraterie gemildert werden könnte. Aber Beschlüsse dazu wurden auf später vertagt, weil Brasilien bei illegalem Holzeinschlag und Australien, Neuseeland und Kanada bei Biopiraterie gebremst haben. So können sich Pharma- und Gentechnikkonzerne weiterhin Patente auf Pflanzen und genetische Ressourcen sichern, ohne die Bevölkerung vor Ort an den Gewinnen beteiligen zu müssen.

Auch der WWF ist enttäuscht über den Mangel an Geldern für den Naturschutz und die langsamen Fortschritte bei Entscheidungsprozessen. Er gibt aber die Hoffnung auf Besserung nicht auf und fordert die deutsche Bundesregierung auf, als Gastgeber der nächsten Konferenz 2008 mit gutem Beispiel voranzugehen und wesentlich zur Finanzierung beizutragen.

Das Ziel der "Konvention über die biologische Vielfalt" (CBD), den Artenverlust bis zum Jahre 2010 entscheidend zu verringern, ist ferner denn je. Experten sind sich über die Dringlichkeit bewusst, die Zerstörung unserer Biosphäre aufzuhalten. Die Langsamkeit der Entscheidungsprozesse und die Entscheidungen selber spiegeln das leider in keinster Weise wider. Letztlich wird wohl der Erhalt der Biosphäre daran scheitern, dass niemand Geld dafür ausgeben will.