BewohnerInnen von Porto de Moz fordern Waldmafia heraus

BewohnerInnen der Gemeinde Porto de Moz blockierten für drei Tage mit ihren Schiffen den Fluss Jaurucu im Protest gegen den Raubbau an der Natur und die gewalttätige Aneignung von Land durch skrupellose Holzunternehmen. Dabei zählten sie auf logistische Unterstützung durch Greenpeace.
| von Jan Rogge (FAOR)

Beinahe wäre es zu einer Tragödie gekommen. Die Gewaltspirale im Konflikt um das beantragte Wald- und Extraktionsreservat Verde para Sempre (Immergrün) nimmt zu. Wer helfen will, kann das tun. Es geht um die Durchsetzung des weltweit größten von BewohnerInnen selbst verwalteten Nutz- oder Extraktionsreservat.

Drei Tage, vom neunzehnten bis einundzwanzigsten September, blockierten über vierhundert Männer, Frauen und Kinder aus der Gemeinde Porto de Moz mit ihren kleinen Holzschiffen den Fluss Jaurucu, einen Zufluss des Rio Xingu im Herzen des brasilianischen Bundesstaates Pará. Der Protest richtete sich gegen den Raubbau an der Natur durch skrupellose Holzunternehmen nationaler sowie internationaler Herkunft, die ihre Ziele größtenteils mit krimineller Energie verfolgen. Der Protest sollte gleichzeitig Aufmerksamkeit auf das von BewohnerInnen beantragte 1,2 Mio ha große Nutzreservat "Verde para Sempre" lenken. Die Flussblockade wurde vom Komitee für Nach- haltige Entwicklung in Porto de Moz, einem Zusammenschluss lokaler Organisatio- nen, vorbereitet und durchgeführt. Die Aktion ist von Greenpeace massiv unterstützt worden. Soweit bekannt, ist es das erste Mal in Brasilien gewesen, dass AnwohnerInnen einen Fluss vollständig blockieren. Auch die Zusammenarbeit zwischen lokaler Bewegung und Greenpeace ist neu.

Der erste Tag der Blockade verging mit Warten. Noch bevor ein Stahlseil über den 120 m breiten Fluss gespannt werden konnte, entkamen drei große Holzfähren Richtung Xingu. Am zweiten Tag der Blockade wurde schließlich eine Holzfähre von Andre Campos, Bruder des willkürlich herrschenden Bürgermeisters Gerson Campos (PSDB), kurz vor der Schiffsblockade gestoppt. Die Fähre trug illegal geschlagenes und transportiertes Tropenholz. Am darauffolgenden Tag ging noch eine weitere Fähre der Familie Campos ins Netz. Die Holzunternehmen machten sich nicht einmal die Mühe, die geforderten Formulare mitzuführen. Es herrscht das Gesetz des Stärkeren, gedungene Pistoleiros verjagen die BewohnerInnen und wer Wald braucht, nimmt ihn sich.

Seit einigen Jahren gilt die Region um Porto de Moz als neues Eldorado der Tropenholzmafia. In der Erntezeit verlassen allein den Fluss Jaurucu 50.000 m3 Holz in Richtung der größtenteils primitiven Sägewerke. Weniger als ein Viertel der in der Region tätigen Unternehmen verfügt über die entsprechende Lizenz. Und selbst dieses will noch nicht viel sagen, ob des "Marktes der Lizenzen", in den immer wieder Beamte des Bundesumweltamtes IBAMA verwickelt sind. Und Lizenzen laden dazu ein, das Holz beim schwächeren Nachbarn zu klauen, um es dann aber legal auszuführen, damit der Schein gewahrt bleibt. Doch in Porto de Moz ist selbst das nicht nötig, weil es sprichwörtlich keine unparteiische staatliche Autorität gibt. Angesichts dieser Realität wird sich die Bundesregierung in Brasília fragen lassen müssen, wie ernsthaft es ihr ist mit der eben in Johannesburg der Weltpresse vorgestellten Absicht, die Schutzzonen in Amazonien bis 2006 von 4 % auf 10 % zu erhöhen - und dies auch wirksam zu überwachen.

In der Nacht vom zweiten zum dritten Tag der Blockade brach Andre Campos das Abkommen, kappte die Taue und begann mit voller Kraft auf die Schiffsblockade zu zufahren. Zwischen seiner Fähre und den an einem Stahlseil fest getauten kleinen Holzbooten, die Mühe hatten sich in der Panik loszumachen, lagen weniger als hundert Meter. Sechsundachtzig Menschen bangten um ihr Leben. Das Stahlseil konnte schließlich gekappt werden, Greenpeace bremste die Wucht der Fähre, Frauen und Männer enterten den Koloss und überwältigten den angetrunkenen, wild um sich schlagenden Fährmann. Vier Personen trugen leichte Blessuren davon.

Am nächsten Morgen trafen schließlich die Militärpolizei aus der Nachbargemeinde Altamira und zwei Mitarbeiter des Bundesumweltamtes ein, zur rechten Zeit, um auch die zweite ins Netz gegangene Holzfähre zu beschlagnahmen. Währenddessen versammelte der Bürgermeister seine Gefolgsleute am kleinen Hafen der 8.000 Einwohner zählenden Stadt. Der Koordinator des lokalen Komitees für Nachhaltige Entwicklung, Claudio Barbosa, der die Ankunft der beschlagnahmten Holzfähren vorbereiten wollte, wurde abgefangen, verprügelt und sein Boot in Brand gesetzt. Auch JournalistInnen und AktivistInnen von Greenpeace widerfuhr das gleiche Schicksal. Videobänder und Kameras wurden zerstört und die zwei vor Ort ansässigen Polizeibeamten eingeschüchtert und davongejagt. Die Frau des Bürgermeisters versammelte ihre Freundinnen und sie machten sich auf die Jagd nach einer im Ort bekannten Frauenaktivistin. Die kleine Meute, angeführt vom Bürgermeister, sprach öffentlich Morddrohungen gegen die Anführer der Blockade aus. Auch dem jungen Priester wurde mit Mord gedroht und sein Boot mit Steinen beworfen.

Doch nicht alle in der Stadt stehen auf Seite des Bürgermeisters, des größten Arbeitgebers mit zwei Sägewerken. Vertreter des lokalen Kleinhandels hatten aus Solidarität mit den Protestierenden am Rio Jaurucu zwei Schlachtrinder als Geschenk überreicht. Die HändlerInnen versprechen sich von dem zur Debatte stehenden Waldreservat einen wirtschaftlichen Aufschwung, weil es Einkommen streut und die lokale Wirtschaft belebt.

Wald- und Extraktionsreservate bieten der in Amazonien weithin ungelösten Eigentumsfrage an Grund und Boden eine sinnvolle Alternative und garantieren den BewohnerInnen, soweit die dafür verantwortlichen staatlichen Institutionen dies durchsetzen können, Rechtssicherheit. Die Idee der Reservate geht auf das Bestreben der Kautschukzapfer im Bundesstaat Acre zurück, dessen bekanntester Anführer Chico Mendes war. Gegenwärtig sind in Amazonien vierzehn Reservate anerkannt. Eine noch viel größere Anzahl ist im Gespräch. 2001 haben BewohnerInnen und das Komitee während einer öffentlichen Anhörung in Porto de Moz das Antragsverfahren eingeleitet. Eine weitere Anhörung im Februar 2002 in der Nachbargemeinde Prainha wurde vom Bürgermeister des Ortes mit Gewalt unterbunden.

In der Nacht des dritten Tages löste sich die Blockade auf und jeder fuhr erschöpft seines Weges. An einen triumphalen Einzug mit den beiden beschlagnahmten Holzfähren in Porto de Moz war nach den Vorkommnissen und der Lynchstimmung in der Stadt nicht mehr zu denken. Die Fähren wurden vor einem Sägewerk des Bürgermeisters festgemacht. Die lokalen Führer des Protestes halten sich nun aus Angst vor Rache versteckt. Auch wir Beobachter fühlten uns nicht mehr sicher und haben die Stadt verlassen.

Die letztlich erfolgreiche Schiffsblockade in Porto de Moz läutete eine weitere Runde im Streit um die Reserva Extrativista Verde para Sempre ein. Doch wie geht es weiter? Das werden die nächsten Tage zeigen. Die Intervention der Bundesbehörden (Polizei, Staatsanwalt, Umweltbehörde) in Porto de Moz ist dringend erforderlich. Wichtig ist aber auch, dass es dem Komitee weiterhin gelingt, den politischen Druck aufrecht zu erhalten und es noch besser in der Lage ist, seine Mitgliedsorganisationen zu orientieren und zu stärken.

Die Bevölkerung von Porto de Moz ist auf Hilfe von außen angewiesen. Es fehlt gegenwärtig vor allem an technischer Ausrüstung für Kommunikation, Sicherheit, Transport, Überwachung und Datenerhebung. Information und Unterstützung des Komitees: Comitê de Desenvolvimento Sustentável de Porto de Moz Cláudio Barbosa oder Georg Roling (Entwicklungshelfer des Deutschen Entwicklungsdienstes, ded), Fax: +55-91-93-3793 -1179 oder -1380.