10. Vertragsstaatenkonferenz der Konvention zur Biologischen Vielfalt CBN in Nagoya (Japan)

Nach zweiwöchigen Verhandlungen zum Artenschutz beschließen die 193 Vertragsstaaten (Brasilien und Deutschland sind dabei, die USA nicht) Ende Oktober 2010 eine Reihe von Kompromissen : Größere Schutzräume für Pflanzen und Tiere. 17 (bisher 13) Prozent der Landfläche und 10 (bisher 1,3) Prozent der Meeresfläche sollen unter Schutz gestellt werden. Wichtig ist hier jedoch aus Artenschutzgesichtspunkten eine zielgerichtete Ausweisung neuer Flächen und nicht unbedingt eine Erweiterung bereits bestehender Gebiete, da die bestehenden Großschutzgebiete der Erde kein ausreichender Garant für große Artenvielfalt sind. Ein Konflikt kann eintreten, wenn indigene Landrechte und traditionelle Nutzungsformen bei der Ausweisung nicht ausreichend berücksichtigt werden. Umweltschutzprogramme können immer nur im Konsens mit der lokalen Bevölkerung zu nachhaltigem Schutz führen. <br /><br />
| von admin


Das Dokument: „Der Strategische Plan 2020“ enthält die UN-Konvention über die biologische Vielfalt. Enthalten sind Absichten, die vor allem die Sektoren der Primärproduktion in Land- und Forstwirtschaft wie auch das Fischereiwesen betreffen. Beispielsweise soll die Überfischung der Meere gestoppt und umweltschädliche Subventionen abgebaut werden. Ihr Ziel ist es, den Raubbau an der Natur innerhalb von zehn Jahren zu stoppen. Das klingt vor allem abstrakt, zumal dieses Ziel auch bereits 1992 in Rio für das Jahr 2010 festgesetzt worden war. Es scheint den verantwortlichen Ländern ein Leichtes, ihr Handeln immer weiter in die Zukunft zu verschieben, in diesem Fall zur COP 11, die in zwei Jahren in Indien stattfinden wird.  

Da Brasilien in der Frage der Agrotreibstoffe die befürwortende Haltung der Industrienationen einnimmt, wurde hier die Biodiversität einer exportorientierten Vereinbarung geopfert. Dies ist einer Unternehmerlobby zu verdanken, deren Ziel es ist, die ökonomische Ausbeutung biologischer Rohstoffe eher auszuweiten statt einzugrenzen. Umweltschäden durch immer mehr Monokulturen für z.B. die Ethanolherstellung werden in der Konvention nicht berücksichtigt, genauso wenig wie die Beschneidung des Primärwaldes. Der Konsenstext enthält nur ansatzweise den Hinweis, dass bei der Förderung des Agrotreibstoffsektors das Vorsorgeprinzip beachtet werden sollte. Damit fällt der Beschluss sogar hinter die Richtlinien der COP-9 2008 in Bonn zurück.

Gegen Null gehen die Ergebnisse, wenn es um die Finanzierung des Artenschutzes geht. Brasilien hatte zwar von den Industrienationen ab 2020 jährlich 200 Milliarden Dollar (heute sind es ca. 20 Milliarden Dollar) gefordert, dies aber in den Verhandlungen nicht durchsetzen können. Nun soll bis 2012 der genaue Bedarf ermittelt werden und dann gemeinschaftlich von staatlicher, unternehmerischer und privater Seite das nötige Geld beschafft werden. Umweltschutzorganisationen sind davon sehr enttäuscht, da auch die nicht erreichten Ziele von 1992 an fehlenden Mitteln gescheitert sind.

Das „Nagoya-Protokoll über den Zugang zu genetischen Ressourcen und die gerechte Verteilung der Gewinne aus deren Nutzung“ ist ein weiteres Ergebnisdokument der Verhandlungen, die beinahe zu scheitern drohten und in letzter Minute zur Einigung kamen.

Brasilien hat bei den Verhandlungen stark gegen Biopiraterie gekämpft und kann nun vordergründig einen Erfolg feiern. Unter Biopiraterie versteht man die kostenlose Nutzung genetischer Ressourcen, ohne vorhergehende Zustimmung des Landes oder der lokalen Gemeinschaften. Das Erbgut von Pflanzen oder Tieren in Ländern des Südens wird schon lange genutzt, um z.B. Medikamente oder Kosmetika herzustellen. Problematisch ist die Aneignung und Monopolisierung des Wissens (z.B. durch Patente) und der biologischen Ressourcen der traditionellen Bevölkerung. Bislang gab es keine Gewinnbeteiligung der Länder oder traditionellen Gemeinschaften, aus denen diese kostbaren Wirkstoffe stammen bzw. die selbst Träger traditionellen Wissens sind.

Die bolivianische Unterhändlerin hat nach der Einigung auf das neue Protokoll der japanischen Gastgeber festgestellt, dass es die Beteiligung der traditionellen Völker  an den Gewinnen nur schwach vertritt.

Fernanda Kaigang, die als einzige brasilianische Indígena den Verhandlungen beiwohnte, sah dennoch einen Erfolg für Indigene und traditionelle Gemeinschaften im Zustandekommen der Einigung auf den japanischen Vorschlag.

Auf Initiative von Bolivien und Ecuador und später auch mit Unterstützung von Brasilien, Uruguay und Kuba wurde in letzter Minute ein Hinweis auf die Empfehlungen und Entscheidungen des Alternativen Klimagipfels der traditionellen Völker von Cochabamba ins Protokoll aufgenommen. In Cochabamba war u.a. eine Ablehnung marktbasierter Klimaschutzinstrumente wie z.B. die Koppelung von REDD + an den Emissionshandel formuliert worden. Mit der Aufnahme ins Protokoll soll die weitere Berücksichtigung der Sichtweise der Teilnehmer am Alternativgipfel und ihrer Ziele gewährleistet werden.

Die Forderung der zivilgesellschaftlichen Vertreter Brasiliens  hob auf die Tatsache ab, dass bevor Biodiversitätsschutz und nachhaltige Nutzung zum Tragen kämen, als erstes die Landrechtsfrage zu klären sei. Darüber hinaus müsste die Nutzung der natürlichen Ressourcen den traditionellen Völkern, lokalen Gemeinschaften und den kleinbäuerlichen Familienbetrieben gewährt werden.

56 Organisationen der brasilianischen Zivilgesellschaft  haben im Vorfeld von Nagoya ein Dokument an ihre Regierung gesandt. Die formulierten Empfehlungen waren im September während einer nationalen Vorbereitungssitzung in Brasília entstanden. Sie stellen fest, dass die Landkonzentration durch länderübergreifende Unternehmen die Kleinbauern, traditionellen Gemeinschaften und indigenen Völker räumlich und technisch regelrecht belagern. Diese Umzingelung ginge einher mit der biotechnischen Vermarktung der natürlichen Ressourcen und dem Diebstahl geistigen Eigentums. Beides stelle eine Verletzung der Menschenrechte dar. Die Teilnehmer fürchten, dass mit der Zuspitzung des Begriffs Biodiversität auf Schutz oder Nutzen die kulturellen, spirituellen und traditionellen Werte der Natur verloren gingen.

Das ABS-Abkommen (acess and benefit sharing = Zugang und fairer Vorteilsausgleich) soll nun nach Nagoya den Nutzen aus genetischen Ressourcen regeln. Ehemalige Biopiraten wie Pharma-, Chemie-  und Kosmetikkonzerne müssen in Zukunft die Herkunftsländer am Gewinn beteiligen, wofür u.a. Brasilien seit sechs Jahren gekämpft hat, da es als Land großer Artenvielfalt auch davon profitieren möchte. Allerdings gilt das Abkommen als schwacher Kompromiss, dessen Forderungen nur in die Zukunft gerichtet sind, obwohl auch nachträgliche Zahlungsaufforderungen Teil der Verhandlungen waren. Hier hat sich die starke Pharma- und Kosmetiklobby durchsetzen können, für die alles andere teuer geworden wäre. Mit dem Eintritt der Wirksamkeit des Dokuments wird in der Vergangenheit liegende Biopiraterie quasi nachträglich belohnt bzw. legalisiert. Nur vage konnten die Kontrollpunkte in den Nutzerländern definiert werden, was die Wirksamkeit des Protokolls in Frage stellt. NROs und UmweltaktivistInnen, die sich in der CBS-Alliance zusammengeschlossen haben, sehen das Ergebnis des ABS-Protokolls daher weniger positiv: „Das Protokoll ist so löchrig, dass es in der Praxis Biopiraterie legalisieren wird. Und statt die indigenen Gemeinden gerecht an den Gewinnen aus dem Handel mit ihren Ressourcen zu beteiligen, wird das Patentrecht gestärkt.“

Das Protokoll definiert die einzelnen Etappen des Verfahrens für den Zugang und den Vorteilsausgleich, hat jedoch Schwächen in der internationalen Kontrolle z.B. durch mangelnde Einbindung der Patentämter.

Auf brasilianischer Ebene geht es nach der Konferenz darum, dem Biopiraterie-Protokoll von Nagoya einen gesetzlichen Rahmen zu geben . Umweltministerin Izabella Teixeira scheint eher von einer Lockerung der strengen Gesetzgebung auszugehen, sieht sie doch die aktuelle Gesetzeslage als Hindernis für Brasilien, sein Biodiversitätspotential zu nutzen. Der Zugang zu genetischen Ressourcen müsse für wissenschaftliche Forschungszwecke erleichtert werden. In einem ersten Schritt soll ein Kadaster zwischen Forschung und kommerzieller Bereicherung  unterscheiden helfen.

Vorläufige Veröffentlichung der Ergebnisse unter: http://www.cbd.int/nagoya/outcomes/