UN-Expert:innen fordern von Brasília Stopp des als "Gesetz der Zerstörung" bekannten Gesetzesentwurfes PL 2159/2021

Vier Sonderberichterstatter:innen der Vereinten Nationen sowie sechs weitere UN-Expert:innen verschiedener UN-Working Groups sehen in dem von der brasilianischen Abgeodnetenkammer am 17. Juli verabschiedeten "Generalgesetz zur Umweltlizenzierung" die Gefahr, dass sich die globalen Krisen des Klimawandels, des Verlusts der biologischen Vielfalt, der toxischen Verschmutzung und der zunehmenden Ungleichheiten verschärfen. Außerdem würden sie das Recht auf Zugang zu Informationen, auf Beteiligung der Öffentlichkeit und auf Zugang zur Justiz schwächen, insbesondere für marginalisierte Bevölkerungsgruppen und Gemeinschaften“, so die Expert:innen.
| von Christian.russau@fdcl.org
UN-Expert:innen fordern von Brasília Stopp des als "Gesetz der Zerstörung" bekannten Gesetzesentwurfes PL 2159/2021
UNO in Genf. (Symbolbild). Foto: FDCL

Vier Sonderberichterstatter:innen der Vereinten Nationen sowie sechs weitere UN-Expert:innen verschiedener UN-Working Groups haben sich schriftlich zu dem von der brasilianischen Abgeodnetenkammer am 17. Juli verabschiedeten "Generalgesetz zur Umweltlizenzierung" geäußert und den sofortigen Stopp dieses Gesetzes durch Veto seitens Präsident Lula gefordert. Die UN-Expter:innen Astrid Puentes Riaño, Sonderberichterstatterin für das Menschenrecht auf eine saubere, gesunde und nachhaltige Umwelt, Pedro Arrojo-Agudo, Sonderberichterstatter für das Menschenrecht auf sauberes Trinkwasser und sanitäre Einrichtungen, Elisa Morgera, Sonderberichterstatterin für die Förderung und den Schutz der Menschenrechte im Zusammenhang mit dem Klimawandel, Bina D'Costa von der Arbeitsgruppe von Expert:innen für Menschen afrikanischer Herkunft, Albert K. Barume, Sonderberichterstatter für die Rechte indigener Völker sowie der Vorsitzender der Arbeitsgruppe für Wirtschaft und Menschenrechte, Pichamon Yeophantong, und deren Mitglieder Damilola Olawuyi, Fernanda Hopenhaym, Lyra Jakulevičienė und Robert McCorquodale betonten, dass die Änderungen der Umweltgenehmigungsvorschriften indigene Völker und afro-stämmige Quilombola-Gemeinschaften, die bereits stark von Umwelt- und Klimaschäden betroffen sind, unverhältnismäßig stark treffen würden, was einen Verstoß gegen Brasiliens Verpflichtung zur Nichtdiskriminierung darstelle. Zudem bergen diese Änderungen "die Gefahr, dass sich die globalen Krisen des Klimawandels, des Verlusts der biologischen Vielfalt, der toxischen Verschmutzung und der zunehmenden Ungleichheiten verschärfen. Außerdem würden sie das Recht auf Zugang zu Informationen, auf Beteiligung der Öffentlichkeit und auf Zugang zur Justiz schwächen, insbesondere für marginalisierte Bevölkerungsgruppen und Gemeinschaften“, so die Expert:innen.

Die Effizienz der Verfahren zur Erteilung von Umweltgenehmigungen sei zwar wichtig, räumten die Expter:innen ein, diese dürfe "jedoch nicht auf Kosten wirksamer Vorschriften, Kontrollen und Überwachungen, der Rechenschaftspflicht sowie des Schutzes der Menschenrechte und der Umwelt gehen“, so die Expert:innen. Sie wiesen zudem darauf hin, dass die Verpflichtung Brasiliens, erhebliche Umweltschäden durch öffentliche und private Akteure zu verhindern, einschließlich der Verhinderung grenzüberschreitender Umweltschäden, die Durchführung umfassender und integraler Umwelt-, Sozial- und Menschenrechtsverträglichkeitsprüfungen vor der Genehmigung von Aktivitäten umfasse, die die Menschenrechte oder die Umwelt gefährden.

"Diese Gesetzesänderung steht im Widerspruch zu den internationalen rechtlichen Verpflichtungen Brasiliens", erklärten die UN-Expert:innen. Es sei "paradox, dass dieses Gesetz kurz nach den historischen Gutachten des Interamerikanischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Internationalen Gerichtshofs verabschiedet werden konnte, in denen die Verpflichtungen der Staaten klargestellt wurden, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um auf den Klimanotstand zu reagieren und Schäden durch alle Akteure zu verhindern, einschließlich einer wirksamen Regulierung und Überwachung in Bezug auf fossile Brennstoffe, Landwirtschaft und Entwaldung", hier es in der auf der UN-Seite veröffentlichten Erklärung. Die Expert:innen bekräftigten zudem, dass der Grundsatz der Nichtrückschrittlichkeit für die internationalen Menschenrechte und das Umweltrecht von grundlegender Bedeutung sei und die Staaten verpflichte, bestehende rechtliche Schutzmaßnahmen nicht zu schwächen.

Die UN-Expert:innen warnten, dass der Gesetzentwurf die Glaubwürdigkeit Brasiliens als Gastgeber der bevorstehenden COP30, der UN-Klimakonferenz 2025 in Belém, untergraben würde. Als globale Vorreiterin im Klimaschutz müsse Brasilien "sicherstellen, dass seine innerstaatlichen Rechtsvorschriften mit seinen internationalen Verpflichtungen, einschließlich derjenigen aus dem Pariser Abkommen, im Einklang stehen." Abschließend erklärten sie, „wir fordern Präsident Luiz Inácio Lula da Silva auf, Teile des Umweltgenehmigungsgesetzes, die den verfassungsrechtlichen und internationalen Verpflichtungen Brasiliens widersprechen, mit seinem Veto zu blockieren", sagten die Expert:innen. "Der Schutz der Umwelt ist unerlässlich, um die Rechte und die Würde heutiger und künftiger Generationen zu wahren."

Brasiliens Umweltministerin Marina Silva hat sich bereits mehrmals vehement gegen dieses Gesetz gewandt, Präsident Lula hat noch einige Tage Frist (bis 8. August), um seine Entscheidung, ob er das Gesetz unterzeichnet oder ganz oder in Teilen mit Vetos belegt, zu verkünden. Solte Lula ein generelles oder Teilveto gegen das "Generalgesetz zur Umweltlizenzierung" erklären, könnte der brasilianische Nationalkongress dieses mit seiner farmerfreundlichen Mehrheit wieder kippen, so dass es letztlich zur Entscheidung vor dem Obersten Gerichtshof STF landen würde.

// Christian Russau

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