Straßenblockade in Tocantins für Agrarreform

Über 200 Familien der Landlosenbewegung MST blockierten gestern über mehrere Stunden die Bundesstraße TO-404 im Norden des Bundesstaates Tocantins.
| von Christian.russau@fdcl.org
Straßenblockade in Tocantins für Agrarreform
Bundesstraße in Brasilien (Symbolbild). Foto: christian russau

Mehr als 200 Familien, die seit dem Jahr 2013 im Acampamento Carlos Marighella am Rande der Bundesstraße TO-404 im Norden des brasilianischen Bundesstaates Tocantins leben, nahmen Medienberichten und dem Eigenbericht der Landlosenbwegung MST zufolge am gestrigen Montag von 5 Uhr am Morgen bis gegen Mittag an dem Protest teil, der eine zwischenzeitliche Vollsperrung der Autobahn zur Folge hatte. Ziel der Aktion war es, Druck auf die Bundesbehörde für die Agrarreform INCRA auszuüben, zwei ländliche Grundstücke in der Region Bico do Papagaio endlich zu enteignen und das entsprechende Gebiet dem Nationalen Programm für die Agrarreform zuzuweisen.

Den Organisator:innen zufolge, so zitiert es ein weiterer Medienbericht, wurde der Demonstration, obwohl friedlich, von der Militärpolizei von Tocantins mit Repression begegnet. "Polizisten ohne Identifikation setzten Pfefferspray direkt gegen die Demonstranten ein, darunter auch Kinder", erklären demnach die Vertreter:innen des Acampamento Carlos Marighella. Sie sähen die Gewalt der PMTO als Ausdruck der Missachtung des Kampfes der Familien, die seit 2013 unter prekären Bedingungen leben, so der Bericht.

Den Medienberichten zufolge wurden MST-Fahnen geschwungen und Autoreifen sowie Baumäste aufgeschichtet, um so den Verkehr zu stoppen, der zwischen den zwei Städten Araguatins und Augustinópolis zwischenzeitlich zum Erliegen kam. Die Blockade wurde aufgehoben, nachdem Vertreter:innen der Landesleitung der Agrarreformbehörde INCRA zusagten, sich mit den Familien zu einem Gespräch zu treffen. Dieses Treffen soll dem Medienbericht zufolge heute stattfinden.

Die Protestierenden warfen der INCRA zuvor Untätigkeit vor. Die Leitung des Incra habe die Vereinbarungen zur Untersuchung des vom MST vorgebrachten Falls der beiden umstrittenen Landgüter Água Amarela und Santa Hilário, beide im Gebiet von Araguatins gelegen, nicht eingehalten, so die MST. Nach Angaben der Bewegung der Landlosen befinden sich beide Grundstücke auf öffentlichem Grund, weshalb der Eigentumsanspruch für das erste Grundstück bereits aufgehoben wurde und gegen das zweite eine Entscheidung des Obersten Bundesgerichts STF vorliege, die den Enteignungsprozess sogar bestätigt hätte. "Trotz der rechtlichen Eindeutigkeit beklagen die Familien die fortwährende Verschiebung der Besichtigungen sowie eine besorgniserregende Zunahme der Gewalt vor Ort, wo Autos vorbeifahren und auf das Lager Schüsse abgegeben werden und Hütten in Brand gesteckt werden", so die MST. Auf Anfrage der Nachrichtenagentur Agência Brasil teilte die Leitung des Incra in Tocantins in einer von Agência Brasil zitierten Erklärung mit, dass sie daran arbeite, die Forderungen des Nationalen Programms für Agrarreform zu erfüllen, das "in den letzten Amtsperioden zum Stillstand gekommen" sei - gemeint ist die Amtszeit des vormaligen Präsidenten Jair Bolsonaro (2019-2022) - und dass "die Forderungen der Familien [des Lagers Carlos Marighella] wurden bereits in einer Sitzung der Aufsichtsbehörde im August behandelt", fügte das Institut hinzu und bestätigte die Zusage, die Grundstücke noch in diesem Monat vor Ort zu inspizieren. "Die Superintendência steht auch weiterhin im Dialog mit den Familien des Lagers, der Leitung der MST und dem Kommandanten der Militärpolizei der Region, um eine friedliche Lösung für die Räumung zu finden", fügte die Superintendência hinzu. Gegen Mittag des gestrigen Tages hob die MST die Blockade auf.

Die Landlosenbewegung MST ist in 24 brasilianischen Bundesstaaten in den fünf Regionen des Landes organisiert und aktiv. gegründet wurde sie im jahr 1984. Insgesamt haben etwa 450.000 Familien durch den Kampf und die Organisation der Landarbeiter:innen sich Zugang zu Land erobert. Die Landlosenbewegung MST ist eine soziale, autonome Massenbewegung, die versucht, Landarbeiter:innen und die Gesellschaft zu vereinen und zu organisieren, um eine Agrarreform und ein Volksprojekt für Brasilien zu erreichen, so die Selbstdarstellung der MST.

// christian russau

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