Noch mehr grüne Wüsten - mit Technik aus Österreich

Die österreichische Andritz AG liefert Anlagen für den Ausbau der weltweiten größten Eukalyptus-Zellstoff-Fabrik in Brasilien.
| von Christian Russau
Noch mehr grüne Wüsten - mit Technik aus Österreich
Grüne Wüsten in Brasilien. Photo: HVL CC BY 3.0

Die in Graz ansässige Andritz AG teilte am 31. Juli 2015 mit, dass sie mit dem brasilianischen Zellulose-Konzern Fibria eine Absichtserklärung über die Lieferung von Produktionstechnologien und Ausrüstungen für das Fibria-Zellstoffwerk Horizonte 2 in Três Lagoas, im zentralbrasilianischen Bundesstaat Mato Grosso do Sul, unterzeichnet hätten. Die neue Produktionslinie werde eine Jahreskapazität von 1,75 Millionen Tonnen haben. Zusammen mit der in Três Lagoas bereits bestehenden und produzierenden Linie, so Andritz, werde Três Lagoas zukünftig über eine Jahresgesamtkapazität von drei Millionen Tonnen verfügen und damit eine der weltweit größten Produktionsstätten für Eukalyptus-Zellstoff sein. Über den Auftragswert machte Andritz keine Angaben, es sei "Stillschweigen vereinbart" worden. Andritz erklärte aber in der eigenen Pressemitteilung selbst, dass "der übliche Auftragswert für vergleichbare Referenzprojekte" rund 600 Millionen Euro betrage. Der Vertrag werde voraussichtlich im 3. Quartal 2015 in Kraft treten.

Der Lieferumfang des Andritz-Geschäftsbereichs PULP & PAPER umfasst laut der Andritz-Mutter die EPC-Lieferung der kompletten Faserlinie sowie der Rückgewinnungsanlage, inklusive sämtlicher relevanter Prozessstufen. Die Anlage werde voraussichtlich im 4. Quartal 2017 in Betrieb gehen. Andritz prognostizierte für die zweijährige Bauzeit die Schaffung von 40.000 direkten und indirekten Arbeitsplätze schaffen. Am Höhepunkt der Bauzeit würden rund 10.000 Arbeiter vor Ort beschäftigt sein. Nach Inbetriebsetzung werde die neue Zellstoff-Produktionslinie von Fibria 3.000 direkte und indirekte Arbeitsplätze haben.

Die Region von Três Lagoas im Bundesstaat Mato Grosso do Sul trägt wegen seiner grünen Wüsten - endloser Eukalyptus-Plantagen, deren schnellwachsenden Holz zur Zellstoffgewinnung zur Herstellung von Papierprodukten verarbeitet wird - schon heute den Namen "Hauptstadt der Zellulose". Mit dazu beigetragen haben - neben der massiven Ausweitung der Eukalptus-Plantagen in der Region - auch steuerliche Anreize, die der Bundesstaat Mato Grosso do Sul den Plantagenbesitzern gewährt sowie eine deutliche "Flexibilisierung" der herrschenden Umweltgesetze, die den Unternehmern wenigst Kontrolle und ökonomisch kostspielige Hindernisse in den Weg legen will - die Umweltkosten werden dabei auf die Natur externalisiert. Der Journalist Leonardo Sakamoto berichtete bereits 2011, wie der Ausbau der Eukalyptus-Plantagen in der Region von Três Lagoas schwere Auswirkungen auf die Nahrungsmittelproduktion in der Region entwickelte.

Grundsätzlich laugen großflächige Eukalyptus-Monokulturen durch den raschen Nährstoffentzug die Böden aus und führen zu einer massiven Absenkung der Grundwasserschichten, da das Eukalyptus-Wurzelwerk sehr viel Wasser zieht. Massivste Pestizideinsätze tragen das ihrige zur Verseuchung der Böden bei. In den Eukalyptus-Monokulturen sinkt die Artenvielfalt rapide. Hinzu müssen sich viele der Eukalyptus-Plantagen in Zentral- und Nordostbrasilien den Vorwurf gefallen lassen, die lokalen Anwohner - oft Kleinbäuerinnen und -bauern, Flussanwohner, Mitglieder traditioneller Gemeinschaften - vom ihrem angestammten Land vertrieben zu haben und den Menschen, die beispielsweise auf Jagd, zum Angeln oder Brennholzsuchen in die Plantagen gehen wollen, oft von Sicherheitskräften der Plantagenbesitzer davon abgehalten werden. In einigen Fälle in Minas Gerais und Espírito Santo kam es auch zu Tötungen von Brennholzsammlern durch Sicherheitskräfte, in Espírito Santo kommen schwere Landkonflikte mit indigenen Gemeinschaften hinzu, denen ihr traditionelles Land vor Generationen geraubt wurde und dort nun Eukalyptus-Plantagen stehen und die Rückübertragungsansprüche von der Justiz nur sehr langsam bearbeitet werden.

Umwelt- und Menschenrechtsgruppen aus Österreich und Deutschland beobachten die Andritz AG schon seit langem wegen ihres Agierens bei menschenrechtlich und umweltbezogenen problematischen bis skandalösen Projekten. So ist die Andritz AG seit Jahren an den Staudamm- und Wasserkraftprojekten Belo Monte in Brasilien, Ilisu in der Türkei oder Hidrosogamoso in Kolumbien beteiligt. Immer wieder kritisieren die Gruppen auf Aktionärsversammlungen der Andritz AG oder bei Aktionen die Andritzgeschäftsführungen für die Beteiligung an diesen Projekten. Der Protest gegen den Ilisu-Staudamm in der Türkei hatte dazu geführt, dass im Jahr 2009 in einem weltweit einmaligen Schritt die Regierungen Deutschlands, Österreichs und der Schweiz die Hermesbürgschaften für das Projekt zurückzogen, nachdem die türkische Seite daran geknüpfte Auflagen zu Umsiedlung, Umwelt- und Kulturgüterschutz nicht erfüllt hatte. Die Gruppen prüfen nun, ob auch für das Fibria-Zellstoffwerk Horizonte 2 in Três Lagoas Exportkreditbürgschaften beantragt werden und planen ihre Aktionen dagegen.