Genmanipulierte Lebensmittel in Brasilien

Offizieller Startschuss für Genmais
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Mit der Entscheidung vom 12. Februar im Nationalrat für Biosicherheit ist es nun auch amtlich: Der Nationalrat gab in seiner Sitzung die Maissorten Liberty Link von Bayer Crop Science und MON 810 von Monsanto für den Markt frei und bestätigte damit die Entscheidung der CTNBio von Mai bzw. August des vergangenen Jahres.

llegal wird in Brasilien schon längst Genmais produziert. Doch anstatt ihrer Verantwortung nachzukommen und gegen die existierenden illegalen Anpflanzungen vorzugehen, machten Politiker wie der Forschungsminister Resende – einer der stärksten Verfechter einer schnellen Legalisierung des Maises – sich dies zum Argument. Solches Vorgehen verhalf bereits Gensoja und Genbaumwolle zum Siegeszug. Schützenhilfe hatte der Minister von seinem Amtskollegen, dem Agrarminister Reinhold Stephanes.

Nur vier Ministerien votierten gegen die Freigabe: das Gesundheitsministerium, das Umweltministerium, das Ministerium für Agrarentwicklung und das Fischereiministerium. Via Campesina demonstrierte vor dem Regierungsgebäude. Brasilianische Intellektuelle und Künstler wiesen in einem offenen Brief an das Justizministerium darauf hin, dass beide Maissorten in jüngster Zeit in verschiedenen europäischen Ländern verboten wurden, eben weil die Unternehmen keine ausreichenden Risikoanalysen präsentiert hatten. Diese hatten vor allem die Gesundheitsbehörde ANVISA und die Umweltbehörde IBAMA während der letzten Monate immer wieder eingefordert. Sie hatten sich gegen die Freigabe der beiden Maissorten zur Vermarktung ausgesprochen und dabei auf das Risiko der Verseuchung konventionellen Maises hingewiesen, auf das Fehlen eines angemessenen Monitorings von Anbau, Transport und Lagerung des Maises sowie auf die unzureichenden Daten über die Auswirkungen auf menschliche und tierische Ernährung. Somit gab der Rat nun zwei Genprodukten grünes Licht, bei denen das Risiko einer Verseuchung traditioneller Sorten besteht, die Abstände unzureichend sind und die Frage der Verseuchung auf dem Transportweg und bei der Lagerung überhaupt nicht geklärt wurde.

Neubesetzungen in der CTNBio
Mit dem Ende des Jahres 2007 sind auch die Mandate von zwölf Vertretern der 27köpfigen CTNBio abgelaufen. Am 16. Januar traf sich eine Ad-Hoc-Kommission des Forschungsministeriums, die über die 36 Kandidaten befinden soll, die zur Nominierung vorgeschlagen werden. 14 Organisationen der Zivilgesellschaft sandten einen offenen Brief an die Kommission, das Forschungsministerium, die brasilianische Wissenschaftsakademie und die SBPC (Sociedade Brasileira para o Progresso da Ciência)  . In dem Brief forderten die Organisationen, bei der Besetzung dafür Sorge zu tragen, dass keine Vertreter nominiert würden, die zugleich an Forschungen zur Entwicklung genmanipulierter Produkte beteiligt sind oder an Forschungen, die von Unternehmen aus dem Gengeschäft finanziert werden. Dies war in der Vergangenheit der Fall.
Zugleich weisen die Organisationen darauf hin, dass die bislang von der Kommission für den Umweltbereich vorgeschlagenen Repräsentanten keinerlei berufliche oder wissenschaftliche Erfahrung in Umweltbelangen haben, so dass Risikoanalysen der CTNBio im Falle ihrer Nominierung Umweltfragen nicht angemessen berücksichtigen könnten. Die Organisationen fordern die Berücksichtigung sämtlicher betroffener Wissenschaftsgebiete bei der Nominierung der Vertreter. Die letztendliche Auswahl liegt beim gentechnikfreundlichen Forschungsminister Sergio Resende. Mit einer Änderung der Kräfteverhältnisse innerhalb der CTNBio, die eine fundierte Risikobeurteilung bei den Entscheidungen über die Zulassung von Genprodukten erwarten ließe, ist daher nicht zu rechnen.

Ausbreitung von Genprodukten
Eine wichtige Rolle bei zukünftigen Entscheidungen der CTNBio wird voraussichtlich die Frage genmanipulierter Bäume spielen, dabei geht es insbesondere um Eukalyptus. Die CTNBio definierte im Juni 2007 die Standards für Feldversuche mit genmanipuliertem Eukalyptus; derzeit liegen 24 Anfragen für die Zulassung von Gen-Eukalyptus vor. Die Zelluloseindustrie gehört zu den wichtigsten Financiers der Genforschung im Baumbereich, und zu den wichtigsten Interessenten. Denn mit Entwicklung der so genannten „2. Generation“ der Agrotreibstoffe wäre Eukalyptus die ideale Pflanze zur Herstellung von Treibstoffen. Bereits heute existieren in Brasilien Feldversuche mit genmanipulierten Eukalyptusbäumen. Bei der Genmanipulation geht es vor allem darum, Bäume zu entwickeln, die schneller wachsen, einen höheren Prozentanteil an Zellulose aufweisen und dem Herbizid Glyphosat gegenüber tolerant sind.
Unterdessen schreitet die Ausbreitung der Gensoja weiter voran. Die Anbauflächen des Erntejahres 2007/2008 mit gentechnisch veränderter Soja machen in Brasilien inzwischen 57 Prozent der gesamten Soja-Anbaufläche aus – gegenüber 51 Prozent im Vorjahr. Seit der Ernteperiode 2003/2004, wo die Anbaufläche mit Gensoja 2,8 Mio ha betrug, ist sie nun auf 12.245 Mio ha angewachsen und hat sich damit mehr als vervierfacht. Insgesamt werden weltweit mehr als 100 Mio ha Gensoja angebaut.

Vier Jahre Kennzeichnungspflicht in Brasilien
Seit 2004 besteht in Brasilien eine Kennzeichnungspflicht für Produkte mit mindestens einem Prozent genmanipulierten Inhaltsstoffen. Zum Jahresende wurde diese Pflicht durch eine brasilienweit geltende Entscheidung des Bundesgerichts von Paraná sogar auf Produkte ausgeweitet, deren genmanipulierter Anteil unter einem Prozent liegt.
Im Januar 2008 vermeldete Greenpeace nun die ersten (!) gekennzeichneten genmanipulierten Produkte in Brasiliens Supermärkten – die Öle Liza und Veleiro (Cargill) sowie Soya (Bunge). Hintergrund dieser Ausnahme von der gesetzesuntreuen Regel: Im Oktober 2005 hatte Greenpeace nachgewiesen, dass Soja von Bunge und Cargill gentechnisch manipuliert ist, woraufhin die Staatsanwaltschaft die Kennzeichnung dieser Produkte einforderte. Gut zwei Jahre nach dem Einschreiten – und vier Jahre nach Einführung der Verordnung – zeitigt die Aktion also Wirkung.
In Paraná hat die Gesundheitsbehörde das Sojamehl Terra Verde vom Markt genommen, da es zu mehr als einem Prozent Mehl aus gentechnisch veränderter Soja enthält, und daher gekennzeichnet sein müsste. Andere Produkte, die genmanipulierte Ausgangsstoffe enthalten, konsumieren die BrasilianerInnen weiterhin unwissentlich, denn sie sind nach wie vor nicht gekennzeichnet.