Agrobusiness vs. Verbraucherschutz?

Lobbyist*innen des Agrobusiness wollen per Gesetz dafür sorgen, dass Informationen zu Gentechnik vorenthalten werden.
| von Marc Guschal
Agrobusiness vs. Verbraucherschutz?
Produkte auf der Basis von gentechnisch verändertem Mais finden sich in vielen brasilianischen Lebensmittelgeschäften. Aber wie sollen Verbraucher*innen dies in Zukunft wissen? Foto: José Luís Agapito.

2013 stammten 91,1% des brasilianischen Sojaanbaus und 81,5% der Maisproduktion aus gentechnisch modifizierten Beständen. Dafür werden Wälder abgeholzt und für die Böden schädliche Monokulturen gepflanzt. Doch nicht nur die Umwelt leidet. Auch Verbraucherrechte werden beschnitten.

Die Kennzeichnung gentechnisch veränderter Lebensmittel

Luis Carlos Heinze, 64, ist Landwirt und Agraringenieur. Er kommt aus einem kleinen Dorf im Bundesstaat Rio Grande do Sul und ist seit 16 Jahren brasilianischer Bundesparlamentsabgeordneter. Dort vertritt er rechtskonservative Positionen seiner Partei, dem Partido Progressista (PP). Zugleich repräsentiert er auch die bancada ruralista, eine mächtige Landwirtschaftsfraktion, die bei den Wahlen 2014 erneut an Stimmen hinzugewonnen hat. Viele Abgeordnete dieser Fraktion sind selbst Großgrundbesitzer. Sie betreiben Lobbyarbeit zugunsten des Agrobusiness, sehen Umweltschutz als Profitbremse und wollen die Rechte von traditionellen Bevölkerungen und Kleinbauern beschneiden. Heinze fiel 2014 besonders negativ auf: Er behauptete, Indios, Schwule und Lesben, sowie die Nachkommen geflohener schwarzer Sklaven würden nichts taugen; sie hätten sich in der brasilianischen Regierung eingenistet und dort die Macht übernommen.

Wer jedoch Macht ausübt und dabei nur eigene Interessen verfolgt, ist die bancada ruralista um Heinze selbst. Passendes Beispiel: Die Kennzeichnung von gentechnisch veränderten Nahrungsprodukten. Seit März 2005 gilt in Brasilien die gesetzliche Pflicht, Verpackungen gentechnisch modifizierter Lebensmittelprodukte unabhängig von deren Anteil entsprechend zu markieren. Genutzt wird dafür ein gelbes Dreieck mit einem gut sichtbaren, schwarzen "T", das für Transgênicos steht. Der bancada ruralista ist diese Art der Etikettierung ein Dorn im Auge. Sie befürchtet Profiteinbußen für das Agrobusiness und beklagt, die Kennzeichnung würde ein schlechtes Image auf die Produkte werfen.

Ende April brachte Heinze deshalb einen Gesetzesentwurf in der Abgeordnetenkammer ein, der diese gesetzliche Pflicht abschaffen soll. Dem Entwurf zufolge ist eine Etikettierung nur noch vorgesehen, wenn die Präsenz genveränderter Organismen die 1% seiner Gesamtheit überschreitet. Auch das "T" soll weg. Stattdessen muss die Verpackung nur noch im Kleingedruckten ausführen, dass es sich um gentechnisch veränderte Lebensmittel handelt. Viele Produkte, die zu geringem Anteil genverändertes Material enthalten, wären in diesem Fall gar nicht mehr gekennzeichnet, wie zum Beispiel Kekse, Öle oder Margarine. Gleiches gilt für tierische Produkte auf der Basis von gentechnisch verändertem Futtermittel.
320 Abgeordnete stimmten für das Gesetz. Nur 135 waren dagegen. Während sich das Agrobusiness freut, leiden darunter die Verbraucher*innen. Falls das Gesetz verabschiedet wird, werden sie nämlich nicht mehr korrekt über die Herstellung bzw. Zusammensetzung der Lebensmittel informiert. Eine Aufklärung über mögliche Risiken entfällt, ebenso wie die Chance auf eine selbstbestimmte Ernährung: Ein Rückschritt für den Verbraucherschutz. Auch das Brasilianische Institut für Verbraucherschutz (Idec) spricht sich gegen den Gesetzesentwurf aus und brandmarkt diesen als Verletzung der Rechte auf Information, auf gesunde Ernährung und auf eine ökologisch ausgeglichene Umwelt. Garantiert werden diese Rechte eigentlich im brasilianischen Verbrauchschutzgesetzbuch und in der Bundesverfassung. Weiterhin wären Kontrollanalysen nötig, um zu überprüfen, ob der Anteil an gentechnisch modifiziertem Material die 1% überschreitet. Wer für die Kosten aufkommen soll, ist in dem Gesetzesentwurf aber nicht geregelt.
Bevor das Gesetz in Kraft tritt, muss es aber noch einige Hürden nehmen. Zunächst muss auch der Senat, die zweite Kammer des Parlamentes, dem Gesetz zustimmen. Dieser will sich zuvor einen Überblick über die Meinung der Öffentlichkeit verschaffen. Zu diesem Zweck wurde auf der offiziellen Senatsseite eine elektronische Umfrage gestartet. Am Samstag, den 06.06., waren 733 Stimmen dafür, 11793 dagegen. Zudem muss der Gesetzesentwurf noch durch verschiedene Gremien analysiert und bewertet werden: Durch den Ausschuss für Wissenschaft und Technologie, den Ausschuss für Umwelt, Verbraucherschutz, Aufsicht und Kontrolle, sowie den Ausschuss für soziale Angelenheiten. Für diejenigen, die nicht mitansehen wollen wie bereits errungene Rechte der Bevölkerung zu Gunsten der Profitmaximierung einer fragwürdigen Branche beseitigt werden, besteht also noch Hoffnung.