Die Dringlichkeit der Agrarreform in Brasilien

Die Brasilianische Vereinigung für Agrarreform - ABRA - fordert die Regierung Lula auf, die Agrarreformpolitik des Landes vor dem Ende seiner dritten Amtszeit umzusetzen.
| von Christian.russau@fdcl.org
Die Dringlichkeit der Agrarreform in Brasilien
MST (hier: in Espírito Santo). Foto: christianrussau

Die Brasilianische Vereinigung für Agrarreform (Associação Brasileira de Reforma Agrária - ABRA) ist eine gemeinnützige zivilgesellschaftliche Organisation, die am 20. September 1967 in Rio de Janeiro mit dem Ziel gegründet wurde, zur Durchführung der Agrarreform in Brasilien beizutragen. Die ABRA hat unlängst eine Analyse zum aktuellen Stand der Agrarreform in Brasilien herausgegeben, die auf der Seite der Landlosenbewegung MST veröffentlicht wurde und die KoBra hier in deutschsprachiger Übersetzung dokumentiert.

"Zweieinhalb Jahre nach Beginn der dritten Amtszeit von Präsident Lula bleiben die Maßnahmen, die erforderlich sind, um die Agrarreform im Land voranzubringen, immer noch hinter dem Minimum zurück. Da nur noch wenige Monate Amtszeit sind (die aktuelle Amtszeit der 3. Lula-Regierung endet am 31.12.2026, Anm.d.Ü.), müssen Tempo und Umfang des politischen Handelns von Präsident Lula und den zuständigen Bundesbehörden dringend beschleunigt werden.

Im Gegensatz zur Langsamkeit der Regierung Lula haben die Mandate Temer und Bolsonaro schnell gehandelt, aber um die Strukturen zu zerstören, die die Gesetzgebung durchsetzen und die Agrarreform in Brasilien herbeiführen sollten. Die parlamentarische Agrarfront FPA, der 303 Bundesabgeordnete und 50 Senator:innen angehören, ist im Laufe der Jahre stärker geworden und steuert weiterhin den Kurs des Nationalkongresses. Wir erkennen auch an, dass der Wiederaufbau des Ministeriums für landwirtschaftliche Entwicklung und Familienlandwirtschaft MDA, des Nationalen Instituts für Kolonisierung und Agrarreform INCRA und der Nationalen Versorgungsgesellschaft CONAB seit dem Übergang große Anfangsanstrengungen seitens der Regierung erforderte. Im Jahr 2025, als der zweite Bundeshaushalt der jetzigen Regierung in Kraft trat, gibt es jedoch kaum wirksame Maßnahmen und die Mittel reichen bei weitem nicht aus, um die neu organisierten politischen Strukturen in die Lage zu versetzen, mit der Dringlichkeit zu handeln, die die mehr als 122.000 Familien in den 1.250 Landbesetzungen im ganzen Land benötigen.

Im diesjährigen Haushalt hat die Regierung nur 406 Millionen Reais für Landerwerb und Landenteignungen vorgesehen. Um die Ansiedlung von Familien, die derzeit in Acampamentos leben, zu gewährleisten, müsste das Budget 6,5 Milliarden Reais betragen. Kein Wunder, dass in Lulas dritter Amtszeit nur 3.353 Familien in neuen Agrareformgebieten angesiedelt wurden.

Es ist sehr bedenklich, dass sich noch nicht einmal die am 7. März [dieses jahres, Anm.d.Ü] von Präsident Lula bei einer Zeremonie in Quilombo Campo Grande in der Gemeinde Campo do Meio, im Bundesstaat Minas Gerais, dekretierten Gebiete im Besitz von INCRA befinden. An diesem Tag kündigte Lula die Ansiedlung von 12.297 Familien in 24 Bundesstaaten an und unterzeichnete sieben Enteignungsdekrete, durch die 13.300 Hektar an die Agrarreform zurückgegeben wurden, die 800 Familien zugute kommen könnten.

Angesichts der Langsamkeit der Bundesregierung verteilen die Bundesstaaten in rasantem Tempo Titel für öffentliches Land an Grileiros, was der Agrarreform und den öffentlichen Kassen in einem angeblichen Prozess der Landregulierung eklatanten Schaden zufügt. Dies geschieht u.a. in São Paulo, Roraima, Rondônia, Tocantins und Piauí.

Gleichzeitig hat INCRA in vielen Bundesstaaten lediglich Eigentumstitel an Familien verteilt, die sich bereits niedergelassen haben, und damit die Rekonzentration von Land durch den Markt vorangetrieben.

Der Zugang der angesiedelten Familien zum Nationalen Programm zur Stärkung der landwirtschaftlichen Familienbetriebe PRONAF, das Finanzmittel zu subventionierten Zinssätzen bereitstellt, wird wiederum durch den Mangel an verfügbaren Haushaltsmitteln eingeschränkt. Die unzureichenden Mittel, die für das staatliche Nahrungsaufkaufprogramm PAA bereitgestellt werden, führen dazu, dass nur sehr wenige Familien an diesem Programm teilnehmen können, was sich in steigenden Nahrungsmittelpreisen niederschlägt, die die Inflation ansteigen und die Zustimmung zur Regierung Lula in der Bevölkerung sinken lassen. Die Ausweitung des Nationalen Programms für Bildung in der Agrarreform PRONERA schlug sich nieder in nur 48,6 Millionen Reais, obwohl der Bedarf dreimal so hoch gewesen wäre.

Als ob das nicht genug wäre, wurden nicht einmal politische Richtlinien, die in den letzten Tagen der Regierung Bolsonaro erlassen wurden, ausgesetzt oder widerrufen, wie die IN 112, die Bergbau- und große Bauprojekte in ländlichen Ansiedlungsprojekten erleichtert. Organisationen der Zivilgesellschaft, die Alternativen zu dieser IN vorschlagen wollten, wurden von der Regierung systematisch ignoriert.

Anderthalb Jahre vor dem Ende ihrer Amtszeit hat die Regierung nur wenig Zeit, um das Tempo der öffentlichen Maßnahmen zur Stärkung der Agrarreform in Brasilien zu beschleunigen.

Vorstand der ABRA
Brasil, 17 de julho de 2025"

Übersetzung: christian russau

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