Bundesstaatsanwaltschaft MPF: Justizministerium muss Sawré Muybu als Terra Indígena demarkieren

Bundesstaatsanwaltschaft MPF fordert das Justizministerium auf, endlich den Demarkierungsprozess des Gebietes Sawré Muybu der Munduruku als Terra Indígena voranzutreiben. Die Bundesbehörde setzte dem Justizministerium dafür eine Frist von 60 Tagen.
| von Christian.russau@fdcl.org
Bundesstaatsanwaltschaft MPF: Justizministerium muss Sawré Muybu als Terra Indígena demarkieren
Munduruku mit der damaligen UN-Sonderberichterstatterin Vicky Tauli-Corpuz, Foto: Christian Russau (2016)

Im Südwesten des amazonischen Bundestaates Pará liegt das Gebiet Sawré Muybu, in der Nähe der Stadt Itaituba. Dort lebt das indigene Volk der Munduruku seit mindestens drei Jahrhunderten im Einzugsgebiet des Flusses Tapajós, einem der vielen Zuflüsse des Amazonas. Das indigene Volk der Munduruku zählt heute mehr als 13.000 Menschen, die in 142 Dörfer am Ober- und Mittellauf des Flusses leben. Aber die Munduruku werden bedroht: durch Großprojekte wie Staudämme und Wasserstraßen, durch Bahnlinien zum vermehrten Transport von Erzen, Agrarrohstoffen und weiteren Gütern, durch den weiter massiv anhaltenden Ausbau des Sojaanbaus sowie durch die in der Region um Itaituba und Miritituba wie aus dem Boden sprießenden Sojaterminals der Multis um Cargill, Bunge, Maggi oder ADM. Nicht zuletzt und vielleicht am gewalttätigsten sind die Bedrohungen, denen die Munduruku durch den illegalen Goldbergbau in ihren Gebieten ausgesetzt sind. Bewaffnete Banden in Kumpanenschaft mit der organisierten Kriminalität (nicht selten gestützt durch Hintermänner in Politik, Wirtschaft und Justiz) beuten das Land der Munduruku illegal aus, roden Wälder, graben mit ihren hydraulischen Baggern das Erdreich um und gewinnen das Golderz durch die Mischung mit Quecksilber, dass die Luft, das Erdreich und das Wasser vergiftet und so in die Nahrungskette gelangt und die Indigenen selbst und ihre Kinder schleichend vergiftet.

Gegen all das gäbe es eine einfache Antwort, die den Kampf der Munduruku um ihr Land weit voranbringen würde: wenn die brasilianische Bundesregierung endlich das Gebiet der Munduruku - Sawré Muybu - als Terra Indígena demarkieren und homologisieren würde.

Dies fordert nun die Bundesstaatsanwaltschaft MPF und übersandte dem Justizministerium eine Dringlichkeitsnote, in der sie das Justizministerium auffordert, endlich den Demarkierungsprozess des Gebietes Sawré Muybu der Munduruku als Terra Indígena voranzutreiben. Die Bundesbehörde setzte dem Justizministerium dafür eine Frist von 60 Tagen.

Binnen dieser Frist von 60 Tagen müsse das Justizministerium, so die Bundesstaatsanwaltschaft MPF, alle notwendigen Schritte unternehmen, um ein Dekret zu veröffentlichen, das das Gebiet als traditionell besetztes Gebiet des Munduruku-Volkes erklärt, das sich schon seit fast 20 Jahren um eine Legalisierung des Gebiets bemüht. Nach Angaben der Bundesstaatsanwaltschaft MPF begannen die Vorstudien für die Demarkation des Gebiets bereits im Jahre 2004, damals auf Antrag des Munduruku-Volkes selbst. Erst acht Jahre später - im Jahre 2012 - setzte die Indigenenbehörde FUNAI unter der damaligen Präsidentin Dilma Rousseff die technische Gruppe ein, die für die Erstellung des detaillierten Berichts zur Identifizierung und Abgrenzung des indigenen Landes zuständig war. Im Anschluss an das rechtliche Verfahren wurde der Bericht im April 2016 im Bundesanzeiger Diário Oficial da União veröffentlicht. Zu Beginn der Einspruchsphase wurden gegen diesen Bericht sieben verwaltungsrechtliche Einwände erhoben, die alle geprüft und letztlich für unbegründet befunden wurden, so das MPF. Als nächster Schritt wurde das Verfahren gemäß dem Dekret 1775/1996 an das Justizministerium weitergeleitet, damit dieses das Dekret zur Festlegung der Grenzen des abzugrenzenden Gebiets erlässt. Im Fall des Sawré Muybu Indigenen Landes geschah diese Weiterleitung im Jahre 2019. Doch noch im selben Jahr - unter der Regierung Bolsonaro -wurde das Verfahren jedoch an die FUNAI zurückgegeben, laut MPF "ungerechtfertigterweise". Seitdem ist die Demarkierung völlig zum Stillstand gekommen, so das MPF.

Im April 2023 habe die Indigenenbehörde Funai - so die Mitteilung des MPF - den Prozess bezüglich der Terra Indígena Sawré Muybu an das Bundesjustizministerium in Brasília zurückverwiesen. Bei der Weiterleitung des Verfahrens an das Ministerium erkannte die FUNAI demnach an, dass alle Elemente, die die traditionelle Besetzung des Gebiets kennzeichnen, erfüllt seien. Nach den Rechtsvorschriften hätte der Justizminister bis zu 30 Tage Zeit, ein Dekret zu erlassen, in dem die Grenzen des indigenen Landes festgelegt werden, oder das Verfahren zur Ergänzung zurückzugeben. Bislang ist jedoch noch nichts geschehen, so das MPF.

In der Empfehlung unterstreicht das MPF, dass alle technischen und rechtlichen Schritte ordnungsgemäß durchgeführt wurden, einschließlich der Analyse der eingegangenen Beschwerden, die alle als unbegründet eingestuft wurden. Die Verzögerung der Demarkation sei nun eine Folge des Versäumnisses der föderalen Exekutive, das Verfahren weiterzuverfolgen, so das MPF. Das MPF weist zudem darauf hin, dass die Ausstellung des Feststellungsbeschlusses durch das Justizministerium ein verbindlicher Akt ist, was bedeutet, dass das Ministerium den Beschluss nur dann nicht ausstellen kann, wenn die in der Bundesverfassung und im Dekret 1775/1996, das die Angelegenheit regelt, festgelegten Anforderungen nicht erfüllt sind. In der Empfehlung wird auch darauf hingewiesen, dass der Oberste Gerichtshof und das Bundesgericht der 1. Region wiederholt entschieden haben, dass das gesamte Demarkationsverfahren innerhalb eines Zeitraums von 12 bis 30 Monaten abgeschlossen werden muss, ein Zeitraum, der im Fall des Sawré-Muybu-Indianerlandes längst überschritten wurde. Nach Ansicht der Bundesstaatsanwältin Thaís Medeiros, die die Empfehlung verfasst hat, "führt die fehlende staatliche Anerkennung des indigenen Landes Sawre Muybu durch die Demarkierung zu Invasion, zu Zerstörung und zu Aneignung von Bundesland, das ausschließlich der indigenen Bevölkerung gehört, sowie zu dessen Nutzung durch Großunternehmen".

// Christian Russau