Die brasilianische Vereinigung für Agrarökologie veranstaltete im Oktober 2025 den 13. brasilianischen Kongress für Agrarökologie (CBA)

In diesem Jahr war die Stadt Juazeiro im Norden Bahias und damit im Biom der Caatinga gelegen zum ersten Mal Gastgeber eines Kongresses der CBA. Juazeiro ist ein symbolträchtiges Gebiet für die familiäre Landwirtschaft mit ihren Debatten über die „Convivencia com o Semi-Arido“, also der nachhaltigen, an Natur und Klima angepassten Lebens- und Produktionsweise. Das zentrale Thema des Kongresses lautete „Agrarökologie, brasilianische Territorien und Klimagerechtigkeit”.
| von Jussara Dantas (Coopercuc) und Kurt Damm
Die brasilianische Vereinigung für Agrarökologie veranstaltete im Oktober 2025 den 13. brasilianischen Kongress für Agrarökologie (CBA)

Das zentrale Thema des Kongresses lautete „Agrarökologie, brasilianische Territorien und Klimagerechtigkeit”. Bei der Organisation und dem Ablauf orientierte sich der Kongress an den drei strukturellen Zielen der agrarökologischen Bewegung:

 

  • Diskussionen und Prozesse vorbereiten: Die Organisation von Debatten auf lokaler und regionaler Ebene im Vorfeld des Kongresses fördern, um verschiedene Akteure in den Prozess des Aufbaus agroökologischen Wissens einzubeziehen. Begünstigung der Beteiligung und der Zusammenarbeit unterschiedlichster Gruppen gewährleisten.
  • Dialoge fördern: Verschiedene Wissensbereiche miteinander verbinden. Beispielsweide die wissenschaftliche Ebene mit traditionellen, volkstümlichen Kenntnissen in Dialog bringen. Den Erfahrungsaustausch zwischen verschiedenen Gruppen, wie Landwirt*innen, Forscher*innen, Student*innen, indigenen Völkern, Quilombolas und Aktivist*innen sozialer Bewegungen vertiefen.
  • Wissen systematisieren: Die Ergebnisse von Debatten und Forschungsarbeiten, die auf den Kongressen vorgestellt wurden sammeln und organisieren, damit sie in Form von Referenzmaterialien die Formulierung von „politicas publicas“ unterstützen können. Diese Systematisierung sollen auch die Agrarökologie als wissenschaftliches und politisches Feld festigen.

 

Die Eröffnungsveranstaltung befasste sich mit Überlegungen des Zusammenlebens mit den Territorien, der Bewältigung der Klimakrise und der Rolle der Politicas Publicas .

Das weitere Programm umfasste Debatten mit ca. 2.700 Aktivitäten. Wissenschaftliche Arbeiten, Messen, politischen Veranstaltungen und kulturelle Aktivitäten. Der Kongress versammelte rund 8.000 Teilnehmer und würdigte die Erzählungen und die Praktiken von Kleinbauern, indigenen Völkern, Quilombolas, handwerklichen Fischern und weiteren traditionellen Gemeinschaften.

Dieser Kongress in Juazeiro zeichnete sich auch dadurch aus, dass er von der Funai (Fundação Nacional dos Povos Indígenas / Nationale Stiftung für indigene Völker) mitfinanziert wurde. Dies garantierte nicht nur die physische Anwesenheit von Vertretern der ursprünglichen Bevölkerung, sondern auch deren aktive Beteiligung an der Gestaltung von Debatten und politischen Entscheidungen. Damit unterstrich der Kongress die zentrale Rolle der traditionellen Völker beim Aufbau der Agrarökologie.

Zu den meistdiskutierten Themen gehörten die Klimagerechtigkeit, Ernährungssysteme, Ernährungssicherheit und Ernährungssouveränität, Fragen nach den Territorien und damit auch die Abgrenzung und Anerkennung indigener Gebiete, die Agrarreform, Fragen im Zusammenhang mit dem Kampf gegen Pestizide und Gentechnik mit deren Auswirkungen auf die Gesundheit, Geschlechterfragen, Wissen traditioneller Gemeinschaften in Bezug auf Biodiversität, Management von Agrarökosystemen, sowie Fragen zu Abstammung und Bildung von Jugendlichen.

Die Diskussionen mündeten in der Ausarbeitung politischer Briefe, in denen strukturelle „politicas publicas“ gefordert werden, die unter effektiver Beteiligung der direkt betroffenen Personen ausgearbeitet werden sollten.

Der Schwerpunkt der Diskussionen betraf nicht nur Fragen der kleinbäuerlichen Innovationfähigkeiten, wie sie  in den sozialen Technologien und der solidarischen Wirtschaft zum Ausdruck kommen, sondern auch auf Herausforderungen, die sich durch die klimatischen Veränderungen für das Bioms Caatinga ergeben, also der Region die als Gastgeberin für den Kongress verantwortlich war. (Siehe Artikel in der Zeitschrift Brasilicum Nr. 274-275, Seite 22 ff., Oktober 2024).

Die vorgestellte Vision der Agrarökologie, die selbst noch als Herausforderung angesehen wird, wird als Grundlage für ein neues Modell der ländlichen Entwicklung betrachtet, das sich auf resiliente und gerechte Territorien konzentriert. Voraussetzung dafür ist nicht nur eine bessere Integration der agrarökologischen -Netzwerke im ganzen Land, sondern auch das Engagement von Regierungen und den sozialen Bewegungen für eine Politik zur Bekämpfung von Hunger und damit zur Ernährungssicherheit.

In diesem Zusammenhang wurde die qualifizierte Integration traditioneller Völker in Programme wie PAA und PNAE sowie die Ausweitung von Initiativen wie dem Programm Ecoforte diskutiert. Programme die auf die Stärkung von Netzwerken für Agrarökologie und ökologische Produktion abzielt. (siehe weiter unten)

Beteiligung von Coopercuc und Erfahrungen aus dem Semiárido

Die Gastgeber des Kongresses waren vor allem die Organisation ASA (Articulação Semiárido Brasileiro) und regionale Genossenschaften wie Coopercuc aus Uauá–BA. Die Kooperative bot nicht nur ihre Produkte aus der Caatinga an, sondern trugen auch mit Diskussionen zum Erfahrungsaustausch des Kongresses bei.

Coopercuc, bekannt für die Herstellung von Konfitüren aus einheimischen Früchten der Sammelwirtschaft wie „Umbu“ und „Maracuja-da Caatinga“, hat sein Portfolio im Laufe der Jahre erweitert und neue Produkte wie Umbu-Bier, oder Ziegenkäse kreiert. In Kooperation mit dem französischen Unternehmen L’Occitane wurde eine Kosmetikcreme auf Mandacaru-Basis entwickelt, die vor allem in Frankreich vermarktet wird. Die Genossenschaft hat sich  zu einer Referenz für die Umsetzung sozialer Technologien entwickelt. Hierzu gehören vor allem eine angepasste und partizipative ATER (landwirtschaftliche Beratung) , die Organisation von Frauengruppen und Jugendlichen, die Bekämpfung der Wüstenbildung und die Förderung weiterer nachhaltiger Praktiken im Semiárido.

 

Produkte von Coopercuc auf dem Kongress

Während des Kongresses präsentierte Coopercuc eine breite Palette von Produkten wie Marmeladen, Süßigkeiten und Craft-Biere, die aus Früchten der Caatinga hergestellt werden. Mit ihrer Arbeit sorgt die Kooperative für territoriale Identität, Nachhaltigkeit und der Schaffung von Einkommen für Hunderte von Bauernfamilien.

Diese Produkte verdeutlichen auch das Potenzial der Bioökonomie der Caatinga, indem sie agroökologische Produktion, nachhaltige Rohstoffgewinnung, kulturelle Anerkennung und Aufwertung miteinander verbinden.

Die Genossenschaft teilte auch ihre Erfahrungen in der Milchziegenhaltung, zu der eine kommunale Molkerei für die Herstellung von pasteurisierter Milch, Joghurt und handwerklich hergestelltem Käse gehört. In Zusammenarbeit mit Landwirten der Kooperative und der Unterstützung der Regierung von Bahia sorgt die Initiative für eine Diversifizierung der Produktion, für Ernährungssicherheit und eine Stärkung der regionalen Solidarwirtschaft.

Soziale Technologien und Ausbildung

Coopercuc hob außerdem sein Engagement für die Gleichstellung der Geschlechter und die Einbeziehung junger Menschen hervor: 60% seiner Mitglieder sind Frauen und 20% sind junge Menschen, die an Ausbildungsprogrammen in den Bereichen Agrarökologie, Edu-Kommunikation und ländliches Unternehmertum teilnehmen. Darüber hinaus stellte sie das System Agro Caatinga vor, das auf nachhaltige Bewirtschaftung und Umweltregeneration ausgerichtet ist. Sie bekräftigte auch die Bedeutung einer partizipativen ATER (landwirtschaftlichen Beratung9, das lokale Wissen anerkennt, die produktive Autonomie stärkt und den agroökologischen Wandel vorantreibt.

Neue Projekte. Das Ecoforte-Programm

Im Rahmen des Kongresses fand auch das Treffen der territorialen Netzwerke für Agrarökologie statt, an dem 41 Netzwerke teilnahmen. Diese Netzwerke werden von dem 2023 wieder aufgenommen Programm Ecoforte in ihrer Arbeit unterstützt. Ziel des Programms, das in Kooperation mit der Fundação Banco do Brasil, der BNDES, ANA und ASA durchgeführt wird, ist, eine Neustrukturierung der „Nationale Politik für Ökologische Landwirtschaft und Biologische Produktion“ PNAPO.

Für die Kooperative Coopercuc bedeutet dies, dass das Netzwerk der aus den Gemeinden Uauá und Canudos (BA) gestärkt wird. Diese Initiative wird in dem Zeitraum 2024–2027 Referenzanlagen wie eine Baumschule, neue Agro-Caatinga-Flächen, das Lager der Genossenschaft und die Obstverarbeitungsindustrie erweitern. Das Projekt zielt darauf ab, den agroökologischen Wandel, den Erhalt der biologischen Vielfalt, die produktive Inklusion, die Beteiligung von Frauen und Jugendlichen sowie die Autonomie von Bauernfamilien zu fördern und dabei traditionelles Wissen und technisches Know-how miteinander zu verbinden.

Die politischen Erklärungen des 13. CBA

Am Ende des Kongresses wurden sieben politische Erklärungen verabschiedet, die das Ergebnis eines Prozesses des Zuhörens, der Debatten und der Annäherung zwischen den Netzwerken und den sozialen Bewegungen waren. Die Erklärungen prangern die Widersprüche des agroindustriellen Modells an und bekräftigen die Agrarökologie als konkrete Alternative angesichts der Klima- und Nahrungsmittelkrise.

In der Allgemeine Politische Charta ruft sie die Regierungen und die Zivilgesellschaft dazu auf, Programme wie Ecoforte, PLANAPO, Pronara und PNPIAF zu stärken und fordert die Anerkennung indigener Gebiete, eine Agrarreform und Ernährungssouveränität. Das Dokument stellt einen Dialog mit der COP 30 her und plädiert für die internationale Anerkennung der Agrarökologie als Strategie zur Bewältigung von Klimakrisen.

Die weiteren Erklärungen umfassen folgende Thematiken:

  • VII. Charta der experimentierenden Landwirtinnen und Landwirte, die die Schaffung eines Nationalen Fonds für agroökologische Innovation vorschlägt.
  • Charta der indigenen Völker, prangert Rechtsverstöße an und fordert die Anerkennung von Landtitel sowie den Zugang zu ATER-Politiken.
  • Charta der „Teia dos Povos“, bringt den Kapitalismus mit Rassismus und Patriarchat und mit den strukturellen Ursachen der sozioökologischen Krise in Verbindung.
  • Brief des Rachel Carson Zeltes, konzentriert sich auf den Kampf gegen Pestizide und die dringende Umsetzung des Pronara Programms.
  • Brief der Bewegung der handwerklichen Fischerinnen und Fischer, fordert die Anerkennung der handwerklichen Fischerei als agroökologische Praxis.
  • Brief des Kollektivs ReTransA, bekräftigt die Notwendigkeit der Einbeziehung und Achtung von trans- und nicht-binären Personen in die agroökologische Agenda.

https://cba.aba-agroecologia.org.br/leia-as-sete-cartas-politicas-do-13o-cba-e-fique-por-dentro-dos-debates-mais-recentes-sobre-agroecologia/

Die Briefe bringen die Stärke, Vielfalt und Einheit der brasilianischen agroökologischen Bewegung zum Ausdruck. Sie sind ein kollektiver Aufruf zum Handeln und bekräftigen, dass der Aufbau einer gerechten und nachhaltigen Gesellschaft von der Anerkennung des Wissens der Völker, der Gleichstellung der Geschlechter, der Wertschätzung der Jugend und dem Schutz der Territorien und der Natur abhängt.