Zwischen Wahlparty und Progrom

Nun steht es fest: Brasilien wird ab dem 01.01.2019 von einem rechtsextremen Präsidenten regiert. Niemand, auch nicht der frisch gewählte Präsident, weiß wohin die Reise gehen wird.
| von Fabian Kern
Zwischen Wahlparty und Progrom
Solidarität!

In seiner ersten Ansprache nach dem Wahlsieg gab sich der künftige Präsident zurückhaltend. Die ersten drei Minuten überlässt Bolsonaro erst einmal einem Pfarrer, der gemeinsam mit allen betet. Auch der künftige Regierungschef beschreibt seine Aufgabe als eine Gottesmission auf der er sich befinde und dankt dem Herren dafür, dass er ihn vor dem Tod gerettet hat.

Dann verließt er seine Siegesrede:

"Diese Regierung wird die Verfassung, die Demokratie und die Freiheit verteidigen. Das ist ein Versprechen, nicht einer Partei, sondern ein Versprechen vor Gott"

Neben dem allgegenwärtigen Thema Religion versichert Bolsonaro aber auch, dass Freiheit für ihn ein wichtiges Gut ist. Die Freiheit, sich frei zu bewegen. Die politische Freiheit. Die Meinungsfreiheit. Er sagt, dass Brasilien ein Land der verschiedenen Farben und Orientierungen ist. Er macht aber auch klar, dass Freiheit explizit auch für Unternehmer gelten muss und lässt an dieser Stelle durchblicken, dass diese sich auf marktliberale Reformen freuen dürfen. Er will die Bürokratie abbauen und das Geld des Staates auf die Bundesstaaten und die Kommunen verteilen. "Weniger Brasília - mehr Brasilien" ist hier die Losung.

Die Glaubwürdigkeit dieser ersten Erklärung darf vor dem Hintergrund seiner bisherigen Äußerungen bezweifelt werden. Aber selbst wenn er diese Ausführungen ernst meint, ist es sehr unwahrscheinlich, dass er die Geister, die er rief, kontrollieren kann.  Ein Bolsonaro-Anhänger fragte auf twitter: "Ist es jetzt erlaubt, Schwarze, Schwule und Bewohner von Bahia zu verprügeln?" Ebenso wie die Auseinandersetzung in den USA mit der Radikalisierung des Diskurses immer gewalttätiger werden, eskaliert auch die Gewalt in Brasilien.

Allein im Monat Oktober wurden auf einer "Karte der Gewalt" mehr als 150 politische Angriffe dokumentiert. Eine Liste, die sicherlich  nicht vollständig ist. Am Wochenende des zweiten Wahlgangs wurde ein PT-Anhänger im Bundesstaat Ceara von einem Bolsonaro-Anhänger erschossen und ein 8-jähriges Mädchen starb im Bundesstaat Paraná, nachdem sie von einer "bala perdida" ("verirrte Kugel" - Querschläger) bei einer Wahlparty getroffen wurde. In Pernambuco ging eine indigene Schule in der Wahlnacht in Flammen auf.

Die Reaktionen der EU-Kommission beschränkten sich zunächst auf mahnende Worte und rief dazu auf die Demokratie zu wahren. Die Bundesregierung und das Auswärtige Amt äußerten sich in ihrer Pressekonferenz zurückhaltend. Deutschland stehe einer Zusammenarbeit auf der Grundlage gemeinsamer Werte offen gegenüber, weil das der Größe und Bedeutung Brasiliens entsprechen würde. Bolsonaros Äußerungen im Wahlkampf gäben Anlass zur Sorge, aber er würde an seinen Taten gemessen werden.

Gefreut haben sich die üblichen Verdächtigen. Donald Trump hatte ein "ex­zel­lentes Gespräch" mit Bolsonaro, und die AfD-Fraktion freut sich über einen Glaubensbruder auf der anderen Seite des Ozeans. Ein Politikerin der Bolsonaro-Partei kopierte auch gleich eine der dümmsten AfD-Ideen, indem sie eine Plattform startete, auf der Studierende Videos von "politisch indoktrinierten" Professor*innen hochladen können.

Brasilien stehen sehr wahrscheinlich äußerst finstere Zeiten bevor. Die Sicherheitslage von Journalist*innen, Aktivist*innen und Minderheiten wird als stark bedroht wahrgenommen. Deshalb haben wir uns gemeinsam mit weiteren Brasilien-Aktiven entschieden, Kontaktdaten von Menschen zu sammeln, die im deutschsprachigen Raum potentielle Flüchtlinge aus Brasilien bei ihrer Ankunft unterstützen könnten.

Diese Daten werden ausschließlich für den Zweck der Unterstützung von politisch verfolgten Brasilianer*innen im deutschsprachigen Raum gesammelt und stehen unter unseren strengen Datenschutzrichtlinien.

Wir hoffen, dass wir diese Daten nicht benötigen werden, und dass die Situation in Brasilien nicht weiter eskaliert.

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