Dom Cappio auf dem KoBra-Seminar und Mitgliederversammlung

Fluss – Recht – Leben: Fasten für die Menschenrechte
| von Beatriz Bohner

Im Zuge seiner Deutschlandreise, bei der Dom Luiz Cappio den Kant-Weltbürgerpreis in Empfang nahm, besuchte er am Freitag, den 8. Mai 2009 in Begleitung von Andrea Zellhuber und Ruben Siqueira vom CPT-Bahia das KoBra-Seminar. Thema des Seminars war der Widerstand gegen die Umleitung des Rio São Francisco, dem sich der brasilianische Bischof seit vielen Jahren verschrieben hat.

Durch die Anwesenheit Dom Cappios in Deutschland inspiriert, beschäftigte die Teilnehmer des Seminars vor allem folgende Frage: Wie kann die Diskussion über die Thematik des São Francisco vertieft werden und auf den deutschen Kontext übertragen werden? Oder präziser formuliert: was kann die Widerstandsbewegung hier in Deutschland tun, um den Kampf vor Ort effizienter zu unterstützen?
Dom Cappio drückte zunächst seine große Freude darüber aus, dass er hier in Freiburg auf Brasilianer und Deutsche stoße, die sich trotz der großen geographischen Entfernung derart für Brasilien einsetzten. Die Solidarität aus Deutschland sei außerordentlich wichtig für die Menschen am Rio São Francisco, so Cappio. Der politische Einsatz der Bewegung in Europa übe großen Druck auf die brasilianische Regierung aus und sei dadurch ein wertvolles Instrument im Kampf gegen die Umleitung. Daher sollten sich alle, die ihn unterstützt hätten, als Empfänger des Weltbürgerpreises verstehen – er selbst sei nur ein Symbol für die Bewegung als Ganzes.

Auch Ruben Siqueira betonte, dass die Unterstützung von KoBra immer sehr wichtig für den Widerstand gewesen ist. So zum Beispiel 2007, als die Bewegung einen Höhepunkt in ihrem Kampf erlebte. Damals gelang es durch den gemeinsamen Einsatz Präsident Lula dazu zu bringen, endlich die Stimme des Volkes anzuhören, das gegen die Umleitung des Flusses ist. In diesem Kontext habe Lula selbst gesagt, dass er Cappio nicht ausstehen könne, da dieser ihn dazu brächte, Dinge zu tun, die er nicht möchte.

Das Großprojekt konnte bisher jedoch nicht gestoppt werden. Als eines der vielen Missstände zeigte Ruben Siqueira auf, dass viele Firmen, die von der Regierung mit der Umleitung beauftragt worden waren, in die eigene Tasche wirtschaften könnten, noch bevor sie überhaupt mit der Arbeit angefangen hätten. Siqueira zufolge läge dies unter anderem daran, dass die Regierung die Gelder für die Bauvorhaben im Voraus bezahle. Die Firmen würden sich durch den Kauf von Materialien und durch Anlagen auf eigene Konten so lange eigenen Profit verschafften, bis sie den Bau wieder aufgäben.

Siqueira berichtete, wie die Widerstandsbewegung bei ihren Besuchen in den Gebieten, in denen bereits Kanäle entstanden sind, eine große Unzufriedenheit bei der Landbevölkerung festgestellt habe. Das Wasser würde in Gebiete umgeleitet, in denen gar kein Wassermangel bestehe, da dort bereits mehrere Stauseen existierten. Darüber hinaus seien die Baustellen zu militarisierten Gebieten geworden und die Anwohner seien dadurch in ihrem Widerstand eingeschüchtert. Die Militärs, welche die Baustellen vor unbefugtem Betreten – vor allem durch die Protestbewegung - bewachen sollen, sind angewiesen, unter der Bevölkerung Propaganda für das Großprojekt zu machen.

Trotz dieser weiterhin bestehenden Probleme, sei die Verleihung des Kant-Weltbürgerpreises eine wichtige Errungenschaft für die Bewegung, so Andrea Zellhuber. Auf die Arbeit Dom Cappios und seiner Mitstreiter sei die Kant-Stiftung vor allem durch die Unterstützung des internationalen Solidaritätsnetzwerks und die dadurch entstandene Medienpräsenz aufmerksam geworden. Andrea Zellhuber berichtete vor allem vom Widerstand der indigenen Bevölkerung gegen die Großprojekte der Regierung, die im Zuge des PAC-Programms durchgeführt werden und zu denen auch die Umleitung des São Francisco zählt. Bei der diesjährigen Widerstandsaktion des „Abril Indígena“ in Brasilia habe der Indigenenführer Neguinho Truká eine Audienz vor dem brasilianischen Senat erhalten. Dabei habe er darauf hingewiesen, dass die indigenen Völker niemals nach ihrer Meinung zum Umleitung des São Fransisco gefragt worden seien. Die Indigenen hätten einen Bericht vorgestellt, der eine von ihnen selbst erstellte Kartierung ihrer Gebiete enthalte. Diese zeige bildhaft die Ungerechtigkeiten auf, die ihnen im Laufe der Geschichte widerfahren sind. Der Bericht, der kürzlich veröffentlich wurde, stelle eine Zusammenfassung der Situation der Indigenen dar und diene als Grundlage für die Forderungen der verschiedenen Völker, so Zellhuber.

Auf die Frage nach einer gezielteren Unterstützung der Widerstandsbewegung durch das KoBra-Netzwerk, gingen die Seminarteilnehmer in einer anschließenden Diskussion ein. Die Brasilianischen Gäste betonten, dass ein thematischer Schwerpunkt darin liegen sollte, die Menschen über die heuchlerische Propaganda der brasilianischen Regierung aufzuklären. Diese behaupte, dass über 13 Millionen Menschen von der Umleitung des Flusses profitieren würden, während tatsächlich die Lobby der Großgrundbesitzer die eigentliche Nutznießerin ist.

Über welche Kanäle eine Unterstützung am Besten funktionieren würde, wurde ebenfalls diskutiert. Ein Einsatz auf rechtlicher Ebene stelle gleichzeitig eine Chance, aber auch ein Risiko dar. Lehnte der Oberste Gerichtshof eine Anklage gegen das Großprojekt am Ende ab, könnte die Bewegung ihre rechtliche Legitimation verlieren. Dennoch könnte es einen Versuch wert sein. Die großen brasilianischen Medien seien dagegen als Instrument für die Bewegung nicht brauchbar, da sie der Regierung nach dem Mund redeten und sich nicht für die Arbeit der Widerstandsbewegungen interessierten. Man sollte sich stattdessen auf regionale und informelle Medien wie das Internet konzentrieren, die sich bereits als große Unterstützung für die Bewegung erwiesen haben.

Es wurde auf die Dringlichkeit von konkreten Aktionen hingewiesen, da die Zeit gegen die Interessen der Umleitungsgegner laufe. Das Bauprojekt schreitet immer weiter voran und der Oberste Gerichtshof würde bald argumentieren können, dass es nun zu spät sei, das Vorhaben noch zu stoppen. Dennoch zeigte sich Dom Cappio zuversichtlich, dass es nicht so weit kommen würde und dass der Kampf noch lange nicht verloren sei. Ethische und Ökologische Ungereimtheiten seien Faktoren, die ein Vorankommen des Projekts verhindern würden. Ein Beispiel dafür sei die Problematik der Agrotreibstoffe, die mittlerweile immer kritischer gesehen wird. Der Bischof kündigte an, dass er sich noch während seiner Deutschlandreise bei einem Misereor-Seminar, an dem auch Vertreter der deutschen Regierung teilnehmen würden, gegen diese Treibstoffe aussprechen wolle. Auch Informationen wie das Sterben von Zuckerrohrschneidern und die Selbstmorde von Indigenen des Kaiowá-Volkes im Zusammenhang mit der Ethanolherstellung änderten nach und nach die allgemeine Sicht auf das Projekt.

Bei der Suche nach alternativen Nutzungsformen für die semi-aride Region des brasilianischen Nordostens wurde vorgeschlagen, die eigenen Ideen der Regierung aufzugreifen. Regierungsorganisationen wie das ANA (Nationales Wasserbüro) hätten bereits sinnvolle Vorschläge für eine Verteilung und Demokratisierung des Wassers entwickelt. Diese Alternativen würden jedoch bisher von der Regierung ignoriert, da sie den Interessen der Umleitungslobby entgegenstehen.

Die Umleitungsgegner müssten jedoch darauf achten, nicht von der Regierung instrumentalisiert zu werden. Diese hätte bereits versucht, Diözesen und soziale Bewegungen für alternative Projekte zu gewinnen, die von der Umleitung des São Francisco ablenken sollten.