Englischunterricht zwischen Manaus und Belém

“Hello, nice to meet you!”, das kennen viele Bewohner*innen in den am Amazonas gelegenen Kleinstädten. Auf ein freundliches „How are you?“ erhält man in der Regel jedoch nur einen verschämten Blick zur Seite. Doch ist es erforderlich, dass Englisch hier unterrichtet wird?
| von Hanna Richter
Englischunterricht zwischen Manaus und Belém
Fortbildung in Óbidos

Englisch ist die am weitesten verbreitete Sprache der Welt und gilt somit als wichtige Wirtschafts- und Wissenschaftssprache. Besonders durch das Internet wird der internationale Informations- und Meinungsaustausch ermöglicht, der überwiegend auf Englisch stattfindet. Und selbst das Reisen in fremde Länder setzt oft grundsätzliche Englischkenntnisse voraus.


Woran liegt es dann, dass zwischen Manaus und Belém kaum jemand Englisch spricht? Eines der grundlegenden Probleme hierfür ist die fehlende Ausbildung des Lehrpersonals. Eine Fortbildung von mehr als dreißig Lehrer*innen in der Kleinstadt Óbidos zeigt deutlich, dass bei der Mehrheit keine Grundlagen vorhanden sind. Schon einfachste Übungen wie zum Beispiel das Ausdrücken der Lieblingsfarbe ist eine Herausforderung.
Da stellt sich die Frage, weshalb und mit welcher Ausbildung die Lehrer*innen in die Schulen geschickt werden. Eine Frau berichtet, sie sei vom Schulleiter gefragt worden, ob sie die vakante Stelle für den Englischunterricht übernehmen könne. Sie steht also ohne spezielle Ausbildung vor den Schluklassen. Ein älterer Herr erklärt, er habe in der nächstgrößeren Stadt Santarém innerhalb von ein bis zwei Monaten ein Zertifikat für die Lehrertätigkeit im Fach Englisch erworben, was jedoch bereits einige Jahre her sei.
Unter den gut dreißig Lehrer*innen gibt es zwei, die fließend Englisch sprechen. Grayce, die Mitinitiatorin der Fortbildung betont, sie habe damals Glück gehabt, dass sie Verwandte in Belém, der Hauptstadt von Pará, hatte. Bei ihnen konnte sie kostenfrei wohnen und sich so das Englischstudium an der Universität leisten. Sie zeigt auch die Lehrpläne und Schulbücher, die an der Schule in Óbidos unterrichtet werden. Auf dem Papier funktioniert es. Es gibt die Möglichkeit, Englisch auf Hochschulniveau zu studieren und auch vernünftige Unterrichtsbücher für den Schulalltag sind vorhanden. Doch nur zwei der über dreißig Lehrer*innen partizipierten von dem Bildungssystem. Die Übrigen haben Schwierigkeiten, die Aufgaben aus dem Englischbuch zu verstehen. Da leuchtet es ein, weshalb bei den Schülern kaum etwas ankommt.


Zusätzlich erschwert wird die Ausbildung durch große Distanzen. Die Lehrer*innen aus den ländlichen Gebieten sind teilweise um Mitternacht auf das Schiff gestiegen, um morgens an der Fortbildung teilzunehmen. Ohne Laptop, Internet und mit einer nur unregelmäßigen Stromversorgung haben sie kaum die Chance, ihre Kenntnisse selbstständig auszubauen.
Doch es gibt Hoffnung! „Wir wollen lernen!“, äußern sich die Lehrer*innen einstimmig. Es kommt zu einer lebendigen Diskussion darüber, wo in der Fortbildung angesetzt werden soll. Auch die zeitliche Ausweitung des Kurses wird vorgeschlagen. Denn auch die Lehrer*innen sind frustriert von der Situation und haben Angst, dass von Schüler*innen eine Frage gestellt wird, die sie nicht beantworten können.

 


Der Artikel beschreibt die Eindrücke einer 23-jährigen Deutschen, die ein 3-monatiges Praktikum in der Diözese Óbidos verbringt und dort die Fortbildung mit den Englischlehrer*innen durchführt.