Wir wünschen einen unglücklichen Weltfrauentag

Preisschwankungen im Supermarkt zu erkennen, das ist die Rolle der Frau in der Wirtschaft, natürlich neben der Verantwortung Kinder zu bekommen und großzuziehen. Was nach den Dreißiger Jahren klingt, war in Wirklichkeit ein Teil der Ansprache des brasilianischen Präsidenten Michel Temer zum Internationaen Frauentag 2017.
| von Stefani Rackes da Silva
Wir wünschen einen unglücklichen Weltfrauentag
Foto de Janine de Morais, disponibilizado por Mídia Ninja (CC BY 2.0)

Bis zu dieser Ansprache wurde der Internationale Frauentag in Brasilien nicht mit Resignation oder einem gespielten Lächeln für die Blumen und die Glückwünsche zu unserem ganz besonderen Tag gefeiert. Die Frauen erinnerten sich an die Scheinheiligkeit einiger Brasilianer, die sich als "Besitzer" der Frauen das Recht herausnehmen, diese anzugreifen und ihrem angeblich angestammten Platz zuzuweisen, der, natürlich, nicht an den Universitäten oder auf dem Arbeitsmarkt ist. Das schlimmste ist: Die Wünsche der Frauen scheinen überhaupt keine Rolle zu spielen. Aber natürlich gratulieren sie zu unserem ganz besonderen Tag...

Der Präsident Temer bestätigt nur die Sichtweise, dass für einige Brasilianer „Feliz dia das mulheres“ nur willkommen ist, solange die Frauen tun, was den Männern gefällt.

Auf dem Rathausplatz in Freiburg gibt es massenhaft Informationsstände von Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen. Es war ein regnerischer Tag, aber die Frauen waren beharrlich und ließen sich davon nicht stören. Beratung für Frauen, die über eine Abtreibung nachdenken (ein sehr schwieriges Thema in Brasilien, über das man meist nicht offen reden kann), Religionsfreiheit und Hilfe für Frauen aus anderen Ländern sind Besipiele für Tätigkeitsbereiche. Zudem gab es reichlich Diskussionen über die staatliche Unterstützung für Frauen. Aber dass Deutschland in Sachen Gleichberechtigung der Geschlechter ein strahlendes Vorbild ist, ist immer noch ein Mythos. Enorme Unterschiede bei der Kindererziehung, sexuelle Belästigung, häusliche Gewalt und ungleiche Bezahlung sind in Deutschland und weltweit noch sehr verbreitet. Der Unterschied ist, dass hier in Deutschland, die Rede Temers großen Aufruhr verursacht hätte, nicht zuletzt, weil wir ja nicht mehr in den Dreißiger Jahren sind, oder?

In Brasilien wurde der internationale Frauentag beinahe wie ein Begräbnis mit großen Menschenmassen auf den Straßen gefeiert. Eine Totenfeier für tausende Frauen, die auch heute noch Opfer von Gewalt oder illegaler Abtreibungen sind. Ein Trauermarsch für die im Laufe vieler Jahre erkämpften Rechte. Beinahe wie ein Begräbnis, inklusive einer Schweigeminute für die Verstorbenen; die Brasilianerinnen möchten den Schmerz jedoch nicht bekämpfen, sie nutzen ihn als Antrieb für neue Errungenschaften und ihren fortlaufenden Kampf.

Die brasilianische Presse sprach von einem Fauxpas des brasilianischen Präsidenten, doch es ist fraglich ob es tatsächlich nur ein Fauxpas war oder ein überlegter Versuch, den öffentlichen Diskurs zu verschieben und die Stimmen derer zum Schweigen zu bringen, die die Vergangenheit verändert haben oder eine neue Zukunft konstruieren möchten. Es war kein Fauxpas, es war Absicht: Wir wünschen dir einen unglücklichen Weltfrauentag, wage es nicht!