Die neue dreckige Liste der Sklavenarbeit

Über das brasilianische Informationsfreiheitsgesetz ist es der JournalistInnen-Organisation Repórter Brasil gelungen, die neueste Liste der Unternehmen und Personen zu erhalten, die rechtskräftig verurteilt wurden, weil sie ArbeiterInnen in Sklavenarbeit oder in Sklavenarbeit ähnlichen Zwangsarbeitsverhältnissen gehalten haben.
| von Christian Russau
Die neue dreckige Liste der Sklavenarbeit
Die "dreckige Liste" der Sklavenarbeit in Brasilien führen Fazendas an, gefolgt von Holzkohle-, Fleisch- und Bauindustrie. Photo: Im Bundesstaat Pará, Christian Russau, 2016

Dies ist die mittlerweile vierte Liste in den vergangenen 13 Jahren. Zwischen 2003 und 2014 war die Liste immer vom brasilianischen Arbeitsministerium veröffentlicht worden. Im Dezember 2014 aber hatte der Oberste Gerichtshof die Veröffentlichung der Liste untersagt. Knapp zwei Jahren schwelte der Rechtsstreit um die Veröffentlichung der Liste. VertreterInnen der großen LandeigentümerInnen ebenso wie RechtsanwältInnen von Firmen wollen die Veröffentlichung der sogenannten „dreckigen Liste“ verhindern. Im Mai dieses Jahres wurde die Veröffentlichungssperre aufgehoben. Doch das Arbeitsministerium veröffentlichte die Liste dennoch nicht. Es hieß, das Ministerium habe die Daten nicht. So entschied sich Repórter Brasil, eine entsprechende Anfrage über das Informationsfreiheitsgesetz einzureichen. Die Daten wurden Repórter Brasil übermittelt, nachdem zuvor das Arbeitsministerium zusammen mit dem Nationalinstitut für die Abschaffung der Sklavenarbeit InPACTO die Daten zusammengestellt hatten. Repórter Brasil hat nun diese Liste auf ihrer Webseite veröffentlicht.

Die Liste umfasst 349 Namen von Personen und Firmen, die gerichtlich überführt und verurteilt wurden, Menschen in Sklavenarbeit oder in Sklavenarbeit ähnlichen Zwangsarbeitsverhältnissen gehalten zu haben. Eigentlich beinhaltet die Liste 350 Namen, doch der Name eines Täters wird derzeit noch unter Verschluss gehalten, da der entsprechende Gerichtsentscheid im Bundesstaat Bahia und die dort noch anhängigen Berufungsinstanzen noch ausstehen und der Täter einen veröffentlichungssperre seines Namens gerichtlich durchgesetzt hatte.

Die Sklaverei wurde in Brasilien 1888 abgeschafft. Aber noch immer gibt es Fälle von Sklavenarbeit oder sklavenarbeitsähnlichen Verhältnissen. Einer repräsentativen Umfrage zufolge erklären 70 Prozent der BrasilianerInnen, dass es in Brasilien Sklavenarbeit gibt.

Der Straftatbestand, ArbeiterInnen in Sklavenarbeit oder in sklavenarbeitsähnlichen Verhältnissen auszubeuten, definiert in Brasilien der Artikel 149 des brasilianischen Gesetzbuches. Ist eines oder sind mehrere der folgenden Kriterien erfüllt, handelt es sich um Sklavenarbeit oder sklavenarbeitsähnliche Verhältnisse: Zwangsarbeit, überanstrengendes Arbeitspensum, Lohnsklaverei, menschenunwürdige Arbeitsbedingungen.

Es gibt zur Zeit auf der Seite der Legislative eine Reihe von reaktionären Gesetzesinitiativen aus dem Milieu der Großgrund-, Farm- und FirmenbesitzerInnen, die die Gesetzeslage zur Definition von Sklavenarbeit oder sklavenarbeitsähnlichen Verhältnissen dahingehend ändern wollen, dass erst nach letztinstanzlicher gerichtlicher Entscheidung die Namen der Firmen und/oder Personen öffentlich genannt werden sollen und dass in Zukunft nur noch die Definition des „Zwangs“, also der „Unfreiheit“, aber nicht mehr die anderen drei Definitionen – überanstrengendes Arbeitspensum, Lohnsklaverei, menschenunwürdige Arbeitsbedingungen – zur Beurteilung des Straftabestands, Menschen in Sklavenarbeit gehalten zu haben, herangezogen werden sollen.