PARA - Krieg um Landrechte im Amazonas-Regenwald

Der Bundesstaat Pará ist der größte Holz-Exporteur Amazoniens. Er ist aber auch Teil des berüchtigten Entwaldungsgürtels von Brasilien. An seiner fortgeschrittenen Entwaldung (ein Drittel der Entwaldung Amazoniens) und den damit zusammenhängenden Problemen kann man abschätzen, was auf die restlichen Gebiete dieser Region zukommt, wenn sich an der Politik nichts ändert.
| von Keno Tönjes

„Im Wald herrscht Krieg um Land, Waldausbeutung und Profit um jeden Preis,“ meinte die Greenpeace-Waldexpertin Sandra Pfotenhauer im November 2003 anlässlich der Veröffentlichung der Greenpeace-Studie „State of Conflict“ über die Zustände in Pará. Alleine 125 Führer der Landrechtsbewegung wurden zur Regierungszeit von Präsident Lula in Brasilien ermordet, 40 % davon in Pará. Im Jahr 2004 erhielten nach Informationen der CPT 36 Personen in Pará Morddrohungen, und die CPT registrierte für diesen Zeitraum in Pará 13 Morde. Der Mord an der Regenwaldschützerin Dorothy Stang ist nur die Spitze des Eisbergs - das bislang prominenteste Opfer von jahrelangen Landrechtskonflikten- und hatte bereits ein knappes Jahr vor ihrem Mord Morddrohungen erhalten, ohne dass staatlicherseits Schutzmaßnahmen ergriffen wurden.

Innerhalb der letzten Wochen wurden weitere Landrechtsaktivisten ermordet, darunter Daniel Soares de Souza und Jailson da Silva. Diese Eskalation ist auch eine Folge der Politik Lulas, die den verhängnisvollen Kurs der Vergangenheit nahezu unverändert fortsetzt, trotz anders lautender Bekenntnisse und nur auf dem Papier stehenden Positiv-Projekten (siehe unten).

Pará ist als Küstenstaat relativ gut mit dem bevölkerungsreichen Süden des Landes sowie dem Rest der Welt verbunden. Der Mahagonihandel ist seit langem einer der Motoren für die Regenwalderschließung und fand zuerst an den Rand- und außerhalb der Schutzgebiete statt. Als die Vorräte in den 90er Jahren langsam erschöpft waren, wurden auch in bislang unerschlossenen Gebieten einschließlich Indigenen-Reservaten illegal Bäume geschlagen. Seit Anfang der 90er beschäftigen sich die Umweltverbände intensiver mit dem Thema. Einen Höhepunkt fand die Kampagne mit der Greenpeace Studie „Mahogany – Partners in Crime“ vom Oktober 2001, den ersten darauffolgenden Schritten gegen die Holzmafia in Pará sowie der Aufnahme von Mahagoni in Anhang II des CITES-Abkommens im November 2002, was eine strafbewehrte Verfolgung des Mahagonihandels erst ermöglicht. Häufiger wurden jetzt illegal geschlagene Mahagonistämme konfisziert und Strafgebühren verhängt. Dies konnte den Mahagonihandel zwar nicht stoppen, aber etwas eindämmen, auch wenn der Umgang in Europa mit illegalen Mahagonilieferungen nicht immer konsequent war (UK hat z.B. eine Beschlagnahmung aus formalen Gründen abgelehnt).

Als Teil des Entwaldungsgürtels von Brasilien spielen die von der Holzindustrie angelegten Erschließungsstraßen eine wichtige Rolle, die Holzexporte sind aber nicht die alleinige Ursache für den Druck auf das Land. Das gerodete Land wird von Großgrundbesitzern für Viehzucht gebraucht, seit neuestem auch für Sojaproduktion. Auch hier spielt die gute Verbindung zu den Verbrauchszentren im Süden eine Rolle, die durch den Ausbau der berüchtigten Bundesstraße BR 163 noch verbessert werden soll. Die Exportpolitik Lulas, die Brasilien bei Soja und Fleisch an die Spitze des Welthandels bringen soll, verstärkt mit verschiedenen Großprojekten diesen Druck, während die Pläne für ein nachhaltiges Amazonien oder gegen die fortschreitende Entwaldung kaum in die Praxis umgesetzt werden.

Dies macht es für die in Pará herrschenden Großgrundbesitzer attraktiv, sich öffentliches oder fremdes Land von denjenigen anzueignen, die sich nicht wehren können. Öffentliches Land wird durch gefälschte Dokumente („grilagem“), privates Land durch Drohungen und Morde angeeignet. Illegale Landnahme ist in Pará üblich und wird nur selten von der Justiz geahndet. Ein im letzten Jahr verabschiedetes Bundesgesetz verlangt zwar Beweise für den Besitzanspruch an öffentlichem Land, wurde aber bislang nicht umgesetzt. Die Justiz verfolgt auch nicht die vielen Morde an Landrechtsaktivisten oder der armen Landbevölkerung, so sitzt im Moment kein einziger Großgrundbesitzer wegen Anstiftung zum Mord im Gefängnis.

Die Mörder von Dorothy Stang fühlten sich so sicher vor Verfolgung, dass sie am Abend der Ermordung ein Freuden-Feuerwerk in der Stadt organisierten. Hinzu kommt noch, dass in Pará bis zu 25.000 Sklaven vermutet werden, die v.a zur Rodung von Waldgebieten eingesetzt werden. Die Umwelt- und Sozialverbände fordern in einem öffentlichen Brief an die Regierung eine sofortige Wiederherstellung der öffentlichen Ordnung in Pará, um die stattfindende Eskalation der Landkonflikte umzukehren. Die Regierung hat erst mal ein Armeebatallion in die Region geschickt.

Andererseits gibt es in Pará auch verschiedene Projekte der nachhaltigen Nutzung des Waldes, die durch die Holzmafia und den Entwaldungsdruck gefährdet sind. Am prominentesten ist das Projekt „Verde para Sempre“ („für immer grün“), in dem sich die Bewohner der Region um Porto de Moz zusammengeschlossen haben und für die staatliche Anerkennung als Sammlerreservat kämpfen. Hier fanden besonders heftige Kämpfe der Bevölkerung mit der Holzmafia statt, die in einer Flußblockade gegen illegale Holztransporte und bewaffnete Gegenwehr der Flößer Ende 2002 sowie kurzen Geiselnahmen von Aktivisten und IBAMA-Beamten 2003 gipfelte. Dieses und ein weiteres Sammlerreservat wurden schon im November anerkannt, die Einrichtung von zwei weiteren Naturschutzgebieten als Reaktion auf den Mord angekündigt. Ob diese Maßnahme einen realen Effekt vor Ort hat, bleibt abzuwarten.

Pará ist eine weitgehend gesetzlose Region, in der Großgrundbesitzer und die Holzmafia Druck auf die arme Landbevölkerung ausüben. Mord, Erpressung und Sklaverei sind weitverbreitet. Vordergründig hat die Regierung Lula positiv reagiert. Nach den Erfahrungen der bisherigen Regierungszeit muss aber bezweifelt werden, ob die Reaktion über Symbolik hinausgehen wird und zu einer Wende in der Politik führen könnte. Natürlich lassen sich die Probleme der Region nicht über Nacht lösen. Solang der Druck auf die Region weiter besteht, sind jedoch auch die Weichen noch nicht richtig gestellt.