Brasiliens Südosten verlor 56 Billionen Liter Wasser jährlich

Neue Studie der Nasa analysiert die in Brasiliens Südosten gespeicherten Wassermengen in Aquiferen, Seen und Flüssen und kam zu erschreckenden Ergebnissen. Und eine weitere Studie im Auftrag der Regierung sieht für 2040 ein "Klimadrama" voraus.
| von Christian Russau

Die Wasserkrise im brasilianischen Südosten betraf auf ihrem bisherigen Höhepunkt, Ende 2014, rund 77 Millionen Menschen. Wissenschaftler der US-Agentur Nasa haben sich dem Phänomen der Dürre nun aus dem All genähert. Dem brasilianischen Hydrologen der Nasa, Augusto Getirana, der die Studie auf Daten der Jahre zwischen 2002 und 2015 bezog, zufolge hat Brasiliens derzeit dürregeplagter Südosten 56 Billionen Liter Wasser jährlich verloren. Dies entspräche jedes Jahr, wie die Tageszeitung O Globo errechnete, der Wassermenge von zwei vollen Stauseen des Wasserkraftwerk Itaipus, des zweitgrößten Staudamm der Welt in nominaler Energieproduktionskapazität, oder 43 Stauseen der Größe von Cantareira, São Paulos größtem Trinkwasserreservoir, das 8,8 Millionen Menschen mit Wasser versorgt.

Als Grundlage seiner Forschung nahm Getirana die Daten der Nasa-Satelliten des Systems Gravity Recovery and Climate Experiment (GRACE). Diese zwei parallel geschalteten Satelliten messen das Gravitationsfeld der Erde. Änderungen im Gravitationsfeld werden durch Bewegungen von großen Massen an Eis oder Wasser ausgelöst, inklusive der im Untergrund gespeicherten Wassermengen, so dass die Änderungen in der Gravitation rechnerische Rückschlüsse zu ließen über die lokalen Zu- oder Abnahmen der jeweiligen Wassermengen, wie die Nasa mitteilte. Die Studienergebnisse wurden im Journal of Hydrometeorology veröffentlicht.

Augusto Getirana erläuterte der Zeitung O Globo zudem, dass der Ansatz seiner Studie nicht die Erforschung der Ursachen sei. Dazu gebe es bereits umfangreiche wissenschaftliche Untersuchungen und Theorien wie die Fliegende Flüsse Amazoniens, den Klimawandel  oder andere Phänomene, so dass in dieser Hinsicht noch weiter geforscht werden müsse. Sein Ziel sei es hingegen gewesen, erstmals belastbare Zahlen für Wasserschwund in der Region des brasilianischen Südosten zu finden. In seiner Studie untersuchte er auch die Wassersituation in Brasiliens Nordosten. Dort sah das Ergebnis ähnlich erschreckend aus. Im selben Vergleichszeitraum wie bei der Studie zu Brasiliens Südosten verlor der brasilianische Nordosten 49 Billionen Liter Wasser.

Die Studienergebnisse kommen zeitgleich mit einer anderen Studie, die im Auftrag der brasilianischen Präsidentschaft erstellt wurde. Der Studie "Brasil 2040" zufolge werde Brasilien im Jahr 2040 ein "Klimadrama" erleben. Der Bericht, so das Umweltinformationsportal Ecodebate, sehe "schwerwiegende Dürren" voraus, die die auf Wasserkraft basierende Stromerzeugung verunmöglichen würde, der Sojaanbau werde Einbußen von bis zu 39 Prozent erleiden, der Meeresanstieg würde küstennahe Gebäude im derzeitigen Immobilienwert von 124 Milliarden Reais (umgerechnet 30 Milliarden Euro) bedrohen, die Sterberate unter Senioren werde vor allem im Nordosten und Norden Brasiliens wegen des Temperaturanstiegs steigen.