Umweltbehörde suspendiert Genehmigungsverfahren für das Wasserkraftwerk São Luiz do Tapajós

Vorerst ist São Luiz do Tapajós gestoppt. Neben des Kampfes der Munduruku und anderer Akteure dürfte das aber vor allem auch mit der heftigen politischen und ökonomischen Krise in Brasilien zusammen hängen.
| von Christoph Hess
Umweltbehörde suspendiert Genehmigungsverfahren für das Wasserkraftwerk São Luiz do Tapajós
Aldeia der Munduruku bei Sao Luiz do Tapajós Foto: Uta Grunert

 

Inmitten dem politischen Erdbeben um das Amtenthebungsverfahren gegen Präsidentin Dilma Rousseff hat die brasilianische Umweltbehörde IBAMA den Bau des derzeit größten geplanten Wasserkraftwerkes São Luiz do Tapajós gestoppt. Vorausgegangen war der Entscheidung die Veröffentlichung eines Berichts der für indigene Fragen zuständigen Behörde FUNAI, welcher die Existenz des indigenen Territoriums Sawré Muybu der Ethnie Munduruku anerkennt. Sawré Muybu würde teilweise von dem Reservoir des Kraftwerkes permanent überflutet werden.

São Luiz do Tapajós ist das wichtigste Kraftwerk in der Energieplanung der brasilianischen Regierung für die nächsten zehn Jahre und mit einer geplanten installierten Leistung von 8.040 MW nach Belo Monte (11.000 MW, befindet sich im Bau) der größte geplante Staudamm im Amazonasgebiet. Der Damm hätte eine Länge von 7.608 m, eine maximale Höhe von 33 m, würde 376 km2 Urwald überfluten und soll 30 Milliarden Reais (derzeit ca. 7,5 Mrd. Euro) kosten. Das Projekt ist sinnbildlich für das Festhalten der brasilianischen Regierung an Mega-Staudämmen im Amazonas zur Deckung des wachsenden Energiebedarfs – und das gilt sowohl für die derzeitige PT-geführte Regierung als auch für die rechten Oppositionsparteien, die gerade versuchen Rousseff durch einen Putsch los zu werden. São Luiz do Tapajós ist das größte Kraftwerk des sog. Tapajós-Komplexes, welcher vier weitere Großkraftwerke beinhaltet. Insgesamt gibt es Pläne für 43 mögliche große Wasserkraftwerke im Tapajós-Einzugsgebiet.

Große Wasserkraftwerke sind hoch umstritten wegen ihrer großen sozio-ökologischen Auswirkungen. Seit 2000 haben Großprojekte vor dem Hintergrund des Klimawandels wieder an Fahrt gewonnen – Staudämme werden von vielen als „saubere Energie“ mit niedrigen Treibhausgas-Emissionen betrachtet. So wurde in Brasilien in den letzten Jahren das Großkraftwerk Santo Antônio im Madeira-Fluss – wie der Tapajós ein Zubringer zum Amazonas – durch den „Clean Development Mechanism“ des Kyoto-Protokolls gefördert. Doch viele der angeblichen Vorteile großer Staudämme sind umstritten: Die angeblich niedrigen Kosten werden dadurch relativiert dass es am Ende immer teurer wird als geplant und dass die Kosten für die Energieübertragung nicht in das Projekt mit einbezogen werden (zum Vergleich: Tapajós - São Paulo ist weiter als Paris – Moskau); niedrige Treibhausgas-Emissionen sind mittlerweile umstritten, da Stauseen große Mengen an CO2 und Methan ausstoßen können, vor allem in tropischen Regionen; und die positiven wirtschaftlichen Impulse in der Region werden von den negativen Auswirkungen durch die Massenmigration von Arbeitskräften (gefolgt von Massenarbeitslosigkeit) überschattet. Im Amazonas wird die Diskussion aufgrund der schwierigen sozioökologischen Bedingungen und der Präsenz von indigenen und traditionellen Bevölkerungen noch komplexer. An den Ufern des Tapajós und seiner Zuflüsse existieren unzählige traditionelle Fischergemeinden und indigene Dörfer, welche stark von den Auswirkungen der Kraftwerke betroffen sind. Hinzu kommt dass die erzeugte Elektrizität nicht der amazonischen Bevölkerung zugute kommt, sondern in die tausende von Kilometern entfernte urbane Zentren exportiert werden soll, oder – wie viele Beobachter/innen bemerken, obgleich nicht offiziell eingestanden – zur privilegierten Versorgung der Minenbetreiber im Amazonas dient, die ihre ganz eigenen sozio-ökologischen Schatten mit sich tragen.

All das macht die Diskussion um die Staudämme im Amazonas äußerst kontrovers. Der Belo Monte Staudamm sorgte für internationale Aufregung, über 20 gerichtliche Verfahren, unzählige Demonstrationen und Besetzungen und einer Aufforderung der Organisation Amerikanischer Staaten das Projekt zu suspendieren. An vorderster Front des Widerstands gegen die Staudämme kämpfen die indigenenen Gemeinden, für die die Flüsse über die materielle Abhängigkeit hinaus großen symbolischen und spirituellen Wert haben. Im Fall des Tapajós sind das vor allem die Munduruku. Deren Bewegung Ipereg Ayu wurde erst im September 2015 mit dem Equator-Preis des Programms für Entwicklung der Vereinten Nationen (UNDP) ausgezeichnet. Eine Vorwarnung für die (internationale) Polemik die das Projekt mit sich bringen könnte. Besonders heikel: São Luiz do Tapajós würde drei Munduruku-Dörfer überfluten. Laut Verfassung dürfen Indigene jedoch nur im Notfall und vorübergehend von ihrem Land umgesiedelt werden. Für viele Beteiligte ist deshalb klar dass der Staudamm der Grund dafür ist dass die Munduruku seit nunmehr über zehn Jahren auf die Demarkation von Sawré Muybu warten. Die ehemalige Präsidentin der FUNAI Maria Augusta Assirati hatte das 2014 auf einem Treffen mit den Munduruku indirekt zugegeben – kurze Zeit später wurde sie von ihrem Amt entfernt. Seitdem haben die Munduruku ihren Kampf für die Demarkation verschärft, und schließlich mit der Veröffentlichung des Berichts und der darauf folgenden Suspension einen wichtigen Erfolg erzielt.

Vorerst ist São Luiz do Tapajós gestoppt. Neben des Kampfes der Munduruku und anderer Akteure dürfte das aber vor allem auch mit der heftigen politischen und ökonomischen Krise in Brasilien zusammen hängen. Viele der Baufirmen, welche die Staudämme bauen und zu den wichtigsten Profiteuren der Projekte zählen, sind in Korruptionsskandale verwickelt. Und bei den derzeitigen stürmischen Verhältnissen ist ein solches Mammutprojekt für alle Beteiligte sehr risikoreich. Die Erfahrung lehrt jedoch dass dieses und viele weitere ähnliche Projekte den Amazonas und Brasilien noch viele Jahre beschäftigen werden.

 

Über den Autor:

Christoph Hess, 32 Jahre alt, aus Stuttgart, lebt seit 2,5 Jahren in Brasilien. Umweltingenieur mit Master in Wasserresoucenmanagement, hat in Deutschland und Brasilien studiert und seine Master-Arbeit über das Sao Luiz do Tapajós Projekt und dessen sozio-ökologische Auswirkungen geschrieben.