Corona in Brasilien

„Bleibt zuhause. Bei Corona handelt es sich nicht um eine Grippe!“Ein Lautsprecherwagen fährt durch die Favela Maré im Norden von Rio de Janeiro. Graffitis, Videobotschaften und Plakate rufen zu Hygienemaßnahmen im Alltag auf und warnen vor dem Ernst der Lage. Nicht alle hier haben Zugang zum Internet oder können lesen. Erste Todesfälle in Zusammenhang mit COVID-19 wurden um Ostern herum gemeldet.
| von Tilia Götze
Corona in Brasilien
Foto: Uta Grunert

Zum Glück gibt es Kollektive wie Maré 0800 oder Papo Reto, die fit in Sachen Kommunikation sind und sich auskennen, weil sie selbst Bewohner*innen der Favela sind. Der Staat ist an diesen Orten abwesend, die Zuschreibungen sind meist negativ. Im Westen der Stadt starb eine 32-jährige Frau der Favela Cidade de Deus, die 40.000 Einwohner*innen hat. Statistische Daten aus Brasilien belegen, dass hier eine weit jüngere Gruppe – anders als in Europa –zu den Risikopatient*innen gehört. Denn das Virus trifft auf Armut. Enge Wohnverhältnisse mit mehreren Menschen in einem Raum machen das Abstandhalten i schwierigbis unmöglich. Fehlende Anschlüsse an die Wasser- und Abwasserversorgung machen Wasser zum Kostenfaktor. In diesen Tagen muss man es solidarisch mit seinen Nachbar*innen teilen. Über Nahrungsmittelpakete, Wasserkanister und Hygienekits organisieren lokale Krisenstäbe die Notfallversorgung. Denn in der Favela leben viele Menschen, die keinen festen Job haben, sich aber mit Gelegenheitsarbeiten oder als Straßenverkäufer*innen über Wasser halten konnten. Sie sind nun existenziell bedroht. Auch der Zugang zu medizinischer Versorgung und Krankenhäusern steht nicht allen gleich zur Verfügung. Regelmäßige Arztbesuche, die der Gesundheitsüberwachung dienen, sind nicht selbstverständlich, wenn man kein geregeltes Einkommen und keine Krankenversicherung hat. Alle Organisationen der Brasiliensolidarität, die Projektpartner bei sozialen Bewegungen haben, befürchten das Schlimmste für das südamerikanische Land und haben Nothilfefonds eingerichtet.

Alarmierende Stimmen kommen auch von Indigenen. Sie leiden seit Jahrhunderten unter eingeschleppten Krankheiten, für die sie keine Heilmethoden haben. Die Yanomami leben im Norden Brasiliens. Um sich vor einer Ansteckung zu schützen, haben sie sich in die Wälder zurückgezogen. Wie viele indigene Gemeinschaften fürchten sie um ihre Leben, ihre Kultur und Traditionen und lassen niemanden mehr von außen in ihre Territorien. Jedoch befinden sich auf ihrem Gebiet momentan 20.000 illegale Goldsucher, welche die Umwelt mit Quecksilber vergiften und das Ansteckungsrisiko für die Yanomami erhöhen. Ein erster Todesfall bei den Yanomami wird auf Corona zurückgeführt (Stand Mitte April). Die Regierung reagiert jedoch nach wie vor nicht auf die Forderungen nach Schutz und Unterstützung der Yanomami - und anderer indigener Gemeinschaften in Brasilien.

Aktuell gibt es in Brasilien 101.147 bestätigte Infektionen und 7.025 Tote aufgrund von Corona (Stand 04.05.2020).

Mehr Informationen zum Thema:

Podcast +1C@fe: https://mais1cafe.org/category/de/

https://www.kooperation-brasilien.org/de/themen/indigene-sind-besonders-von-corona-betroffen

https://www.kooperation-brasilien.org/de/themen/landkonflikte-umwelt/recht-auf-nahrung/die-verteidigung-des-rechts-auf-nahrung-in-zeiten-der-corona-pandemie

https://www.kooperation-brasilien.org/de/themen/pandemie-verlangt-mehrausgaben-im-brasilianischen-gesundheits-und-sozialsystem